Bitte warten...

[OBF-410320-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 20. März 1941.

Mein geliebtes Herz! Mein lieber, lieber [Roland]! Herzallerliebster!

Du! Gestern, als ich Deinen Brief in den Kasten geworfen hatte, da hat es mich in einem fort geschluckt. Hast wohl arg an mich denken müssen, Herzlieb? Und abends, zwischen 8 – 10 Uhr, da war es ganz toll! Sag, ist wohl etwas ganz besonderes geschehen gestern, am Mittwoch? Oder hast Du nur auch[,] wie ich, so fest an den vorhergegangenen Mittwoch denken müssen, der uns soo weit auseinanderführte.

Herzlieb! Du!! Ich habe schon wieder von Dir träumen müssen, ach Du! Du!! Ich will nicht davon schreiben – die Sehnsucht wird nur noch größer, Geliebter!!

Es ist aber jetzt 3 Uhr vorbei, und ich sitze hier und denke Dein! Du!! Ganz lieb und fest! Und nebenbei schau ich oft einmal zum Fenster hinaus, ob denn der Briefträger heute wieder vorbei gehen wird! Aber, ich will noch lange ganz fein geduldig sein, Du!! Ich sage mir immer vor: Zur Belohnung kriegst Du dann einen ganz dicken, langen und lieben Brief! Stimmt das wohl? Dickerle?! Ach, man muß nur fest dran glauben! Dann wirds´ schon wahr! Du willst mir doch auch, wenn es irgend geht, täglich ein paar Zeilchen aufschreiben – nur, daß Du nichts abschicken kannst! Dein Brief an mich muß also schon ganz schön dick sein und lang!! So wie mein Dickerle selbst, so lang, so dick und! – soo lieb! Ja! Das auch!! Mein Herzlieb! So lange sitzt Du nun schon auf der Eisenbahn! Wie müssen Dir alle Glieder schmerzen! Du Armer! Nicht einmal lang ausstrecken zum Schlafen kannst Du Dich. Ach, ich denke jeden Abend dran, wenn ich in meinem weichen Bettlein liege. Viel lieber wollte ich am Boden auf Stroh schlafen, nur, daß Du schön liegen könntest, Herzlieb!! Der böse, böse Krieg!

Und gibt es denn auch eine ordentliche Verpflegung? Du!! Das geht mir immerzu im Kopfe herum. Ich möchte das alles am liebsten mit eigenen Augen mal sehen, damit ich mich beruhigen könnte. Ich möchte Dich am liebsten in allem selbst versorgen! Du!! Mir kannst Du alles sagen, wie Du es am liebsten magst und ich tu Dir doch alles zu Liebe, Du! Aber so – mußt nun alles aushalten, so wie es eben ist. Na, wenn Du nur erst wieder bei mir bist! Du!! Ich will Dich aber verwöhnen. Herzlieb! Hoffentlich fandest Du ein paar nette Reisegefährten, die nicht so aus der Art schlagen, während dieses engen Beisammenseins im Abteil. Und ich wünschte mir noch m[e]hr, daß Du einen unter denen fändest, der Dir wirklich ein guter Kamerad sein könnte.

Oh weh! Du! Beinahe hätte ich den Kuchen im Ofen vergessen! Vaters Geburtstagskuchen! Er ist gerettet!! Ach, wie gerne würde ich Dir ein Stück von dieser saftigen Pflaumentorte geben! Es kann nicht sein.

Und der Kuchen, der für Dich bestimmte? Der ,ihn' wohl nie erreichte?! Er tut mir soo leid! Er war so gut geraten. Zwei Pakete sind unterwegs an Dich. Eines mit Kuchen – eines mit Apfelsinen und Äpfel [sic]. Bin ja neugierig wer sie bekommt, der eigentliche Empfänger, oder der Absender!

Ja, morgen ist nun Vaters 50. Geburtstag. Die kleine Feier wird wahrscheinlich erst am Sonntag stattfinden. Er hat ja gerade Tagesdienst.

Sein Leibgericht will ich morgen kochen: Hammelbraten mit vogtländischen Klößen. Einen großen Pudding habe ich schon vorhin gekocht. Kartoffelsalat gibts am Abend. Die Geschenke werden nun beide nicht eintreffen am Festtag. Der Schneidermeister kanns´ nicht ermeckern! Und der Liegestuhl kommt nun grade mit in die Gütersperre, die zur Zeit herrscht. Na, das läßt sich nicht ändern.

Eben trafen die ersten Glückwünsche aus Kamenz ein, vom Siegfried, vom Vater. Ich weiß nun nicht, ob die Eltern uns besuchen kommen. Der Brief ist an Vater allein adressiert, da darf ich ihn auch nicht öffnen (ja, wie ichs´ verlange selbst, so halte ichs´ bei andern!!) [Du] Wirst morgen erfahren, was er nun schreibt, ja?

Also, die Glückwünsche vom Hubo können auch nicht pünktlich sein. Lässt sich nicht ändern.

Aber, Herzlieb! Ich werde dem Vater gratulieren, morgen, mit einem feinen Blumenstrauß, von seinen beiden lieben Kindern – Du und ich!

Ich wollte ihm noch so eine Schnittendose schenken aus Aluminium; weißt, wie die Schulkinder auch haben? Kann aber nirgends eine bekommen, Aluminium ist beschlagnahmt und der Vorrat sei ausverkauft. Ja, der Krieg. Überall macht er sich bemerkbar.

Mein Herzlieb! So heiß brennt mir heute nachmittag eine Wange, die linke. Der alte Aberglaube: der Liebste sehnt sich! Obs denn auch stimmt? Du!!! Nachher, in ½ Stunde will ich mit Mutsch nach Limbach, für Vatern einkaufen, Blumen, eine neue Krawatte zum Stutzer! Mal sehn, was es noch Brauchbares gibt.

Du! Ich denke so lieb und fest an Dich, heute und alle Tage, Geliebter! Spürst Du es wohl? Du!! Ich habe Dich ganz sehr lieb! Du!! Du!! Heute abend will ich seit langer Zeit wieder einmal in die Singstunde gehen. Es ist ja bald das liebe Osterfest!

Mein Herzallerliebster! Geliebtes Mannerli! Du!! Ich küsse Dich!! Ich liebe, liebe Dich!!! Der Herrgott behüte Dich mir!

Er führe uns bald für immer zusammen! Du!!! Ich sehne mich sooo sehr nach Dir!! Geliebter!! Ich bin Dein! Ganz Dein!

In Liebe, in Treue

nur Deine [Hilde].

Und Du bist mein!! Ganz nur mein! Wie glücklich bin ich darüber!!!!!!!!!!!!! Du!!!

Viele Grüße von den Eltern!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946