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[OBF-410316-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 16. März 1941.

Herzallerliebster! Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, lieber [Roland][!]

Sonntag ist heute, Heldengedenktag im ganzen Reich, die Sendungen des Rundfunkes lassen uns teilhaben an allem, was unser Volk an diesem Tage bewegt. Der Führer sprach vor Mittag. Ob Du das wohl auch alles mit hören kannst? Mein [Roland]! Geliebter! So hat mich meine Ahnung nicht betrogen, Du fährst, rollst nach Südosten. Du!! O Du!!! Heute früh bekam ich ihn, Deinen so lieben Boten. Du!! Ich bin Dir so von Herzen dankbar, daß Du immer so lieb und treu meiner denkst! Daß Du keine Gelegenheit vorüber gehen läßt, um mir ein Zeichen zu geben. Und ich bin so froh! Alles, was du bisher abgabst auf Deiner Fahrt, es gelangte in meine Hände. Und ich wünsche mir nur, daß auch Du alle meine Briefe bekommst, die ich Dir täglich schrieb.

Mein Geliebter! Ich weiß, daß Du immer an mich denken wirst. Und ich bin ganz geduldig und ganz tapfer, wenn jetzt in der kommenden Zeit Dein Bote ausbleibt. Ich weiß, es gibt nicht immer die Gelegenheit, daß [sic] Geschriebene der Post zu übergeben. Es ist so schwer und noch dazu in der Fremde – auf Fahrt.

Du! Da steigt vor meinem geistigen Auge ein Bild auf, es ist gar kein außergewöhnliches, aber bei mir denke ich: vielleicht trifft mein [Roland] auch einmal einen Menschen, der hilfreich ist und die Lage eines Soldaten erkennt.

Der Tag Deiner Rückkehr aus dem Urlaub, auf dem Bahnsteig in Leipzig, da nahm ich auch einen Brief zum Weiterbefördern aus eines Soldaten Hand. Ich hab es schon damals in mir erkannt, daß ich dem Soldaten eine Sorge abnahm; ich sah, wie dankbar seine Augen aufleuchteten. Und Du sagtest mir, daß es eigentlich unerlaubt ist. Ach Herzlieb!! Wenn irgend ein Weg sich uns zeigt, wir betreten ihn – ich weiß es ja.

Ich weiß auch: Ein Soldat muß seine Pflicht erfüllen – muß getreu dem Befehle handeln.

Ich kann ausharren, Du!! kann warten!! Du weißt es! Du!! Herzlieb!! Deine Ehre und Deine Pflichterfüllung muß [D]ir über alles stehen! Setze sie nie leichtfertig aufs‘ Spiel, um mir einen Liebesdienst zu erweisen!

Geliebter! Du bist gewiß: meine große Liebe zu Dir, sie überdauert alle Trennung, alle Zeit, sie bleibt Dir! Sie gehört Dir bis an mein Lebensende. Du!!!

Es wäre mir furchtbar, zu wissen, daß Du um meinetwillen irgend eine Strafe auszuhalten hättest.

Am Donnertag, den 13. hast Du den Brief an mich begonnen. Ach, mein liebster [Roland]! Ich kann Deine Gedanken erraten, die Dich bewegten, als Du wieder wie vor 4 Wochen, meiner Nähe zu fuhrst. In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag brach Eure Fahrt an. Du! In der gleichen Nacht war ich bis fast 1 Uhr auf den Beinen, um Siegfried zu empfangen. Und ich war in Gedanken immer auch bei Dir, Herzlieb! So fest! In solch mondheller Nacht seid Ihr weg. Alarm gab es bei Euch, so lange dazu. In Kamenz war auch Alarm, hier bei uns war alles ruhig. Gottlob seid Ihr nicht in unmittelbare Gefahr gekommen. Mich wundert, daß man den Zug während Alarm war, besetzen und auslaufen ließ. Eine lange Wagenreihe ist es, in der auch mein Mannerli mit untergebracht ist. Du! Nun wirst Du aber für eine Zeitlang genug haben, mit dem Eisenbahnfahren! Wenn Du auch noch so gerne fährst – 8 - 10 Tage in dieser engen Umgebung sind Dir dann gewiß über. Gebe Gott, daß Euch kein Unglück zustößt.

Herzlieb!! Ich bete immer für Dich und Deine Gesundheit und für unser Glück. Du!!!

Der Bote, den Du in Stendal in den Kasten geschmuggelt hast, ist bei mir, ich schrieb Dir wohl schon davon, ja?

Herzallerliebster!! Du!! Ich will ganz tapfer sein und immer auch denken, daß Dir's ebenso geht, wenn ich jetzt lange Zeit nichts von Dir höre. Du!! Ich will mich nicht unnütz sorgen und ängsten um Dich! Ich will zuversichtlich mit Dir ausharren, mein Lieb! Ich weiß, der Herrgott ist mit Dir, er wird Dich mir behüten und beschützen auf allen Wegen. Er wird auch mir die Kraft und die Geduld schenken, unser Los zu tragen. Du!! Ich bin so zuversichtlich, gewiß, daß der Frieden und der Sieg uns gehört. Mein [Roland]! Gott wird alles zum Besten wenden, auch unser beider Geschick! Wir wollen nur weiter fest ihm vertrauen und an ihn und seine Güte glauben.

Du bist nicht ganz allein, Du hast ein paar liebe Kameraden aus der Heimat um Dich, im fremden Land. Das kann mich ein wenig beruhigen.

Ich bin auch nicht einsam.

Nur das Liebste, Geheimste, Süßeste, das müssen Du und ich allein tragen. Es ist für keinen Menschen außer Dir und mir bestimmt. Und da gibt es auch einen Weg, einmal uns das Herz zu erleichtern, unser lieber, treuer, verschwiegener Bote, er trägt unsere Sehnsucht und Liebe von Hand zu Hand. Er bleibt unser Vertrauter! Der dritte im Bunde! Ach, Geliebter!! Nur nicht verzweifeln!!

Wir sind so jung noch! Und wir haben das ganze, schöne Leben noch vor uns liegen! Du!! Was brächte uns ein Zusammenleben jetzt, mitten im Kriege? Vollkommenes Glück auch nicht. Aber dann, wenn die Zukunft frei vor uns liegt, dann soll und wird es eine Lust sein zu leben, mit Dir!! Mit Dir!! Du!!!!! Herzlieb! Solange das drohende Kriegsgewitter über uns steht, da könnten wir uns nicht ohne Angst und Sorge um Deine Zukunft unsres Lebens freuen – es muß doch ein jeder Mann fort, in Deinem Alter. Ich sehe das alles als eine so unabänderliche Sache vor mir[,] und es gibt auch in mir kein Aufbegehren mehr gegen dieses Los, das so viele neben mir tragen müssen. Fast täglich müssen zur Zeit Männer jeden Jahrganges eintreffen – bis 55 Jahren! Liebster! Du!! Sorge Dich nicht um mich! Ich weiß unser Geschick recht zu tragen. Und alle die Lieben, die Eltern, Geschwister, sie helfen uns mit. Sie sind uns so fest verbunden!

Und Du wirst es sicher im fremden Lande ganz deutlich spüren, wie Ihr Kameraden untereinander seid, wie eine große, Euch vertraute Familie. Gerade in der Fremde wirst du den Segen solch einer guten Kameradschaft spüren, froh und mit einem vertrauten Heimatgefühl. Mein [Roland]! Sei stark und tapfer! Sei getrost! Ich bleibe Dir mit meiner ganzen, großen, tiefen Liebe! Ich bleibe Dein!! Immer nur Dein!!! Du!!! Ich hüte Dir die Heimat! Unsere Heimat! Den heiligen Hort unsrer innigen Liebe! Du!! Wenn Du wiederkommst, dann ist alles wie einst, wie es immer war. Und nur ein großes, übermächtig großes Glücksgefühl wird uns beseelen, daß Du nun ganz heimkommen konntest! Geliebter! Ich will immer an diesen Augenblick des höchsten Glückes denken, will mir das Herz doch einmal schwer werden.

Der Freitag führte Dich noch einmal an all den uns so lieb und vertraut gewordenen Plätzen vorbei. Ich lese es mit Freude und ein bissel Wehmut zugleich. Du!! Coswig, die Friedensburg, Dresden, Bad Schandau! Schmilka! Tetschen-Bodenbach! Geliebter! Es ist so! Noch einmal sollte Dir alle Zuversicht wachgerufen werden, solltest noch einmal an alle Stationen unsres Glückes erinnert werden, solltest das Herz Dir stärken! Geliebter!! Du!!!

Du!! Wenn ich geahnt hätte, gewußt hätte, daß Du so nahe unserer Heimat die Strecke passierst, ich hätte mich doch gleich aufgemacht, wäre Dir entgegen gefahren, um Dich noch einmal zu sehen – um Dir Abschied zu winken!

Aber so wie es kam ist es besser. Ich habe Dich auch noch so in lieber Erinnerung! Herzlieb!!! Oh, Du!!!

Es ist nun 4 Uhr nachmittags. Wo wird mein Herzlieb weilen? Heute legten wir wieder den Atlas nicht aus den Händen. Die Eltern nehmen so lieb Anteil an Deinem Geschick! Du!! Und Vater tröstet uns, wenn wir uns in unsrer mütterlichen Sorge, die uns Frauen nun einmal eigen ist, gar zu weit versteigen – er bringt uns dann wieder auf die rechte Bahn. Du!! Wie gut! Wie fein! Daß Du Deinen Atlas bei mir hast! Ich würde mir sonst gleich einen kaufen.

Dein Bote, der heute früh ankam, ist am 14.III. – 1600 [Uhr] abgestempelt. Und der Poststempel ist zwar verwischt, ich konnte ihn trotzdem entziffern: Deutsche Dienstpost – Böhmen Mähren Pardubitz. Auf der Karte fand ich es auch! Und nun führen viele Bahnen nach Deinem vermutlichen Bestimmungsort, ich bin gespannt. Durch welches Land Du fahren wirst, bis Du ans Ziel kommst.

Ach Herzlieb! Ganz fein still warten! Du!! Du!!!

Geliebter!! Fühlst auch Du, wie ich Dein denke voll Liebe? Meine Gedanken haben alle nur eine Richtung, ein Ziel! Ach mein [Roland]!! Ist es nicht wunderbar, wie viel Kraft uns unsere schöne, große Liebe schenkt! Du!! Du!!! Wenn uns solche Liebe nicht verbände, müßten wir einander nicht verlieren auf dieser weiten Erde?

Du!! Du!! Nun halten wir aber einander soo fest! Nichts, nichts kann uns je voneinanderreißen! Du!!!!! Und über uns ist unser Herrgott! Dein und mein Beschützer! Er, unser Gott weiß, daß all unsre Wünsche und Hoffnungen, unser ganzer Lebensinhalt und Lebenssinn an diesem Tage hängen, da wir Hand in Hand in Frieden [un]ser Heim betreten dürfen. Du!! Bald wird er kommen, der Tag unsres Glückes, Gott walte es! Geliebter Du!!!!!!!!!!!!!

Die Tage vergingen, jeder brachte etwas Neues. Ich lege Dir die Todesanzeige der Tante Leni bei. Der Herrgott erlöste sie endlich von ihrem Leiden. Sie lag Tage ohne Besinnung zuletzt. Alle Schwestern waren bei ihr Elfriede in den letzten Tagen. Ich habe geschrieben, auch in Deinem Namen.

Herzallerliebster! Von den lieben Eltern tausend gute Wünsche und Grüße! Mutter schreibt Dir an Deine neue, gewisse Anschrift.

Ich will nun noch den Boten fortbringen u. einen Gang in’s Freie tun, ich sehne mich, allein zu sein mit meinen Gedanken an Dich, mein Lieb!! Gott sei mit Dir! Liebster [Roland]! Auf Wiederhören!

In unverbrüchlicher Liebe und Treue allezeit Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946