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[OBF-410325-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 23. März 1941.

Meine liebe, liebste [Hilde]! Geliebte, Herzallerliebste mein!!

Sonntagvormittag ist. Wir fahren noch immer. Weiter, weiter auf der Hauptbahn auf die Stadt zu im Reiche der Märchen von 1000 und 1 Nacht. Feiertäglich ist die Natur: eine breite Ebene mit grünenden Weiden, im Hintergrunde mehrere Kulissen von Höhenzügen, die niederen im Vordergrunde grasbedeckt braun, die hinteren schon in blau übergehend bis zu den schneebedeckten Gipfeln. Es ist trübe und noch immer kühl. Herzlieb! Es ist still in mir. Wie wird es Dir gehen? Werdet Ihr heute Besuch haben? Wirst Dir auch nicht zu viel Sorgen machen um mich? Im nächsten größeren Bahnhof will ich wieder versuchen, einen Boten aufzugeben. Gott helfe Dir über die Zeit der Ungeduld und des Wartens. Gott ist unsre Zuflucht allezeit. Wir müssen ihn nur immer suchen. Von dem Frohsein dieser Gewißheit will der Zweifel und das Zagen uns entfernen – und doch sollten wir ganz froh und dankbar sein – immer!

Im nächsten größeren Bahnhof schrieb ich – und eh ich es [sic] nur [sic] versah war er heran – und hier machten wir Station – auch hier sind wir ausgestiegen, haben unseren Zug verlassen und sind mit allem, was unser schönes Heer begleitet, mit diesem ganzen großen Lager, ausgezogen in eine Volksschule der Stadt. Wir sind hier nicht die erste Truppe – Flieger, Gebirgsjäger und andere Formationen bevölkern die Stadt – aber die ersten Marinesoldaten. Wielange[sic] unseres Bleibens hier sein wird ist ungewiß und hängt mit der Entwicklung der politischen Lage zusammen. Unsre Unterkunft ist in Anbetracht der vielen und schönen blauen Sachen ziemlich mangelhaft, eben ein Massenquartier. Aber das hilft nichts. Nur vorwärts, vorwärts, denke ich. Herzlieb! Es bleibt uns keine Station erspart. Wir müssen hindurch. Und dem vergangenen Besseren nachtrauern ist sinnlos. ]

Da ich hier weiterschreibe ist es Dienstag geworden. Es gab nun soviel zu tun und aufzupassen auf sich selbst und den Platz in dieser Masse, daß keine Zeit blieb zu schreiben. Jetzt ist es früh am Morgen, die Sonne scheint durch die großen Fenster des Schulzimmers – alles schläft noch. Wir sind hier in B. [sic] Unsre Stadt, eine Großstadt, liegt an der verlängerten böhmischen Bahn, weißt? Dieser Gedanke hat etwas Tröstliches. Ihr Name? Beginnt mit Ph, und wenn wir ihn früher in der Schule lernen mussten, kam uns ein wenig das Lachen. So, mehr darf ich nicht verraten.

Ich bin noch nicht in die Stadt gekom– [sic], vielleicht, daß es heute einmal wird. Das Wetter ist frühlingshaft, am Mittag schon sommerlich warm. So, meine liebe, liebste [Hilde]! Gleich wird zum Wecken gepfiffen. Ich denke Deiner in großer Liebe als meinen köstlichsten, liebsten Schatz auf Erden, meiner Heimat, die wiederzufinden mein sehnlichster Wunsch und meine größte Bitte an Gott, den Herrn, ist.

Er behüte Dich mir! Er schenke Dir Kraft durchzuhalten. Meine liebe, liebste [Hilde]! Ich bin und bleibe Dein

[Roland].

Post haben wir noch nicht empfangen und auch noch nicht abschicken dürfen.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946