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[OBF-410305-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 5. März 1941.

Mein geliebter [Roland]! Herzallerliebster! Du!!

Ich sitze am Tisch und denke Dein, Herzlieb!

Es ist 3 Uhr vorbei. Draußen stürmt es noch immer und Wolkenfetzen jagen am Himmel lang. Die Flieger sind zu Gange, das ist Wetter für sie. Und der Tommy hat sich auch schon bis Leipzig gewagt (davon erfährt aber die Öffentlichkeit nichts), im Kreis Chemnitz wurde kein Alarm gegeben. Die Scheinwerfertätigkeit kann man von uns aus jeden Abend beobachten. Vater sah in der Nacht vom vergangenen Sonnabend zum Sonntag sogar viele der englischen Leuchtbomben fallen, in der Leipziger Gegend. Ernstliches scheint aber noch nicht geschehen zu sein, die Zeitungen schweigen sich aus. Hörst Du die täglichen Berichte über den Einmarsch deutscher Truppen in Bulgarien?

Heute vor 3 Wochen reistest Du ab, auf Urlaub, mein Dickerle. Wie doch die Zeit vergeht! Möge sie und nur auch in den kommenden Tagen so rasch vergehen. Am Freitag muß nun auch der liebe Hellmuth wieder fort; wer weiß wohin es ihn dann verschlägt. Und nun läßt er auch noch seine Elfriede mit dieser schweren Sorge zurück. Ach, mein Lieb! Ist es nicht Sünde, wenn wir klagen wollten? Und auflehnen gegen unser Geschick? O nein – dankbar und ganz stille wollen wir uns dem Willen Gottes fügen.

In wieviel schwereren Händen liegt eines manchen Geschick. Am Sonnabend, als Deine Lieben sich mit den jungen Leuten in Bischofswerda in der Wohnung Hellmuths´ zusammenfanden, da wurde die arme Elfriede wieder heimgerufen nach Dehsa – so schreibt mir Mutter.

Es ist eine richtige Not mit der kranken Mutter – keiner kann hier mehr helfen – nur trösten, lindern. Wenn sie doch erst erlöst wäre.

Heute hat der Kleine Geburtstag. Er wird sicher recht froh sein, daß er ihn zu Hause feiern darf. Ich habe gestern gleich noch einen Geburtstagsgruß geschrieben, nach Kamenz. Auch in Deinem Namen mit; weil Dein Brief ja ebenfalls nach Westen segelt. Zurecht kommt er allerdings heute nun nicht mehr; na, ich hab mich schon entschuldigt darin.

Auch der Mutter schrieb ich noch einen Brief.

Du! Sie meint, an diese letzten 8 Tage werde sie denken!

Kommen und Gehen, Fortfahren und Einpacken. Die Arme! Und Peter R. habe sie schon 2 mal besucht, das schrieb sie mir am Montag. Und am Sonnabend ist der Strick erst fort. Er bleibt sicher Mutters Schatten. Vater hat es ihr, ehe er abfuhr nochmal scharf gemacht, sie solle ihn nicht mehr herlassen, sonst gewöhnt er sich schwer ein.

Der kleine Kerl tut mir leid. Der hat woanders bestimmt Heimweh. Könnte ihn doch die Mutter wieder heimholen nach Hamburg. Sie will vielleicht auch gerne noch das Ärgste vorüber lassen, womit diesen Sommer zu rechnen ist, oder schon im Frühjahr – ehe sie ihre Kinder zurück holt.

In 14 Tagen will Vater etwas von seinem Urlaub nehmen. Da kommen die Eltern mit zu uns! Ich freue mich. Und Mutter hat gestern den Siegfried mit dazu eingeladen, weil er gerade da ist. Die Eltern möchten ihn recht gerne einmal kennen lernen. Ich bin neugierig, ob er mitkommen wird. Oder ob ihm 'Bischofswerda' vorgeht. Wie schade, daß er nicht bissel eher heimkam, da hättest Du ihn nun auch wieder mal sehen können. So muß nun halt das Wiedersehen wahrhaftig bis zur Friedensfeier vertragt werden, Du!

Denk nur! Siegfried hat 1 ½ Std. gepocht, als er kam und niemand hats' gehört! Dann ist er noch von hinten herein über 3 Räume! Und dann habens' die Eltern gehört. Ich mußte dabei an Dich denken, Herzlieb! Du!! Wenn ich Dich nun hätte auch so herzlos, so lange unten stehen lassen! Siegfried hat 'ne  geschwollene Backe, schreibt Mutter! Sicher vom langen Draußenstehn.

Na siehste! Welch munteres, aufmerksames Frauchen du hast!!! Die springt für Dich und wenns' mitten in der Nacht ist! Du! Du!!! Riechst Du was? Es ist nicht bloß Eigenlob!

Ich hab eben die Ofentür geöffnet! Der Kuchen ist braun. Ja! Kuchen für mein Herzlieb habe ich vorhin gebacken. Muß Dir doch bald wieder mal etwas Süßes schicken, nach so viel Tagen voller Süßigkeit!! Damit Dirs' Eingewöhnen draußen nicht gar so schwer fällt! Du!! Ein paar ganz liebe, süße Küssel sind mit hineingebacken, die sind hineingefallen beim Teig kosten! Glaubst Dus'! Dann, wenn ich ihn aus der Form hebe, um ihn zu messen, muß mir Onkel U. gleich einen Karton bauen. Und morgen früh geht er auf die Reise. Heut ist er noch zu frisch.

Mein liebes, gutes Mannerli! Eben kam Dein lieber Brief vom Montag. Du! Einen ganz lieben, langen Kuß zum Dank! Du hast mir recht große Freude bereitet mit Deinen lieben Zeilen, mein Herzlieb! Meine ersten Zeichen sind nun in Deiner Hand, darüber bin ich froh. Siehst nun, wie lieb und treu ich Dir beide Hände, ach, mich selbst ganz Dir hinstrecke und bringe. Mein geliebtes Herz! Du!! Bist froh mit mir, daß wir beide um den guten Trost wissen. Und was Du mir in Deinem lieben Briefe vom Glauben sagst, Herzlieb, ich kann es ganz verstehen und ich habe es ja so oft schon an mir selbst erfahren, wie eigen und wie wundersam es damit ist. Das Wundersamste und Wunderbarste ist aber doch, daß dieser Glaube uns emporhebt aus allem irdischen Zweifel, aus aller irdischen Wirrnis, und daß dieser Glaube uns trägt, uns über uns selbst hinausheben kann. So stark sind wir im Glauben. Und mag kommen, was auch kommen will: Du und ich wir halten ganz fest an ihm. Wir beide haben gefühlt in unserm Leben, welch kostbares Gut unser Glaube ist – wir lassen ihn nicht, wie wir nicht von unsrer Liebe lassen. Du! Du! Ich weiß es! Und darum kann ich so ganz getrost und zuversichtlich sein, auch im Blick auf das Künftige. Ich bin ganz still und getrost, Du! Wie können wir beide dann anders glauben, als daß Gott uns zusammenführen will zu gemeinsamer Lebensfahrt, wie könnten wir anders glauben, nachdem alles so wunderbar sich fügte, nachdem wir soviel Güte und Gnade erfuhren? Herzlieb! Ich glaube, daß sich der Herrgott unsrer annimmt! In Glück – in Not! Wir sind seine Kinder. Und voll tiefer Dankbarkeit wollen wir ihm seine Güte mit unsrer ganzen Verehrung u. Treue danken. Du! Ich bin ganz eins mit Dir, Herzlieb! Gott behüte Dich mir! Mein Leben! Bleibe froh und gesund! Und sei heute in Liebe und Treue innig

gegrüßt und geküßt von Deiner [Hilde]. Du!!!!!!!!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946