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[OBF-410314-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag den 13. März 1941.

Mein liebes teures Herz, meine liebe, liebste [Hilde]!

Genau vor 4 Wochen, es war auch ein 13., da saß ich auf der Bahn, Herzlieb, zu Dir, zur Heimat, oh Du, Geliebte!! Und heute? Fühlst Du es nicht? Es ist ½ 5 Uhr am Nachmittag, und der Zug nähert sich Dessau bei Leipzig. Ach Herzlieb, ich darf nicht weiter nachdenken und schreiben, wie mir zumute ist. Oh Du! Du!!!

Heut nacht um 3 Uhr wurden wir mitten im Fliegeralarm bei Flakfeuer auf dem Bahnhof Lübeck verladen. Unser Zug setzt sich zusammen aus etwa 12 französischen Personenwagen und etwa 20 Güterwagen. Wir sind zu 6 im Abteil, können also ganz bequem sitzen. Unser Zug fuhr bis jetzt: Lübeck – Lüneburg ÜlzenStendalMagdeburg

Zu Anfang war es eiskalt in unserem Wagen. Zum Glück habe ich zwei Decken griffbereit bei meinem Koffer. Es war eine außergewöhnlich kalte Nacht. Gegen ½ 12 Uhr sollten wir zum Bahnhof gebracht werden, als die Sirenen Fliegeralarm kündeten, nachdem wir über Hamburg ein heftiges Flakfeuer von mehreren Stunden Dauer beobachtet hatten. In Magdeburg erzählte uns ein Eisenbahner, dass auch diese Stadt 5 Stunden Alarm hatte.

Ach Herzlieb! Was soll ich Dir erzählen? In Stendal habe ich noch einen kurzen Gruß in den Kasten geschmuggelt, bin gespannt, ob du ihn erhältst. Nun wird es so kommen, daß Du vielleicht 14 Tage oder gar mehr nichts mehr von mir hörst und ich nichts von Dir. Das ist eine lange Zeit, das war noch gar nicht Du, seit wir uns kennen. Der böse, böse Krieg! Herzlieb! Sei nur recht tapfer! Mach Dir nicht zuviel Sorgen um mich. Ich habe Kameraden um mich, die alle dasselbe erleben und aushalten müssen – und das macht alles leichter. Ich schrieb dir schon: 2 aus der Schreibstube sind Sachsen, einer aus Dresden, einer aus Lohmen einer stammt aus Senftenberg bei Kamenz.  Etwa 8 – 10 Tage soll nun dieser Waggon unser Asyl sein bis zum Bestimmungsort. Du erschrickst vielleicht über die lange Fahrt. Aber solch Militärzug fährt nicht sehr schnell – der Expreßzug schafft dieselbe Reise in 1 ½ Tagen.

Herzlieb! Ich werde noch ein paar mal Zeit haben, dir von diesem Leben zu schreiben. Jetzt will ich den Halter hinlegen. Will noch einmal – Dir jetzt am nächsten – ganz lieb und fest deiner denken – und dann der lieben Mutter in Kamenz (wir fahren nämlich jetzt hinüber nach Breslau und kommen dabei durch Hohenbocka. Herzlieb! Herzlieb!! Gott sei mit uns! Er sei mit Dir!! Herzlieb!! Er schenke Dir ein starkes Herz. Er sei uns gnädig und segne unseren Bund. Er schenke uns recht bald ein frohes Wiedersehen, Du!!!!!!!!!!!!!

Ich bin in unsagbarer Liebe und unverbrüchlicher Treue

Dein [Roland]!!

 

Freitag, den 14. März 1941.

Geliebtes, treues Herz! Wir fahren, fahren, fahren. Der gestrige Tag brachte noch eine liebe, schöne Überraschung. Während ich auf dem Fahrplan suchte und rechnete, an welchem Punkte ich Dir denn am nächsten sei, hielten wir plötzlich in [unklar] und unser Zügle nahm Kurs nach Süden, also ins liebe Sachsenland. Nun war es natürlich vorbei mit dem Schlaf. Wir haben am Fenster gestanden und geguckt und im Vollmondschein entziffert, was eben zu entziffern ging. Ach Herzlieb! Als sollte ich noch einmal an alle Stationen unsres Glücks erinnert werden, (und wie anders kann ich denn denken als so, dass noch einmal alle Zuversicht aufgerufen werden sollte, die unsere Herzen stärken soll), ein Ort unsres Glücklichseins nach dem anderen stellte sich vor: Coswig, die Friedensburg, Dresden, Bad Schandau, Schmilka, Tetschen-Bodendorf. Und die Elbe führt gerade wie[der] soviel Hochwasser wie vor einem Jahre. Frau Sch. kann nicht aus dem Hause. Es schüttelt mich, wenn ich an das Wasser von vor Jahresfrist denke. Herzlieb! Du machtest Dir damals Sorgen um mich. Gott aber schützte uns und ließ uns den Tag unsres Glücks werden [sic]. Geliebte! Wieder sind Sorgen aufgezogen. Aber bald wird er kommen, der Tag unsres Glückes, da wir Hand in Hand unser neues Heim in Frieden betreten dürfen – Gott walte es!! Vielleicht liegt er gar nicht in allzu weiter Ferne, und bald, so hoffen wir, wird der erste Schimmer dieses Tages sich zeigen! Gott weiß, daß all unsre Wünsche und Hoffnungen, unser ganzer Lebensinhalt und -sinn an diesem Tage hängen.

Dein [Roland]!

Eine Gelegenheit! Schnell beim Schopfe fassen!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946