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[OBF-410325-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 25. März 1941.

Mein geliebtes Herz! Mein lieber, liebster [Roland]! Du!!

Du!! Ich habe wieder von Dir träumen müssen heute Nacht. Herzlieb!! Weil ich so voll Sehnsucht nach Dir bin. In eine Kirche trat ich – nach langem Wandern durch eine mir völlig unbekannte Gegend, viele Seen und Wiesen sah ich, Sommer war; denn ich trug ein leichtes, dünnes Kleid – und als ich eintrat, allein, in die Kühle des [G]otteshauses, um mich ein wenig niederzulassen – da hörte ich Orgelmusik und – es war, als setze mein Herzschlag aus – das konnte nur einer spielen – so kann nur einer spielen – mein [Roland]! Ich spüre ganz deutlich noch die süße, wundersame Unruhe, die mich erfaßte. Du!! Von Schubert „An die Musik“ spielte die Orgel – so deutlich hörte ich die vertraute Melodie. Und ich ging den Tönen nach, die schmale Treppe hinauf, und Geliebter!! Da sah ich Dich! Dich, mein Herzlieb!

Oh! Wie zitterte ich vor Freude und Glück! Du!! Wie mein [Roland] sahst Du aus, wie mein [Roland], ohne Uniform! Ich konnte mich nicht länger beherrschen, und ich trat hin zu Dir – Du!! Du!!!!! Da hast Du Dich umgesehen nach mir, wie erwachend, Du!! Oh, Du!! Wie Du mich angesehen hast!! Geliebter! Ich war so sehr erregt darüber, daß ich erwachte davon. Und es war erst nach Mitternacht. Du!! Du!!!!! Ich habe Dich so unsagbar lieb!!! Mein [Roland]!! Du!! Daß ich Dich so sehr lieben muß, es ist mir wie ein Wunder. Ich glaube, die große Flamme verzehrt mich einmal noch, wenn Du [sic]. Nein!!! Nein! Herzlieb!! Du!! Das darf nicht sein!! Das kann nicht sein!! Das kann der Herrgott nicht wollen!! Geliebter!! Oh Du! Es ist Sünde, was ich hier denke. Bitte, Du!! Mein [Roland]! Verzeih mir! Du!!!

Ich muss weinen, so sehr weinen. Herzlieb!

Warum kommt kein Brief von Dir? Ach, Du!! Ich sehne mich doch so sehr. So sehr! Weißt Du es denn nicht? Herzlieb! Du!!!

Es ist so finster überall, die liebe Sonne scheint nicht mehr. Wo bist Du, Herzlieb? Sag doch endlich ein einziges Wort zu mir! Du!! Ich sehne mich doch soo sehr nach einem lieben Wort von Dir!

Ach Herzlieb! Ich will so gerne nicht traurig sein – ich will so gerne nur Frohes und Liebes Dir sagen. Ich kann heute nicht, Du!! Ich kann nicht. Und ich mag meine Traurigkeit niemandem sonst, al[s] nur Dir zeigen. Du bist mein Vertrautester. Du allein darfst nur wissen, wie es in mir aussieht. Du bist mein herzliebes Mannerli, das bis in den letzten Winkel meines Herzens blicken darf.

Mein [Roland]! Ich darf mich an Deinem Herzen ausweinen, ich darf zu Dir kommen, mit allem was mich bewegt. Ach, ich weiß es, Geliebter! Weiß es beglückend, daß bei Dir Frieden ist und daß ich an Deiner Brust ganz geborgen bin. Du!! Du!! Was gäbe ich darum, könnte ich jetzt bei Dir sein!! Ach, Herzlieb! Du!! Bitte, bitte, denke nicht, daß ich den Mut verliere! Denke nicht, daß ich nicht mehr tapfer bin. Denke nicht, daß ich es nicht mehr aushalte! Du!! Einmal kommt eine trübe Stunde, einmal wankt auch der Stärkste! Aber das wird vorüber gehen. Unser Vater im Himmel wird mir helfen. Ich will ganz lieb ihn bitten, daß er mir wieder ein frohes Herz und einen ungetrübten Blick gibt! Daß er mich wieder stärkt mit Vertrauen und Geduld! Geliebter!! Bitte, bitte, Du!! Nicht traurig sein mit mir! Ich muß mich aber einmal von dem Schweren erlösen. Ach, Du wirst mich so lieb verstehen, wie immer schon. Wenn ich nur nicht jede Nacht von Träumen geplagt würde – immer bist Du dann bei mir, das ist so quälend süß – es erlöst mich doch nicht, es weckt nur meine Sehnsucht. Aber das Träumen kommt daher, weil ich den ganzen Tag an Dich denken muß – ich kann a[n] nichts anderes mehr denken, als an Dich. Und weil ich mir gar so viele Gedanken machen muß um Dich, und kein Zeichen von Deiner Hand zerreißt meine Gedanken, kein Wort von Dir schafft Klarheit in meine Bilder, deshalb verirre ich mich immer mehr und es läßt mich bei Tag und bei Nacht Dein Bild nicht mehr los. Geliebter! Mein Herzallerliebster Du!!

Bald wird der Tag kommen, der mir endlich Deinen so heißersehnten Boten bringt.

Am 16. März erhielt ich den letzten Brief von Dir. Und heute sind es erst 9 Tage, daß ich ohne Nachricht bin. Das ist nicht außergewöhnlich lange. Oh ja, andere mußten noch viel länger warten. Und mich trifft es auch doppelt hart, weil ich so verwöhnt bin durch unseren täglichen Briefwechsel. Ach Herzlieb! Es ist gar kein Grund da zum Verzweifeln – es liegt alles so klar auf der Hand. Es ist selbstverständlich, daß noch nichts von Dir in meinen Händen ist. Aber es will mir nicht in den Sinn. Weil ich Dich so sehr, weil ich Dich zu sehr lieb haben muß! Du!! Du!!!

Und darum werden mir die Tage zur Ewigkeit! D[u]!! Du spürst das quälende Warten sicher nicht so stark, weil immer neue Eindrücke Dich fesseln und nicht zum langen Nachdenken und Grübeln kommen lassen. Ich sehne mich richtig nach dem Frühling, da kommt der Mensch garnicht so leicht auf trübe Gedanken. Aber jetzt schneit es und stürmt, der Himmel blickt einenm jeden Morgen grau und trübe an – man kann nicht hinaus, ohne Gefahr zu laufen, sich eine tüchtige Erkältung z[u] holen. Und weil ich noch nicht recht auf der Höhe bin, seit meiner Erkältung, wage ich mich erst recht nicht mehr hinaus. Mein geliebter, guter [Roland]! Bitte, Du!! Sei nicht traurig über diesen Boten! Du!! Mir ist ein wenig leichter ums Herz, seit ich Dir mein Herz ausschüttete. Du wirst mich recht verstehen. Ich will ganz vernünftig und vertrauend in den morgenden [sic] Tag schauen. Und ich will Gott um ein starkes Herze [sic] bitten. Geliebter! Hab Dank! Daß Du mich anhörst!! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich!! Ich liebe Dich über alles in der Welt! Du!!! Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich mir gesund! Du!!!

In unendlicher Liebe ganz deine [Hilde], Dein!!!!!!!!!!

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946