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[OBF-410306-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 6. März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!!

Schon wieder 8 Tage verstrichen – wieder 8 Tage der schönen Jahreszeit näher. Du! Heute spürt man sie ganz deutlich in der Luft. Du! Wenn ich für immer bei Dir sein kann, dann frage ich nicht mehr nach Tages- und Jahreszeit – dann sind sie mir gewiß alle gleich lieb, oder so lieb wie Dir. Aber jetzt freue ich mich, daß wir mit dem aufsteigenden Lichte gehen – es erhellt unsre Barackenwelt – es verlängert zwar den Tag – Du! Und es führt uns dem Ende dieses Krieges näher, so hoffen wir doch! Wir brauchen jetzt nur noch morgens eine Stunde bei Licht zu arbeiten – und abends ist es hell noch ein paar Stunden in unsrer Freizeit, jetzt z. B. schreibe ich noch bei Tageslicht.

Dein lieber Bote von gestern ist schon wieder bei mir. Herzlieb! Ich danke Dir für Dein getreues Gedenken. Du! Liebste!! Weißt, was ich jetzt eben unterschlagen wollte zu schreiben? So jung und schon so treu! Ach Herzlieb! Ich denke manchmal, es könnte gar niemand so treu sein! Was heißt es denn eigentlich, treu sein? Festhalten, beständig sein, gleichen Sinnes bleiben – auch wenn es schwer wird, auch wenn Widerstände sich erheben. Überall um uns sehen wir die Welt im Wechsel begriffen. Der Wechsel scheint das natürliche [sic] zu sein. Und wenn wir nach Symbolen für die Treue suchen, dann nehmen wir alte, überdauernde Bäume, Erz und Stein, Gold, den gestirnten Himmel. Hinfällig sind auch sie – Gott allein ist ewig – wenn auch für unser kurzes Menschenleben kaum sichtbar. Wenn wir Menschen uns nicht in Zucht nehmen in kritischen Stunden, dann gerät die Treue in Gefahr. Herzlieb! Dir die Treue halten, das wird mir so leicht, weil ich Dich so sehr liebe, weil Du mir so in allem Erfüllung bist. Und ich weiß beglückt, daß auch Du so fühlst. Wir rühren beide gar nicht an die Schranken, die uns die Treue setzt, wir stehen ja ganz frei in der Mitte, wo die Liebe uns bindet und vereint, stärker als alles andere. Aber wir wissen auch, daß das Schicksal uns auf Proben stellen kann. Für viele ist schon die Trennung, die der böse Krieg bringt, eine Probe, an der sie scheitern. Die Trennung bringt Schmerz und Sehnen und Warten und Ungeduld, vielen auch Versuchung. Herzlieb! Wir tragen sie gern und leicht, eines dem anderen zu Liebe – wir tragen sie demütig als ein Geschick Gottes, von dem wir wissen, daß es einen Sinn hat und von dem unser Trauspruch noch mehr sagt! Ach, der Mensch ohne Glauben, er kann eigentlich nicht treu sein – er muss wie ein Schmetterling von Versuchung zu Versuchung gaukeln. Der Glaube doch allein gibt unserem Leben Sinn und Richtung und Kurs, er verleiht dem Menschen erst Charakter und Würde und befähigt ihn, ein ganzer Mensch zu sein. Ein ganzer Mensch sein – etwas Ganzes wollen – einander ganz gehören – einander ganz erfüllen – worum lohnte es sich sonst zu leben? Herzlieb! Unser beider Sinn steht nach diesem Ganzen – wie glücklich sind wir darum! – ein Ganzes zu werden und darzustellen, das ist die große Aufgabe, an der wir froh schaffen möchten. Geliebte! Wie froh sind wir zu wissen, daß Liebe nicht nur Laune und süße Stunde ist, sondern eine Aufgabe, eine Lebensarbeit, an der wir Seite an Seite schaffen dürfen! Du!! Wir haben sie beide so gesehen, so ernst und bedeutsam und entscheidend. Wir können jetzt schon absehen, daß diese Aufgabe unser ganzes Leben in seiner Länge und Tiefe beanspruchen wird, wir brauchen keine Leere zu fürchten. Wir dürfen aber auf Gottes reichen Segen und inneren Reichtum bauen, wenn wir diese Aufgabe getreulich erfüllen.

Herzlieb! Es ist heute sehr unruhig in der Stube. 13 Mann sind heute zu Gefreiten befördert worden – und nun wird gefeiert, kannst dir´s schon denken. Aus der Schreibstube sind bin ich vorhin geflohen, es war mir zu kalt da. Um 7 Uhr übten wir wieder im Gesangverein. Heute kam auch ganz ein besonderer Auftrag. Ende Januar mußten von der Kompanie alle musizierenden Soldaten gemeldet werden. Ich meldete mich als Klavierspieler. Heute nun war ich zur Probe des ‚Orchesters' im Kösterheim geladen. Dazu fahren von uns schon immer zwei Kameraden (Geiger). Ich war darüber gar nicht erbaut. Aber es gab dagegen keinen Einspruch. Wir wurden im Personenwagen hin- und zurückgefahren. Der Kamerad aus Liebstadt fuhr uns. Ich mußte das Harmonium bearbeiten. Die Proben sollen wöchentlich sein. Wenn nächste Woche Maat Z. auf Urlaub weilt, wird mich der Hauptfeldwebel nicht weglassen. Das ist mir recht. Aber das ist alles halb so wild.

Heute war der Kinomann bei uns mit 2 Vorstellungen. Ich sah mir einen Film an: Feind hört mit!, ein Spionagefilm. Recht, daß Du Dir den Bismar[c]kfilm ansahst.

Meine liebe, liebste [Hilde]! Ich will nun zu Bett gehen. Es ist mir so wie Dir ergangen: Mein Schlafbedürfnis war gar nicht sehr groß und schnell befriedigt. Ich schlafe wieder ziemlich wenig und unruhig. Ich muß mich wohl erst wieder hergewöhnen. Das Eigenlob vom pünktlichen Hereinlassen? Kann gar nicht übertrieben sein. 1 wie in allem, Du!!

Behüte Dich Gott! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Um mich lärmt und trinkt es, etliche trinken sinnlos – sie freuen sich auf ihre Art. Aber dieses Freuen ist launisch und unbeständig. Dein Hubo hält sich an eine bessere, beständigere Freude! Herzlieb, Du!! Geliebte mein! Du meine ganze Freude, mein Glück, mein Leben und Sonnenschein! Ich liebe Dich von ganzem Herzen, ich bleibe in unerschütterlicher Treue Dein [Roland]!! Und Du bist mein! Du!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946