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[OBF-410327-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 27. März 1941.


Mein geliebtes  Herz! Mein lieber, liebster [Roland]! Herzallerliebster!!

Heute ist der Himmel wieder ganz verhangen. Ein dicker, grauer Nebel erfüllt die Luft, man kann garnicht frei atmen. Und dazu regnet es so herzlich; unser ‚Starenschnee‘ ist schon zu einer dicken, braunen Soße geworden. Aber ich bin's ganz zufrieden. Wir wollten ja eigentlich morgen unsre Wäsche einweichen, aber bei diesem scheußlichen Wetter können wir's nicht wagen – diese Unmenge faßt unser Oberboden unmöglich. Und obendrein, ich habe mir in den Kopf gesetzt zu bleichen. Der Rasen ist schon geeignet dazu – natürlich ohne Schnee und Matsch! So bleibt's diesmal wieder nur bei einer kleinen Wäsche[,] und nach den Osterfeiertagen geht's richtig los! Erstens bin ich da wieder ganz gesund, ich spüre nämlich schon heute die ersten Anzeichen meiner üblichen Krankheit, Leibweh und Kopfweh. Das ist [a]ber nur ein bissel Überanstrengung der Nerven: Nachts schlafe ich schlecht, träume viel. Tags stricke ich neben dem sonstigen Haushaltsprogramm fleißig Socken für Vater und dabei denke ich unablässig an Dich. Die Tage der Ungewißheit jetzt, die strengen mich richtig ein wenig an. Die Mutter klagt mir jeden Tag die Ohren voll, daß ich so blaß aussähe und ganz schwarze Augenringe hätte. Aber das kann ich nun auch nicht ändern. Das wird auch erst dann besser, wenn ich nicht mehr über Dich im Ungewissen bin, wenn ich mich nicht mehr so sorge um Dich. Was wäre ich denn auch für ein Kerl, wenn die ganze Angelegenheit jetzt mit Dir an mir herunterlief, wie kaltes Wasser? Ich kann das nicht so unbedenklich hinnehmen. Ich kann's nicht. Dazu bin ich eben in meinem Wesen zu gründlich, auch zu schwerblütig. Und, Du!! Ich glaube beinahe, das ist doch der Hauptgrund: Weil ich Dich viel zu sehr liebe! Du!!! Als daß das alles ein Leichtes für mich sei.

Herzlieb! Die Mutter hat mir das Versprechen abgenommen, daß ich nach dem Aufwaschen mich bissel hinlege und zu schlafen versuche. Ich hab's versucht. Ich kann nicht. Du!! Ich muß immer nur an Dich denken, Geliebter!! Du!! Ich habe mich wieder aufgesetzt, um Deiner zu denken! Ich muß Dich ja sooooo lieb haben, mein [Roland]! Du!!!!! Heute Nacht träumte ich, Du wärst bei mir, richtig bei mir im Kämmerlein. Du!! Oh Du!! Ich kann nicht vergessen, wie schön das war! Wie Du mich beglückt hast, Herzlieb!! Ich will nichts mehr sagen – ich mache es nur Dir und mir schwer. Herzlieb! Du!! Mein Ringlein! Wie es glänzt! Wie es mich an Dich erinnert! Geliebter! Deine Buchstaben trägt es – Dein bin ich – Dir gehöre ich! Niemanden sonst!! Es ist in den Tagen der Trennung unser teuerstes, sichtbarstes Pfand – außer unseren lieben Bildern – es erinnert uns jede Stunde aneinander und an unser großes Glück! Bei Tag und bei Nacht fühlen wir es an unsrer Rechten und es gemahnt uns an Liebe und Treue zueinander, Herzlieb! Ach, wenn wir allein eines Ringes bedürften, um uns Liebe und Treue zu wahren, da wäre unser Glück nicht fest gegründet.

Wir brauchen dazu kein äußeres Zeichen und Symbol – dafür gaben wir einander unsre Herzen, gaben wir uns einander selbst ganz zu eigen. Ach Du!! Du!!

Wir beide wissen um die unzähligen Pfänder unsrer Liebe und Treue, die als Zeichen innigster Zusammengehörigkeit dienen. Das beste und unvergänglichste ist, daß Gott uns seinen Segen gab, als Zeichen der Gnade und Güte zu unserm Bund der Liebe. Und weil wir nun darum ganz in seine Hand gegeben sind, darum dürfen wir auch unsres innigen Glückes von Herzen froh sein. Denkst Du noch der seligen Tage, da wir zusammen sein durften; daheim, und unser großes Glück krönen? Oh Du! Geliebter! Denkst Du noch der Stunden voll Sonnenschein und reichstem Glück? Du hast mich erlöst! Hast mich zum ersten Male im Leben so unsagbar glücklich gemacht! Geliebter!! Wie ich Dich liebe darum!

Nun können wir einander so ganz erfüllen – nun bin [ic]h ganz Dein Weib! Und Du bist mein geliebtes Mannerli! Nun dürfen wir auch an die letzte und höchste Erfüllung unsres Liebesglückes denken: unser Kindlein. Du!!! Wenn Du erst wieder ganz und für immer heimkehrst, Geliebter! Wenn wir ein Heim unser nennen, und im frohen Gleichmaß einer besseren, friedvolleren Welt leben – Du! Dann möchte ich, daß ich Dir ein Kindlein schenke! Herzlieb!! Ich weiß, Du teilst meinen Wunsch. Ich möchte kein Kind auf diese unruhige, schlimme Erde – wie wir sie jetzt sehen – bringen. Das ist eine große Verantwortung für ein Elternpaar. Der Herrgott fügte es bis jetzt so gnädig mit uns.

Er schenke uns seiner Gnade und Güte auch weiterhin, wir wollen nie aufhören, ihn darum zu bitten. Geliebter! Gebe Gott, daß Du mir gesund wiederkehrst!

Das ist mein innigster Wunsch. Das ist der Gedanke, der mein Herz so ganz erfüllt, der mich unablässig bewegt. Ach Du!! Es muß ja alles gut werden! Herzlieb! Der Herrgott kann ja unmöglich übersehen, wie unendlich lieb wir einander haben! Wie heilig uns dieser große Wunsch ist, wie er uns so ganz erfüllt!

Ob denn auf Erden noch 2 Menschen so ganz mit Herz und Seele zueinandergehören? Ob denn noch zwei sich sooo sehnen können? Ob es denn noch zwei gibt, denen das Zusammensein mit dem anderen die ganze Weltenseligkeit bedeutet? Aller Sinn des Lebens?

Oh Fragen — Ich will Deine Antwort, nur Deine! Geliebter!! Und tief im Herzen ist sie mir längst gegeben! Du liebst mich, wie nichts auf Erden – ach, ich weiß es tief beglückt! Mein Licht! Mein Le[be]n! Und darum kann ich so fest, so treu, so voll hingebender Liebe zu Dir stehen! Ich danke Dir Deine Liebe und Treue mit dem Besten und Schönsten, dessen ich fähig bin. Du weißt es, Geliebter!!

Nichts kann uns beide scheiden, als der Tod.

Ich ertrage die weiteste Ferne – ich habe Dein Herz, Du!! Deine Liebe!! Und Deine Treue!! Geliebter!!!

Ich bin so glücklich mit Dir!

Gott behüte Dich mir! Du!! Du!!!!!!!!!!!!!

Ich liebe Dich herzinniglich[,] Deine [Hilde].

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946