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[OBF-410310-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 10. März 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!!

Montag ist. Das Bild will sich klären. Heute bin ich endlich an meinen Arbeitsplatz gestellt worden. Nun weiß ich wenigstens, wohin ich gehöre. Schreiber bleibe ich natürlich. Es werden hier drei Stäbe gebildet. Von Vater magst Dir das erklären lassen. Ist nichts Böses. Heute verlautet, daß es morgen fortgeht. Wir sitzen also alle auf dem Sprunge. Alle sind gespannt. Herzlieb, es ist ruhiger in mir geworden. Was bleibt uns übrig, als den Tatsachen, Gott vertrauend, gefaßt ins Auge zu sehen? Nur bei dem Gedanken an Dich, an uns, da will mein Sinn sich trüben. Geliebte! Wie soll ich hier trösten, Dich und mich? Ungewiß ist alles. Nichts kann ich Dir versprechen, nichts verabreden. Ich möchte es doch so gerne, ich, Dein Mannerli. Muß Dich ganz in Ruhe lassen, als hätten wir gar nicht mehr über uns zu bestimmen. Und so ist es ja auch, so ist es ja schon, seit ich bei den Soldaten bin, nur, daß es jetzt doppelt spürbar wird. Herzlieb! So wie die Bäume im Walde ihres Schicksals warten – sie können nicht fliehen, können ihm nicht entrinnen – so stehen wir nun – so stehen wir ja immer im Leben, nur, daß wir es nicht spüren. Das sind die Stunden, da wir nach einem besseren Trost greifen, als Menschen ihn spenden können. Herzlieb! Und da hast Du beinahe das schwerere Teil zu tragen. Warten und warten – ich weiß Dich zu Hause, in einer Umgebung, die ich schon so gut kenne – über meine Umgebung bist Du ganz im Ungewissen, bist auf meine Nachrichten angewiesen. Aber Du weißt doch zu lesen – und ich verspreche Dir, oder vielmehr, es versteht sich ja zwischen uns von selbst, daß ich Dir recht berichte, Geliebte! Ach Du!! Wirst Du denn so lange warten können – so ungewiß lange? Wirst Du denn verschmerzen können, daß ich Dich so allein lassen muß, mich gar nicht um Dich kümmern kann? Geliebte! Geliebte!! Jeder ganz auf sich gestellt.

Sind wir denn wirklich so ganz allein? Ach nein, Herzlieb! Nein, nein! Tagtäglich werden wir unsre Boten senden – täglich einander denken in Liebe und Fürsorge – täglich einander ins Gebet schließen – wir kümmern doch umeinander auch über alle Ferne. Herzlieb! Und unsre Liebe wird uns gebieten, bei allem was wir unternehmen, einander zu denken, an unseren Bund, unser Zweisein und Einssein. Herzlieb! Ich werde ganz sehr auf der Hut sein!! Und das Ringlein am Finger soll uns daran stets gemahnen. Du! Du!! Du kennst mich, Geliebte! Du brauchst keinen Atemzug lang um meine Treue Dich zu sorgen. Herzlieb! Herzlieb!! Mein Herz wird Dir in der Fremde nur inniger schlagen – Dir, Dir!! Geliebte!! Meiner Heimat!! Du! Du!! Ich werde sie bei allem Staunen über fremde Schönheit keinen Augenblick vergessen. In meinem Herzen wohnst Du – in meinen Augen steht Dein Bild! Geliebte! Geliebte!! Dein Bild, unauslöschlich! Herzlieb! Du glaubst mir das. Wenn Dich das trösten kann, diesen Trost kann ich Dir geben. Ach Herzlieb! Ich spüre es wieder im Kreise neuer, ganz bunt zusammengewürfelter Kameraden – ich bin ganz anders. Geliebte!! Ich bin Dein!! Bin Dir allein für alle Zeit in dieser Welt. Und solch große, starke Liebe verbindet nur, daß keine noch so große Versuchung uns wankend machen kann.

Heute stecke ich nun zum letzten Male in der grauen Uniform. Heute abend noch muß ich mit etlichen Kameraden nach Kiel fahren, damit ich morgen am Vormittag mein Blauzeug empfange. Die Kameraden werden mir behilflich sein, daß ich als Nachzügler mit den Sachen allen doch klar komme. Ach, das ist ein Umsturz! Vielleicht der letzte, Herzlieb! Vielleicht die letzte Station unsres Wartens! Herzlieb! Ganz, ganz stark müssen wir sein. Du! Gott wird uns beistehen! Er wird uns nicht verlassen! Weißt Du noch den Tag, an dem wir uns wiederzusehen hoffen? Unser Hochzeitstag. Du! Ich werde ihn nicht aus dem Auge lassen. Und Du!!

Herzlieb! Es ist jetzt 8 Uhr. Es ist viel Lärm auf der Stube. Ich muß mich fertig machen mit meinem Gepäck. Alles Grauzeug muß ich ja abliefern.

Herzlieb! Morgen Dienstag erwarte ich Deine Boten! Den ersten an die neue Nummer, und Deinen Boten vom Freitag und Sonnabend an die alte Nummer. Ob mich nun wohl Dein Paket noch erreichen wird?

Nun behüte Dich Gott! Er schenke uns starke Herzen! Er schenke uns reichen Trost.

Geliebte! Ich bin Dein [Roland] immer und ewig. Ich denke Dein mit aller Kraft meines Herzens! Und ich weiß, daß Du meiner denkst mit Deiner ganzen, großen Liebe.

Bitte grüße die lieben Eltern! Unterrichte sie von dem wichtigsten [sic].

Meine liebe, liebe [Hilde]!!

Ich liebe Dich über alles und bleibe Dein [Roland]! Ganz Dein!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946