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[OBF-410312-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 12.3.1941.

Mein geliebtes Herz! Du!! Mein lieber, lieber [Roland]!

Was wirst Du denken? So fragtest Du Dich selbst in Deinem Sonntagsbriefe, Herzlieb! Und Du gibst Dir meine Antwort selbst, Du! Ja! Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als bei Dir zu sein in diesen kritischen Tagen! Ach, wir wissen es ja beide, es kann nicht sein. Jetzt nicht. Aber das soll uns den Mut nicht nehmen! Du!! Wir sind ja soo fest beieinander in unseren Gedanken! So fest! Sind es einander zum Troste, zur beruhigenden Gewißheit! Und ich bin es Dir zur Wachsamkeit, (zum) als Mittelpunkt all Deines Denkens und Sinnens und Betens. Du!! Ich bin trotz allem so sehr glücklich, mein [Roland]! daß ich Dir genau so viel sein und bedeuten kann, wie Du mir! Daß ich Dir ebenso viel Halt sein kann! Du!!! Ach, Herzlieb! Es ringt auch in Dir, ich kann es Dir nur zu gut nachfühlen, Liebster! Auch Du fragst nach dem Sinn des Neuen – es ist die Ungeduld und auch die Verzagtheit, ach, Herzlieb! Bitte nur auch Du Gott, er soll sie von Dir nehmen!

Herzlieb! Auch Dich will Schmerz erfüllen bei dem Gedanken, daß wir noch einmal so weit und so lange voneinander getrennt werden sollen. Wo wir uns doch so sehr sehnen eins zu sein und endlich ganz miteinander zu gehen. Wir wollen nicht nachlassen, unsern Herrgott zu bitten, er möge uns demütig machen in seinem Willen.

Herzallerliebster! Du mußt nun all die Tage und Stunden eigens erleben – ich erlebe sie ja nur nach, in der Ferne – und Du bist so lieb und so tapfer, Du sprichst mir soviel Trost und Mut zu. Du!! Ich bin Dir so von Herzen dankbar! Geliebter!! Dich hat das Leben schon so manches gelehrt, Du wirst nicht brechen beim ersten Ansturm. So oft schon war das Ziehen Dein Los. Doch so oft wie in diesen beiden Kriegsjahren mußtest Du noch nicht ziehen.

Es wird einmal zu Ende sein, nur glauben! fest glauben! Du bittest mich so lieb: halte aus mit mir!

Sei tapfer mit mir! Geliebter!! Was könnte ich nicht für Dich? Du weißt es, mein Herz!

Mit Dir und Dir zu Liebe kann ich alles. Ich weiß es. Es heißt ein Wort: die Zeit heilt alle Wunden.

Herzlieb, können wir es nicht zum Teil auf unser jetziges Geschick beziehen? An den ersten Stunden, wo eine solche Nachricht uns erreicht, wollen wir verzweifeln, verzagen – ach, wir sehen plötzlich keinen Weg mehr.

Aber dann, nach Tagen, wenn wir mit uns Rechenschaft übten, in unser Inneres horchten, da sieht das alles schon anders aus – der erste Sturm der Schwachheit und Verzagtheit legt sich. Wir fangen an ruhig und gefaßt den Tatsachen ins Auge zu sehn. Ein Tag und eine Nacht vermögen so manches im Denken eines Menschen zu ändern, ja auszulöschen.

Darum ist es auch so gut, nie etwas in der ersten Erregung zu tun. Wenn das Gemüt sich beruhigt hat, sieht alles anders aus.

Mein [Roland]! Die größte Gnade ist uns aber, daß wir einen Glauben haben. Ich fühlte es in diesen Stunden wieder so deutlich. Dieser Glaube allein vermag uns letzte und einzige Gewißheit zu geben – er nur hält allen irdischen Erwägungen stand.

Noch wissen wir garnichts. Gott hat tausend Wege, uns zu helfen. Wir wollen nicht verzagen, wollen nicht zweifeln, wir wollen vertrauen und fest auf ihn bauen. Er wird es fügen, daß wir uns wundern über seine Weisheit, daß wir danken für seine Güte und Gnade, wie in allem bisher, Du!

Wem auf der Welt vertraute ich Dich, mein ganzes Glück, lieber und williger an als ihn, unsern Gott?

Mein [Roland]! Du hast recht: so sehr dankbar müssen wir sein für alle Güte und Gnade, die wir empfingen bis in den heutigen Tag. Alles ging uns nach Wunsch bisher. Du weißt und kennst alle diese wichtigen und bedeutungsvollen Stationen auf unserm Wege, ich kann sie auch unmöglich hier alle aufzählen. Aber Du weißt so wie ich, wie gütig uns Gott schon war!

Es ist uns alles nach Wunsch gegangen. Das wollen wir bedenken! Recht verwöhnt sind wir von soviel Gnade.

Und nun haben wir schon wieder Wünsche. Du!! Wie könnte es denn auch anders sein, bei unsrer großen, tiefen Liebe? Du!! Es ist ja unser Herzenswunsch, daß wir nun recht bald Seit an Seite durch dieses Leben gehn dürfen, daß wir einander ganz Heimat sein dürfen – Du! Es ist ja kein vermessener Wunsch!

Du!! Wo wir nun einander so ganz erfüllen können! Ach – es ist ein ganz großer Wunsch, Herzlieb!!

Wir müssen wieder an die denken, die genau wie wir diesen sehnlichen Wunsch hegen. Dann werden wir lernen geduldig sein und warten, bis das Glück zu uns kommt. Elfriede und Hellmuth – Siegfried, die stehen uns am allernächsten, und die vielen Frauen und Mädchen, die ich kenne, die auch warten müssen, die zu der eignen Herzenssorge noch Sorgen der Mutter legen müssen.

Nein – Herzlieb! Es wäre Sünde, aufzubegehren!

Du! Ich will mit Dir fein still werden und warten – Geliebter! Vertrauend darauf, daß Gott uns nach unseren Kräften bedenken wird! Und eingedenk aller Liebe und Gnade, die wir bis auf diese Stunde erfuhren.

Du!! Mein [Roland]!! Herzlieb! Wir wissen den Himmel über uns – es ist uns eine große Gnade. Das allein kann uns Trost spenden in allen Stunden menschlicher Verzagtheit, das allein läßt uns den Frieden finden.

Herzallerliebster mein! Du, es ist wieder wie gestern, ich hole Deinen lieben Boten herauf, aus dem Kasten, Du! Sei recht lieb bedankt! Mein Herz! Vom Montag ist er und Du hast nun Deinen Drasch mit dem Neueinkleiden. Heute schluckt es mich in einem fort. Nach Deinen Zeilen bist du vielleicht schon auf der Fahrt. Mein Herzlieb! Gott sei mit Dir! Du!!

Du! Denke Dir nur: heute habe ich auch eine Überraschung für Dich!! Ein Soldat wird mich heute abend besuchen! Der Siegfried!! Hältst Du denn das für möglich? Und das schreibt mir der Lausejunge erst heute nachmittag und in 3 Stunden will er da sein! Ich bin ganz außer Fassung. Wir haben ja nun keinen Kuchen!! Das übrige ist schnell getan.

Er will sich uns nun endlich mal vorstellen, weil es eben so schön klappt. Ich freue mich natürlich darüber! Was werden bloß die Eltern sagen, die werden staunen! Vater hat Nachtdienst, da kann Siegfried schön in meinem Kämmerle schlafen – wie fein das klappt!

Sonst müßte ich ihn wohl oder übel mit in mein Bettlein nehmen?!! Was meinst? Du!!

Ach Herzlieb! Das könnt´ ich nie und nimmer und wenns´ Dein Bruder wär! Ich bin froh und auch nicht, daß mir so ein wenig Abwechslung wird, in den Tagen des bangen Wartens. Aber Du! Sei ohne Sorge! Schreiben tu ich Dir trotzdem alle Tage, wenn auch nicht so viel und so lieb (wenn Siegfried etwa einen Gruß darunter setzen will.) Und nun bin ich mit dieser plötzlichen Nachricht gleich ein bissel aus dem Konzept geraten. Es regen sich in mir die Hausfrauenpflichten! Weißt?! Da muß ich nun bis um 7 [Uhr] noch schnell hier und da Hand anlegen. Die Wege besorgen, das Bett beziehen und so fort. Du hörst morgen über den ‚festlichen Empfang‘ Du!! Wie wird mir, wenn ich Deinen Bruder empfange? Allein, ohne Dich? Ach, Du bist immer bei mir! Du!

Mein geliebtes, teures Herz! Vielleicht am Sonntag weiß ich, wo Du bist! Ich will geduldig warten! Ich befehle [sic] Dich unserm Herrgott an! Er möge Dein treuer Beschützer sein auf allen Deinen Wegen. Du!! Du! Sei ganz vorsichtig und wachsam, hilf mit irgend ein Unglück zu verhindern.

Das soll mich froh gewiß machen: Du denkst bei allem was Du tust an Dein Weib!

Du! Mein Herzlieb! Das danke ich Dir!!

Und ich vergelte Treue um Treue – Liebe um Liebe.

Ach! Du weißt es so froh wie ich! Geliebter!!

Behüt‘ Dich Gott! Ich warte treulich Dein!

In unverbrüchlicher Liebe

ewig Deine [Hilde].

Von den Eltern bestelle ich Dir tausend gute Wünsche, viel Glück und recht herzliche Grüße!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946