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[OBF-410324-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 24. März 1941.

Geliebtes Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]!

Herzlieb! Es ist schon Montag, da ich erst die Gelegenheit finde, mit Dir zu plaudern. Vormittag ist, meine Hausarbeit habe ich ganz schnell getan, Du! Ich muß nun erst einmal mit Dir allein sein, Herzlieb!

Der Briefträger kommt, ½ 9 Uhr ist es – er geht wieder, noch nichts für mich! Du!!!

Vielleicht herrscht bei Dir auch solch Schneesturm wie bei uns hier, daß die Post garnicht fahren kann? Ich warte wieder – eines Tages muß er ja da sein, Dein so heißersehnter [sic] Bote. 12 Tage sind es, daß Du nun weg mußtest. Du sagtest mir: 14 Tage oder länger hörst Du nun nichts von mir – und ich nichts von Dir. Diese Spanne Zeit ist ja noch nicht einmal überschritten, also: fein geduldig!! Herzlieb Du!!

Ich hörte, daß die Post von Bulgarien 10 Tage bis ins Reich braucht; das ist sehr lange. Wiederum, betrachtet man sich auf der Landkarte die ungeheure Weite, die zwischen Vaterland und Bulgarien sich dehnt, da wird einem auch das verständlich. Geliebter! Es ist ja alles zu ertragen, wenn Du nur gesund und wohlauf die Zeit in der Fremde überstehst. Wenn Du mir nur froh wiederkehrst!! Du!!!

Ich will nicht müde werden, unsern Herrgott darum zu bitten. Er segne unsern Bund und führe uns recht bald für immer zusammen.

Herzlieb! Nun will ich Dir von meinem Sonntag erzählen. Da muß ich aber nun den Sonnabend vorausschicken. Als ich gegen 7 Uhr saß und Deine lieben Briefe in meine Mappe heftete, meinte Mutsch, daß wir doch heute noch die Frau Köblitz besuchen könnten, (die von der Blinddarmoperation zurück war). Weil kommende Woche ihr Mann Nachtschicht hat – sie braucht immer noch ein wenig Hilfe beim Zubettgehen.

Also klappte das Sonnabend am besten. Und sie war so erfreut über unseren Besuch, erst gegen 10 Uhr sind wir heim. Sonntagmorgen schliefen wir alles erst schön aus. Bis 8 [Uhr]! Und ich habe schon viel eher im Bett gelegen, ganz wach – hab soo lieb Dein denken müssen! Ach Herzlieb!! Du!! Es ist bis jetzt noch keine Nacht vergangen, da ich nicht von Dir geträumt habe. Das ist so schön – so süß – und doch, auch manchmal quälend. Ach Herzlieb!! Ich hab Dich sooo ganz sehr lieb!!! Du!! Und bitte, erspar mir, daß ich Dir erzähle von diesen Träumen, Du!! Ich kann [e]s nicht — es ist zu süß — ich will es alles ganz fest, ganz tief in mein Herz verschließen, da ist es am ruhigsten dann in mir; dann ertrage ich auch viel leichter das Alleinsein!

Ach Du!! Geliebter!! Du mußt doch genau so wie ich Dich sehnen – warten! Du!! Du!!

Wir wollen nicht uns liebe, süße Briefe senden jetzt, ich glaube, das ist viel besser so.

Du wirst mich verstehen, mein herzlieber [Roland]! Du!! Wir wollen nur einander berichten von unserm Tun, von unserm Ergehen, von unserm Erleben.

Wir wollen uns nur ganz treu und fest die Hände reichen, daß eines das andere nicht verliert.

Das Heimlichste, Süßeste aber, das wollen wir tief in unsre Herzen senken; da soll es ruhen, bis einst die Erfüllung naht, die herrliche – Geliebter!!!!! Dann soll alles aufstehen, was an Liebe und Sehnen sich staute, dann wollen wir ganz selig und glücklich und dankbar an unsre Lebensfeier denken – Du!!!

Sonntag. Der Vormittag verlief wie gewöhnlich bei uns Frauen, Vater hatte Apell; sie weihten eine neue Spritze ein! Wenn mal Feuer ausbrechen sollte.

Um 1100 [Uhr] wollten wir Mittag essen, die Eltern hatten vor, Herrn Naumann in Rabenstein zu besuchen – ich bin nicht mit gefahren. Weil das Wetter so schlecht war, fuhren sie mit dem Bus. Da klingelt es und wer kam, Herr C., um unsre Radioleitung zu legen. Da war ich nun nicht eben erfreut. Denke Dir, bis nach 3 Uhr hat er gebaut! Und wie meine Küche darnach aussah – wie ein ....... stall!! Ich war kurz vor 4 Uhr fertig mit dem Saubermachen – da kam dann die Hilde T. zum Wunschkonzert. Du! Jetzt klingt der Apparat ganz schön – um so vieles lauter kann ich ihn auch stellen und abends kriege ich sogar ausländische Sender. Weiß aber nicht, was es ist; ich muß nochmal genauer hinhören.

Also, da war es nun gestern nichts aus dem Schreiben geworden. Hilde hatte sich eine Handarbeit mitgebracht und ich stricke für Vatern [sic] Socken! Wir haben einen recht netten Nachmittag verlebt miteinander, dann kamen noch die Eltern dazu. Sag, hast Du wohl auch das Wunschkonzert angehört? Der Rumänische [sic] und der Jugoslawische [sic] Rundfunk waren angeschlossen. Wir haben so oft von Euch Soldaten gesprochen, haben Dir nicht die Ohren geklungen? Ihr seid immer der Mittelpunkt des Gesprächs. Ihr Soldaten und der Frieden. In einem Vierteljahr soll Frieden sein, hat hier eine Frauenschaftsleiterin in einer Rede gesagt. Hoffentlich behält diese weise Frau recht!

Sonntagabend 10 Uhr war es, als Hilde aufbrach, sie ist so sehr furchtsam. Ich brachte sie heim bis vor die Haustür. Ich kann das Furchtsame nicht verstehen – ich bin auch kein Held, aber so schlimm ist's nun bei mir doch nicht – wenn auch kein Lichtschein abends draußen ist, wenn auch kein Mond am Himmel steht, ich fer fürchte mich draußen nicht. Ich sehe ja den Himmel über mir, die Sterne – glaubst, da fühle i[ch] mich so geborgen, was sollte mir denn zustoßen, wo der liebe Herrgott herunterblickt auf uns? Und was auch auf meinem Weg mir von weitem furchtsam scheinen mag, ich schau bloß über mich, sehe nur nach oben — und da überkommt mich eine wundersame Ruhe und Kraft. Wenn ich manchmal so gehe, denke ich: jetzt könnte kommen was wolle, ich würde keinen Moment die Fassung verlieren.

Weißt, Herzlieb! Es ist schon so, gläubige Menschen kennen keine Furcht, weil sie sich nie allein wissen, weil sie fühlen, überall in der Welt ist Gott. Ich habe das schon so viele Male erlebt. Und es ist etwas Wunderbares um diese Macht, diese Kraft, die dann die Ruhe in dem Menschen ausmacht, das Gefaßtsein. Und so stelle ich mir auch vor, wenn der Tod an uns herantritt. Der nichtgläubige Mensch wird in eine gräßliche Furcht geraten – der gläubige dagegen schreitet ganz ruhig und gefaßt dem Schicksal entgegen. Davon muß man auch einmal reden, wenn wir auch nicht an Tod und Vergehen denken wollen in unserem Alter, in unsrer Zeit des anbrechenden Glückes und eigentlichen Lebens! Herzlieb!! Ach Du!! Wir wissen beide um diese göttliche Macht. Und sie allein ist es auch, die uns unser Leben jetzt ertragen läßt. Was wären wir ohne Glauben? Wie ein Baum ohne Wurzeln wären wir.

Geliebtes Herz! Unser Herrgott ist unser Licht auf unserem Wege – wir können so nicht irre gehn – und wir finden auch so wieder zueinander zurück, über alle große Ferne, die uns jetzt trennt. Und unsere Liebe, die uns fest und tief im Herzen wurzelt, die führt uns immer wieder einander zu, mag das Schicksal noch so mächtig scheinen, unsere Liebe wird alles, alles überdauern. Ich weiß es. Weiß es so gewiß, wie ich Dich liebe – wie Du mich liebst. Du!!

Der Herrgott sei mit Dir! Er behüte Dich auf allen Wegen! Du bist mein ganzes Glück! Mein Leben! Meine Sonne! Du!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen! Du!!

Mein Herzlieb!! Mein [Roland]!!

Deine [Hilde]. Dein!!!

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946