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[OBF-410307-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 7. März 1941.

Herzallerliebster Du! Mein lieber, liebster [Roland]!

Und heute ist wieder ein Freitag – so ganz anders sehe ich ihn heute, gegen vor 8 Tagen, diesen Freitag. Der Himmel ist nicht grau verhangen – er ist blau, strahlend, wie ein rechter Frühlingshimmel. Und die liebe Sonne scheint jetzt nach Mittag ganz warm, obwohl heute früh Reif lag. Und auch in mir sieht es an dem heutigen Freitag ganz anders aus. Und ich bin auch sehr froh darum, Du! Nichts mehr ist an mir von dieser Traurigkeit, von diesem Schmerz, die um mich waren vor einer Woche. Ich habe überwunden.

Ganz ruhig und froh, dankbar und glücklich bin ich, wenn ich Dein denke. Mein liebstes, bestes Mannerli, Du!! Unsre Treue, unsre Liebe, die sind es, die uns frohgemut und aufrecht durch die einsamen Tage gehen lassen. Die unendlich wohltuende Gewißheit, daß ein liebendes Herz dem andern schlägt, in unablässiger Treue. Und nicht zuletzt festigt und stärkt uns das köstliche Wissen um unseren Glauben, um die Zuflucht, von der wir beide wissen, daß sie auch uns beiden Hort und einziger, letzter Halt ist.

Ach, Herzallerliebster! Wir dürfen von Herzen froh und zuversichtlich sein, wir fühlen es beide, Du!

Und wir wollen es auch künftig immer sein.

Beim Gedanken an die Tage voller Glück und Sonne, die uns geschenkt wurden, Du!, da soll es uns ganz leicht werden, das Zuversichtlichsein.

Nicht nur wenn wir auf diese kurze Spanne des Erlebten zurückschauen, soll uns Kraft und froher Mut werden – mein, Herzlieb! Immer weiter dürfen wir zurückblicken, entlang sehen an unserem Weg – wir sehen nichts als Glück, als Güte und Gnade und Segen – alles Geschenk unsres Herrgott’s. Ach Du! Keinen Augenblick sollten wir zweifeln an unserem guten Geschick! Keinen Augenblick, wollten wir nicht un[d]ankbar sein gegen Gott.

Und wenn es doch einmal geschieht, dann wird es Gott unsrer menschlichen Schwachheit zurechnen – er wird doch wieder in Geduld und Liebe zu uns reden. Herzlieb! Du! Wir wollen einander helfen stark zu bleiben. Du! Heute kam Dein lieber Brief vom Dienstag an. Sei recht lieb bedankt dafür, mein Herzlieb!

Daß auch Du die Liebe und Wärme aus meinen Zeilen spürst, die ich Dir entgegen bringen möchte, Du! das macht mich so sehr glücklich. Du! Ich denke immer, ich fühle nur so beglückend all Deine Liebe. Ich bin so froh, daß Du mich in meinen Briefen auch recht verstehen kannst. Ach Du! Du!! Ich mein’ es ja sooo lieb und gut mit Dir! Herzlieb! Das sollst Du immer wissen, auch wenn ich mich einmal recht ungeschickt ausdrücke. Ach Du! Ich weiß, Du kannst Dein Dummerle trotzdem verstehen – auch trotzdem lieb haben. Du! Du!! Mein lieber [Roland]!

So ganz vertraut schaust Du mich, Du sagst es! Du sagst es!! Wie in den Tagen, da Du selbst noch bei mir warst. Oh Du!! Ich bin sooo froh, Geliebter! Daß Du Dich so ganz zu Hause fühlst bei mir! Ach Liebster! Das ist das größte Glück, das mir werden kann. Daß Du mir das sagst, Du!!! Du!!!

„Du bist mir Erfüllung geworden all meiner Sehnsucht." Herzlieb! Du! Mehr Glück als dies kann es in der Welt nicht geben. Und alles, alles gehört mir! Mir!! Der ganze, große, liebe, treue [Roland] gehört mir allein! Du! Wenn Du jetzt bei mir wärst, Du! Du!!!

Ich müßte Dich ganz sehr lieb haben!! Du!!!

Du!? hast Du in meinen Augen gelesen, wie glücklich ich bin? Du?!! Hast Du es auch so deutlich gesehen, wie ich es in Deinen lieben Augen sah, Dein Glück? Du!!! Du hast mich so lieb, mein [Roland]. So lieb, wie ich Dich habe, Du!

Ich glaube ganz fest, daß Du bald für immer wieder heimkommst, bald. Ach, wenn es auch noch ein Jahr dauern müßte – aber, daß Du wiederkommst Du, das weiß ich. Das fühle ich. Weil ich Dich soo ganz fest halte, Du!! Auch in meinem Herzen, Geliebter! Und Du stehst in Gottes Hand. Du sagst mir, wie auch Dein Wille, Dein ganzes Trachten darauf gerichtet ist loszukommen von dieser Fessel. Und wie du Dich in Deinem ganzen Wesen dieser Fessel gegenüber stellst, Du! Das beweist mir so deutlich Deinen starken Willen zu einem freien Leben – zu unserem Leben! Du bist nicht wie die anderen, die sich betäuben lassen und selbst betäuben. Ich weiß es froh, mein [Roland]!

Du lebst nur Dein Leben, unser Leben – wie ich auch – auch in dieser Umgebung, die die Menschen alle herabzuziehen versucht in’s Dunkel, wo keiner mehr recht seinen Weg sieht, den er zu gehen verpflichtet ist.

Ich bange auch nicht um Dich. Nicht um Äußeres – weder um Deine Seele. Dazu hängen wir viel zu fest und innig aneinander, daß Du jemals Schaden nähmest an Dir. Ich bin froh, daß Du wach bleiben wirst und immer ausschaust nach unserm Weg – bis er sich eines Tages ganz auftun wird zur Freiheit! Liebes! Zur Heimkehr!!

Wer weiß, ob dann einer unter Euch dieses Erleben noch so als kostbares Geschenk sieht und empfindet wie Du, der mit hellwachen Sinnen wartete. Ach, Du! weißt, ich freue mich so, daß Du Dir unter den Kameraden nun Deinen Platz erworben hast; Du hast damit so viel gewonnen. Und nun weiß ich auch, daß es Dir gut geht; nicht nur in/dem, was zum täglichen Leben gehört. Gut?! Ja, gut in dem Sinne, wie wir es beim Militär eben erwartet hatten. Du wirst die letzte Zeit noch überstehen, gut überstehen, Herzlieb! Und ich möchte Dir dabei helfen, wo ich nur kann. Du!!

Jetzt bin ich eben aus der Wanne gestiegen, Herzlieb! Ja – auf dem Fußbänkel hab ich gesessen – ich kann das wöchentliche Bad nicht entbehren, da muß ich halt in bösen Tagen auf einen Ausweg sinnen, damit ich nicht unmittelbar im Wasser sitze. Wirst nun lachen? Du. Das ist eine heikle Sache; weißt [Du], wenn ich mich nun so abrumple, da rutscht das Fußbänkel mal links – mal rechts[,] muß ich bei allem Eifer auch noch gut die Waage halten! Da könnt ich recht gut den Herrn Bademeister brauchen zum Halten!!

Ach Herzlieb! Badetag ist heute. Du!! Du!!! Du!!!!!

Du? Abends, wenn ich im Bettlein liege und gebetet habe, dann kann ich nicht eher einschlafen, als bis ich den Kopf nach Deiner Seite wende, also nach links – Du! Dann ist mir, als wärst Du ganz nahe bei mir – so, als ruhte ich neben Deinem Köpfchen – froh und glücklich. Du! Es ist so sonderbar, seit Du wieder von mir mußtest, kann ich nicht anders mehr einschlafen. Herzlieb! Du! Wendest Du Dein Köpfchen auch mir zu abends? Du! Tu es, Herzlieb! Ich werde Dich dann in Gedanken selig froh spüren – ganz bei mir, so nahe! Oh Du! Ich küsse Dich ganz lieb und innig, mein Sonnenstrahl. Der liebe Vater schrieb mir heute aus Döbeln eine Karte. Eine hübsche Ansicht der Stadt, wenn sie Vater heute abend angesehen hat, will ich sie Dir beilegen zum Anschauen. Am Wochenende fährt er heim. Sonst steht nichts Ausführlicheres weiter drauf, nur: „es sind noch sehr gemischte Gefühle, die mich umschleichen – an eine Wohnung sei nicht zu denken."

Ich bin der guten Hoffnung, daß sich auch das alles zum Besten wendet. Wie überall heißt es nur: Geduld haben! Hoffentlich hat sich Vater richtig in Pension gegeben, daß er nicht ein Leben ohne Ordnung führen muß neben seinem Dienst.

Du hast recht Liebes, wenn Du sagst: sind es nicht eine ganze Menge Sternlein, die jetzt an unsern Familienhimmel durcheinanderpurzeln!

Weil die Astrologen behaupten, es stünden kritische Tage bevor.

Ich sage mit Dir: möchte dieses ‚Frühlingsbrausen' gute, gesegnete Zeit ankündigen.

Und es ist wahr, gerade in Tagen, da es sich entscheiden will über uns, da spürt man Gottes Nähe wie nie zuvor – froh, gewiß, vertrauend.

Bei uns begann das Entscheiden ganz besonders deutlich im Jahre 1939. Überhaupt: diese vergangenen Jahre waren so voll von Erleben. Und auch Dir scheint es heute so unwirklich, daß wir uns einmal fremd, forschend und zögernd gegenüberstanden.

Jetzt können wir garnicht anders denken, als daß wir schon immer zusammengehören – so lieb und fest. 19 39 – 39 – 42, ich glaube, 1942 ist das Jahr für uns, da es uns wieder einmal besonders angeht.

Ach – nur nicht orakeln! Mein Wunderdoktor soll doch von seiner Heilkraft überzeugt sein! Ja? Du!!!

Nun haben wir Mutters Nachrichten aus Kamenz getauscht! Auch mal schön. Dank für das Beilegen ihrer Karte! Nun will ich aber heute einen Punkt setzen!

Mein Herzallerliebster! Bleibe so glücklich und froh mit mir! Hüte mit mir treu und wahr unser Glück! Ich liebe Dich so von ganzem Herzen! Du mein Leben! Nur Du kannst mir Erfüllung und reichstes Glück sein! Du hast mich erlöst – nun bin ich Dein für immer! Gott sei mit Dir! Er hüte unser Glück, er führe uns bald für immer zusammen! Du!! Du!! Ich bin Dein!

Und Du bist mein!

Deine [Hilde], in Liebe und Treue.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946