Bitte warten...

[OBF-410322-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 22. März 1941.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland]! Du!!

Wochenende ist, ich bin fertig mit meinen Geschäften. Die Uhr zeigt 3 Uhr vorbei. Seemannssonntag ist heute! Wie und wo wird ihn mein Herzlieb verleben?

Du!! Ich bin soo voller Fragen!! Du wirst es verstehen. Aber ich will sie alle zurückstellen – will geduldig und brav warten! Wenn ich nur eines wüßte! Nur eines! Ob Dir’s gut geht – ob Du wohlauf bist! Du!! Nächste Woche wird ganz gewiß endlich ein Zeichen von Dir kommen! Du weißt ja nicht, wie sehr ich mich darauf freue – wie ich es ersehne! Und Dir wird es doch ebenso gehn, Herzlieb!

Die Mutter ist zu Haus – schon vorigen Sonnabend war sie nicht in Mittelfrohna, weil Siegfried noch da war. Heute haben sie Mutsch nicht verlangt. Und nächstes Wochenende ist bei uns Waschfest. Sie werden es nun hoffentlich bald selbst spüren, daß Mutsch nicht gerne kommt und obendrein, daß sie es fast nicht mehr durchhält, das andauernde Arbeiten. Erst vor einigen Tagen, als ich mit unten war, kam diese Angelegenheit wieder zur Debatte und ich habe ziemlich deutlich gesprochen. Ich weiß, daß ich daher ein unwillkommener Gast bin bei den jungen Leuten – vielleicht sogar bei Großmutter – doch das kümmert mich wenig. Ich muß nicht nur darauf achten, daß sich meine Mutter nicht ruiniert, ich muß auch an meine, an unsre Zukunft denken. Auf wem, als auf mir läge die Last einer Pflege, wenn sich Mutter ruiniert?

Ja Du! Eben meint Mutsch, ich solle doch besser jetzt nicht so viel schreiben, solange ich nicht Deine neue Anschrift hätte. Sie denkt, meine Briefe, die auffallenderweise täglich da ankämen, würden geöffnet – oder erreichten Dich überhaupt nicht. Aber, weißt Du – in diesem Punkte kann einer sagen was er will. Ich schreibe Dir und damit gut. Die Briefe müssen Dir sämtlich zugestellt werden. Und was drin steht? Ach, daß ich Dich so lieb habe, das dürfen alle wissen, da schäme ich mich garnicht! Und meine Vermutungen in Bezug auf Deinen nunmehrigen Aufenthaltsort? Die sind ja so harmloser Art, sind ja keine Angaben militärischer Stützpunkte! Sind ja nur die bangen Fragen einer Liebenden, die sich sorgt. Nein und dreimal nein! Ich schreibe weiter. Du Herzlieb! Heute will ich mich nach Feierabend wieder meiner liebsten Beschäftigung widmen: Deine lieben Briefe ein heften [sic]. Morgen will mich Hilde T. besuchen zum Wunschkonzert (das ist meine Schulfreundin, bei der Du schon mal mit gewesen bist.) Ihr Bräutigam ist auch beim Militär, Gradschütze. Und dann habe ich mit Mutter noch 2 Kranke zu besuchen, die uns gut bekannt sind. Herrn N. wollen die Eltern morgen nachmittag im Rabensteiner Krankenhaus besuchen, ich weiß noch nicht, ob ich mitgehe. Will ihn lieber daheim besuchen. Dann ist in unsrer Nachbarschaft Frau K. von einer Blinddarmoperation zurück. Die muß ich auch besuchen. Sie hat mir schon so viel Liebes erwiesen an unseren Festen!

Am Montag werde ich mal Mutter spielen. Frau Ch. bat mich, die Kleine mal zu mir zu nehmen, sie hat Wäsche und Erika muß zur Schule. Ich freue mich darauf.

So siehst Du, Herzlieb! Ich habe immer auch ein wenig Abwechslung, und das ist mir gut in den Tagen des Wartens.

Ach Du!! Bald werde ich das ersehnte Zeichen in Händen halten! Du!! Wenn Du nur ganz gesund bist! Nun will ich nochmal zur Stadt, eine Ablegemappe kaufen, bissel was Frisches zum Abendbrot.

Und nun wäre es soo schön, könntest Du bei mir sein. Aber das wird auch wieder, später!

So Gott will, währt es garnicht mehr so lange! Du!!! Weißt? Heut’ Nacht träumte mir, Du kämst zu mir in Urlaub! War das eine Freude!!!

Es heißt ein Aberglaube: was man in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend träumt, erfüllt sich! Wenns‘ nur so wäre!!

Nun mein Herzlieb für heute auf Wiederhören! Einen frohen Sonntag wünsche ich Dir, vielleicht sitzt Du nun auch am Lautsprecher und hörst aufs‘ Wunschkonzert?! Mein Sonnenschein!! Gott behüte Dich mir!! Du bist all mein Glück! Meine Sehnsucht! Du!!

Ich liebe Dich, wie nichts sonst auf dieser Erde! Du!! Du!!!

In Treue allezeit Deine [Hilde]. Dein!!!!!

Verzeih bitte! Ein Mißgeschick beim Abreißen!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946