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[OBF-410317-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 17. März 1941.

Herzallerliebster! Mein lieber, liebster [Roland]! Geliebter mein!!

Fünf Tage bist Du nun unterwegs. Neben mir liegt die aufgeschlagene Landkarte, sie gibt mir über vieles Aufschluß, sie gibt mir über nichts Auskunft. Ich kann so lange sitzen, über die Landkarte geneigt – das ganze Gebiet liegt vor mir, wo Du nun vielleicht in den nächsten Tagen stationiert wirst. Die Donau-Staaten.

Euer Zug durchfuhr die frühere Tschecho-Slowakei. Es schließen sich an: Ungarn, Jugoslawien, Rumänien und zuletzt Bulgarien.Hier verweilt mein Blick immer am längsten. Hier glaube ich Dich in Zukunft suchen zu.

Herzlieb!! Welch großes Stück Land zwischen mir und Dir! Und doch nicht zu groß, zu weit, daß es unsere Liebe nicht überwinden könnte – daß unsere lieben Boten nicht zueinander finden könnten! Mein Herzlieb! Ich denke voll Liebe an Dich! Du bist nicht allein! Nie – nie, mein [Roland]!! Du!! Es ist ganz still und ruhig in mir. Ich warte so still – ergeben auf deine Nachricht, die mir sagen wird, wo Du nun gelandet bist. Nur eines läßt mich im Herzen so getrost sein:, [sic] das Wissen darum, daß Du in Gottes Hand stehst. Geliebter! Hätte ich unseren festen Glauben nicht, ich müßte verzagen – zerbrechen an unserem Schicksal. Woran sollte ich mich denn halten? Ich mag diesen Zustand garnicht zu Ende denken.

Mein [Roland]. Mein geliebtes Herz! Du!! So froh gewiß sind wir Gottes Güte und Gnade, nun kann nichts uns so leicht aus der Bahn werfen! Und ein großes, köstliches Glück erhellt uns auch die dunkelsten Stunden, unsere innige Liebe! Herzlieb!!! Du!!!!! Eines hält des anderen Liebespfand in Händen – eines hütet den köstlichen Schatz unsrer Liebe so fest und treu wie das andere – wir kennen nichts, als Du und ich! Geliebter!! Wunderbare Ruhe und Geborgenheit überkommt mich, wenn ich daran denke, wie treu Du mich liebst!! Das allein gibt mir Kraft nicht zu zweifeln an dieser Welt.

Und, mein Herzlieb!! Ich weiß, wenn Du an mich denkst, dann bist Du froh gewiß, daß ich Dir [d]as Bild der Heimat schenken kann – weil mein Herz immer nur für Dich schlägt, weil es bereit ist jede Stunde, Dich soo lieb darin aufzunehmen und fest einzuschließen! Ich liebe Dich! Du!! So treu und innig, wie ich Dich schon immer liebte! Ich lasse nicht von Dir! Ich bleibe Dir! Ich warte auf Dich! So lange, bis Du wieder bei mir bist! Du!!!!! Ich kann nur Dir gehören – niemandem sonst!

Ach, Geliebter – Du weißt es! Ich bin ganz Dein!!!

Daß wir über alle Ferne hinweg uns ganz gehören, uns so ganz bleiben, Du!! Das kann uns jetzt der einzige Trost sein. Herzlieb! Du!! Ist es nicht der schönste, der beste und einzigste Trost, den Liebende sich zusprechen?: [sic]

Ich bleibe Dir – mag kommen was will.

Draußen lacht einmal die Sonne, einmal schneit es. Wunderliches Frühlingswetter – es muß sich austoben. Ich habe seit dem Sonnabend wieder mal einen tüchtigen Schnupfen. Vielleicht hat ihn mir Siegfried aufgehängt, er brachte nämlich einen mit zu Besuch. Du wirst in Zukunft mit Erkältungserscheinungen nicht zu rechnen haben? Du!!

Berichte mir nur von allen den Dingen, die der Heimat entgegen vorherrschen!

Heute Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen, ob Du meiner ganz besonders dachtest? Herzlieb?! Gegen Abend lief ich noch ein Stück nach dem Hohen-Hain, also, gestern Sonntag. Die Wege waren noch sehr weich vom getauten Schnee, ich konnte nur ein Stück am Waldrand lang gehen. Als es zu dunkeln begann kehrte ich heim, ich wurde auch noch von einem tollen Regen überrascht. Mit Mutter habe ich gestern zerrissene Wäsche ausgebessert, Sonnabend in 8 Tagen gibts’ Waschfest! Deine Soldatenwäsche, die werde ich nun vorläufig zum letzten Male eigens waschen! Mußt Dir nun eine neue Waschfrau suchen? Du?! Ob Du der neuen auch so liebe, geheimnisvolle Zettel vollgeschrieben, dazulegst? Ach nein –, Du!! Das glaube ich nicht! Die weiß sich doch überhaupt nicht mit Hubos´ Hemdeln und Höseln zu unterhalten, wie die [Hilde]!

Erstens: sie hat Dich nicht sooo lieb, wie ich!!

Zweitens: sie kennt ja Deine Sprache garnicht!

Heute will ich noch ein paar Zeilchen nach Kamenz schreiben. Der Vater ist auf 8 Tage in Urlaub daheim, und Siegfried muß am Mittwoch wieder zurück nach Godesberg.

Du hast der lieben Mutter schon geschrieben von Deiner Veränderung. Ich will noch ein bissel berichten davon.

Heute wird Frau H. begraben, die Eltern sind dort. Ob Siegfried mit fuhr, weiß ich nicht – er wollte vielleicht in Vertretung Hellmuths´, weil er nicht kommen kann. Sie werden alle recht aufatmen, daß die arme Mutter nun endlich erlöst ist. An Elfriede  möchte ich auch nochmal paar Worte des Beileids richten, ich sandte nur eine Trauerkarte. Das ist nun auch ein Umsturz in H.s Familie, was wird aus Lotti? Elfriede hat ihr Heim, die Polziner Schwester fährt wieder weg und Marianne wohnt in Löbau. Sie werden ja sicher das Haus verkaufen.

Du!! Herzlieb! Eben kam eine Karte von H.s aus Lichtenhain. Sie haben mir einen Liegestuhl versorgt! Nun können wir dem Vater ein schönes Geschenk machen – bloß, ich werde ihn wahrscheinlich mehr drücken, als er! Er bekommt noch eine neue Joppe, es ist mehr ein Ma[n]tel, ‚Stutzer' nennt sich sowas – ein schöner Stoff, bräunlicher Ton. Es wird schon ein würdiger 50. werden! Gefeiert wird er richtig, wenn unser Hubo wiederkommt!!

Ja, H.s hätten den Stuhl schon längst abgeschickt, es sei aber Gütersperre gewesen, die auch noch nicht aufgehoben sei. Sobald es geht, will er ihn uns zuschicken.

Mein liebes, gutes Mannerli! Wo wirst Du denn heute sein? Du!!! Ich denke ja so oft und soo lieb an Dich!

Mein Sonnenschein bist Du! All mein Glück!

Ich liebe Dich so sehr! Du!! Du!!!

Der Herrgott behüte Dich mir, er sei mit Dir auf allen Wegen! Herzallerliebster!! Du mein geliebter [Roland]!!

Ich küsse Dich! Ich hab Dich soo sehr lieb!

Ich bleibe in Liebe und Treue immerdar

ganz Deine [Hilde], Dein!!!

Und Du bist mein!! Mein!!!

Tausend liebe Grüße soll ich Dir von den Eltern sagen!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946