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[OBF-410307-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 7. März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Du sagst mir heute etwas Heimliches, etwas ganz Heimliches, Du Liebe!! Ich sage Dir zur Antwort etwas Wichtiges: Es ist nachts ½ 12 Uhr, meine Koffer sind gepackt. Ich muß fort. Hör fein zu: Heute ½ 5 [Uhr] kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachricht, daß ich abgerufen werde nach – Lübeck. Telefonisch kam der Anruf. Ich sollte auch schon heute da eintreffen. Aber mit der Bahn ist keine Möglichkeit mehr heute. [S]o muss ich morgen ½ 6 Uhr fahren, ½ 5 Uhr aufstehen.

Herzlieb! Es ist eine kritische Zeit jetzt, weißt? Vor 8 Tagen war ich um dieselbe Zeit unterwegs – vom Urlaub zurück, nun wieder eine Veränderung, nach Lübeck.

Herzlieb! Ich bin ganz ruhig und getrost. Du erinnerst Dich daran, was ich sagte: Ein inneres Frohsein erfüllt mich bei solchen entscheidenden Wendungen; Gottes Hand fühle ich dann ganz nahe. Du!! Aus der Meldung geht nur hervor, daß ich einem Barackenlager Brandenbaum zugeteilt bin. Hier weiß kein Mensch, was für eine Truppe dort liegt. Wir haben hier 2 Lübecker, die können nur sagen, daß dieses Lager dicht bei Lübeck liegt, mit dem Autobus zu erreichen. Morgen, so hoffe ich, kann ich Dir meine neue Anschrift und Feldpostnummer mitteilen.

Geliebte, Du weißt, wie ich solche Nachricht aufnehme! Keine falschen Hoffnungen, aber auch keine Befürchtungen. Lübeck ist eine schöne, alte Stadt, von feindlichen Fliegern bisher wenig heimgesucht – aber was nützte das alles, wenn ich es dienstlich schlecht träfe? Herzlieb! Solch Abwägen, solch Rechnen hat wenig Sinn. Ich gehe guten Mutes dorthin, weil ich glaube und weiß, daß Gott es fügt, daß es zu meinem, nein unserem Besten sein wird! Du, Herzlieb! Und wenn es mir äußerlich schlechter ginge – die Möglichkeit, Dir die Hand zu reichen, Dir mein Herz auszuschütten, Dir ganz nahe zu sein, die bleibt, die bleibt!! Geliebte!! Du bist mein!! Hier und dort!!! Du!!! Du!!!!! Meine liebe, liebste [Hilde]!!!!! Du bist die erste, die davon erfährt. Du bist mein liebes Weib! Mir am nächsten auf dieser Erde! Zu Dir, Dir zuerst alles mitzuteilen drängt es mein Herz! Geliebte!!! Meine Heimat! Mein Lebensgefährte! Du!!! Ich bin ganz glücklich, wenn ich nur Dich habe. Das war nun ein eiliges Packen. Mitten in der Arbeit aufgehört. Ein Huckepack, der mit mir reist! Und nun mußte ich ja auch Abschied nehmen, und Du weißt ja, das geht bei Soldatens nicht so ohne. Na, Dein [Roland] hat sich gedrückt, so gut er konnte – er ist noch so beisammen, daß er dieses Brieflein schreiben kann. Herzlieb! Ich schrieb es erst jüngst: ich hatte es gut hier, in jeder Weise. Der Abschied war nicht überschwänglich, aber er war herzlich, und aus manchem Gesicht leuchtete doch ein Funke des Verstehens. Alle haben mich geachtet, das weiß ich.

Meine liebe, liebe [Hilde]! Nun wünsche ich nur, daß Du diese Nachricht so ruhig und gefaßt und getrost aufnimmst, wie ich sie aufgenommen habe. Und nun keine wilden Kombinationen, sondern fein abwarten, was ich wiederschreibe. Um unsre Post brauchen wir keine Sorge zu tragen, die schicken die Kameraden pünktlich nach, auch die Fotos, die ich morgen bekommen sollte.

Behüt Dich Gott! Geliebte! Er erhalte Dich froh und gesund. Er mache Dir die Schmerzen leicht und lasse Dich bald genesen, Du! Du!!! In dieser Stunde fühle ich froh und glücklich, daß ich eine Heimat habe, daß ich Dich habe, Herzlieb!!! Du!!!!!

Mein Herz schlägt Dir in Liebe und Treue immerdar!!! Ich bin Dein! Ganz Dein [Roland]!! Du!! Geliebte! Ich freue mich so sehr mit Dir, wie es sich wieder so gnädig fügte, Du!! Ich liebe Dich von ganzem Herzen! Gott sei mit Dir! Er sei uns gnädig! Er segne unseren Bund!

Du! Meine liebe [Hilde]!!!!!

Bitte grüße die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946