Bitte warten...

[OBF-410308-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 8. März 1941.

Herzallerliebster mein! Du mein lieber, liebster [Roland]!

Schon zeitig war ich heute früh munter und ich habe so lieb an Dich denken müssen, Du!!

Unruhig schlief ich heut nacht, es ist möglich, daß es von meinen Leibschmerzen herrührt. Ich bin bissel zu sehr umgegangen. Dafür will ich mich heute ganz sehr schonen. Es ist nach 3 Uhr am Nachmittag. Du mein Lieb, wirst noch an der Arbeit sein. Ach nein! Heute ist ja Filmtag! Du schriebst mir ja davon. Erzähle mir nur einmal, welchen von den beiden Filmen Du Dir angesehen hast! Und darnach wird mein Hubo in die Stadt gehen, da gibt‘s doch etwas zu holen, das uns beide neugierig sein läßt!! Die Bilder! Du! Ich kann aber die Zeit kaum noch erwarten, bis ich sie auch sehen darf. Hoffentlich halten sie alle Deiner strengen Musterung und Zensur stand! Du!!

Wenn mich Mutter fragt[,] wo die anderen sind, zu einem Film gehören doch 8 Stück, werde ich antworten: ,,die hat [Roland] bei sich behalten!“

Die paar besonderen Aufnahmen darf niemand sehen, außer Dir! Du gehörst doch dazu!!

Um 1 Uhr heute mittag habe ich Mutsch zum Bus gebracht, nach Mittelfrohna (hier ist noch immer kein Tanzverbot!) Vater brachte ich das Essen hin und anschließend ging ich gleich nach Limbach, um unsre Wege zu besorgen.

Heute ist man froh, wenn man drinnen sein kann. Ein ganz toller Sturm fegt durch die Straßen, der Staub und Abfälle wirbeln bis hoch herauf zu uns. Heute ist Kopftuchelwetter – sage ich!

Es wird wohl andres Wetter und neue Kälte geben, die Temperatur ist sehr gefallen heute. Na, meinetwegen – wir haben wieder Feuerung; wenns‘ nur bis zum Waschfest wieder schöner wäre.

Du! Beim Holzbudenmann habe ich heute Apfelsinen bekommen und [ein] paar Äpfel (für meinen Soldaten, verlangte ich „ohne“!) Du! Am Montag früh will ich Dir Dein[en] Teil schicken, heute ist der Paketschalter schon geschlossen.

Ja – Herzlieb! Nicht schimpfen. Jedes bekommt sein[en] Teil, wenn wir etwas Besonderes haben – Du! Ich brings‘ einfach nicht übers‘ Herz, etwas ohne Dich zu essen. Mußt mich schon verstehen.

Dickerle! Und nicht vergessen, Deine Wäsche abzuschicken bis zu unserem Waschfest. Mutsch trägt mir das auf.

Habe ich Dir eigentlich schon gesagt, wie sehr sich d[ie] Eltern über Deinen lieben Brief gefreut haben? Daß ich es nicht vergesse! Vielen herzlichen Dank und einstweilen viele Grüße soll ich Dir sagen! Wenn Mutsch am Sonntag nicht gar so spät heimkommt, will sie Dir noch schreiben.

Was ich heute anfange und morgen? Um 6 [Uhr] kommt Vater heim, da essen wir schön Abendbrot zusammen; dann fährt er nach Niederfrohna und ich werde noch ein Weilchen in einem unsrer schönen Bücher lesen und dann schlafen gehen. Ich habe vergangene Nacht wenig geruht, es fehlt mir! Ja, Du!!

Und morgen? Habe ich Vvormittags mit meiner Wirtschaft zu tun. Vater muß sammeln gehn! Nach dem Essen, so es das Wetter erlaubt, ein Spaziergang und meinem Herzlieb schreiben! Morgen wird ein Brief kommen, weil heute keiner kam. Du! In Kamenz wird Freude sein, Vater kommt heim und Siegfried ist da. Bin gespannt, ob wir alle 3 über 8 Tage hier bei uns begrüßen können!

Und in Barkelsby ist großes Frühlingsfest!

Da werden sich die Dorfschönen freuen! Ja? Du!

Ach weißt, gönne ihnen nur ihr Vergnügen – „jedem für sein Geld, was ihm schmeckt“, so heißt ein Wort. Es sind ja auch viele Ledige unter Euch, die wollen halt mal was andressehn [sic]. Es ist auch für die nicht schön, an Vergnügen teilzunehmen, wo Eure Batterie so weitab liegt.Und ich denke, darum setzen auch die ,Herren‘ öfter mal so ein ,Fest‘ aufs‘ Programm. Wo die Soldaten mitten in einer Stadt sind[,] gibts Feste unter sich weniger – die gehen eben hin, wo irgend was ,los‘ ist! Aber Du hast schon recht, ein Bedürfnis ist es ihnen nicht, so wie uns irgend ein Theater oder eine gute Musik zum Bedürfnis wird – wenn man lange Zeit von allem abgeschlossen lebte – sie wollen sich betäuben in gewissem Sinne.Und wenn man nicht zu oft schon erlebt hätte, wie solche Feste ausgehen, dann würde man am Ende auch kein Wort mehr darüber verlieren. Man kann auch anders gute, schöne Feste feiern – nicht aber wie jene, wie die meisten von Deinen Kameraden es tun.

Na – jeder trägt dabei die Verantwortung selbst.

Einen Gesangverein habt ihr nun auch gegründet. Du wirst froh sein, daß du dazu nicht als Leiter ausersehen bis, ja? Man würde dir sonst auch noch Deine geringe Freizeit beschneiden.

Aber anders gesehen: es hätte dir gewiß auch Freude gemacht, Dich wieder mal in Deiner alten, bekannten Passion zu üben.

Du! Ich kann Dir sehr gut nachfühlen, wie Dirs in den Händen zuckt, wenn Du so ruhig zusehen mußt, während der andre Versuche anstellt, die mehr oder weniger gelingen. Na vielleicht arbeitet er sich doch mal gut ein. Du schreibst mir doch mal über den Verlauf der Dinge, ja? Ich würde mich freuen.

An dem Tage, da wir von der Kantorei geladen waren[,] aber in Kamenz weilten, waren anwesend: (als Soldatengäste) Herr Fritz H.! Herr W., Herr W.– wir hätten nur noch gefehlt.

Weißt, heute hat die Ruth F. geheiratet, die so gut singt! Ich denke eben dran. Das Arme, sie mußte auch. In der Singstunde redet man, Luise würde Mutter. Ich habe sie noch nicht wieder getroffen.

Da war ich nun ein paarmal nicht da, schon weiß man mir eine Menge Neuigkeiten zu überbringen. Die Kantorei ist halt auch ein ‚Damenchor‘! Nichtwahr?

Deine Briefe: ich habe festgestellt, die bis vormittags 10 Uhr abgestempelt sind, erreichen mich am nächsten Tag nachmittags. Die um 11 Uhr abgestempelt sind, erreichen mich am 2. Tage früh. So war es bis jetzt. Und du, Lieber, bekommst meine Boten so schnell! das freut mich aber! Du!! Ach – wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt! Andre sind viel weiter weg von Hause.

Und mit den Herzen sind wir uns doch ganz nahe! Du! Näher gehts‘ gar nimmer. Herzlieb!

Du sagst es auch, Du!!

Eines hat im anderen glückvolle Ergänzung gefunden, unsre Herzen haben wir getauscht – Du! Nun sind unsre Wesen so fest ineinander verschlungen, wir können garnicht mehr voneinander und wir sind nur noch recht froh, von Herzen froh, Seite an Seite. Du!!

Und solange wir auf dieser Erde leben, wird eines nach dem anderen verlangen, suchen, sich sehnen – bis wir einander wiedergefunden haben.Du!! Herzlieb! Mein [Roland]! Und nun durften wir diese große, tiefe Liebe wieder wirklich erleben – durften sie krönen. Oh, mein [Roland]!! Auch Du sehntest dich so sehr darnach[,] auch Du wünschtest es Dir mit aller Kraft Deines Herzens! Und Du hast mich erlöst! Geliebter!! Geliebter!!! So heiß, so innig liebten wir uns! Du!! Du!!! Ich kann die Stunden nie mehr vergessen. Nie mehr! nun bin ich nach langem Wandern ganz, oh ganz zu Dir heimgekommen! Ich kann Dich nicht mehr von mir lassen! Nun noch viel weniger als vorher, Herzlieb! Mit all meiner Sehnsucht darf ich nun zu Dir kommen! Ich kann mich nun ganz dir ergeben! Oh, wieviel Glück! Mein Herzlieb! Ich bin so sehr glücklich in Deiner Liebe! Und daß Dir nun auch Dein Herzenswunsch erfüllt wurde, das macht mich soo froh! Du!

Ich weiß, wie sehr Du traurig wärst, hättest Du wieder von mir gehen müssen, ohne meine Seligkeit gespürt zu haben. Nun bist Du ganz gewiß, mein Herzlieb: ich bin ganz Dein! Nun können wir einander so ganz erfüllen! Du!! Nun erlebten wir auch den glücklichsten Augenblick, um den das Sinnen aller Menschen kreist – gut und böse. Wir erlebten ihn nicht im Rausch, nicht im Taumel; wir erlebten ihn ohne Schuldbewusstsein, ohne Reue – mit wachen Sinnen, im Hochgefühl unsrer Liebe, unsres Glückes, mit dem inbrünstigen Willen, einander zu beschenken und zu beglücken. Und darum sind sie uns so köstlich, diese Stunden.

Nicht genießen wollten wir, wir wollten einander ganz erfüllen, wollten unsre Liebe krönen und all das, an die letzte Krönung denkend, unser Kindlein. Du!!!Und darum blieb uns auch höchstes Glück des Erfülltseins[,] Du!! Nicht Leere, Kälte, Abneigung – nicht der fade Nachgeschmack des Genusses. Ach Herzlieb! Da wir nun den Bezirk unsrer Liebe ganz erkannten, nun ist er uns erst recht lieb und köstlich und unverlierbar! So strahlend ist nun unser Glück. Und es durchsonnt unsre Tage so warm, so beglückend wie nie zuvor. Ich bin so sehr glücklich mit Dir! Mein liebes Mannerli. Nun hüten wir es nur fester und lieber und treuer, unser großes, köstliches Glück! Du kannst ihn mir nun aufschließen mit Deinem Schlüsslein, den Garten zu aller Liebesseligkeit! Oh Du!! Oh Du!!!!!Ich bin Dein Glück! All Dein Glück! Du sagst es, Geliebter!!

Oh, wie ich mich freue, Du! Mein geliebter Sonnenstrahl! Du!! Ich kann ja nicht mehr sein ohne Dich! Ach! Du weißt es, Herzlieb! Der Herrgott erhalte Dich mir! Er behüte dich allezeit! Und er möge uns recht bald für immer zusammenführen! Du mein Herzallerliebster! Mein lieber, liebster [Roland]! Mein!! Mein!!! Und ich bin ganz Dein!!!

In inniger Liebe – in steter Treue

Deine [Hilde].

Das Gedicht sollst du auch lesen, ich fand es in einer Zeitung zu Hause bei mir.

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946