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[OBF-410304-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 4. März 1941.

Herzallerliebster! Mein lieber, liebster [Roland]!

Sonnenschein und beglückendes Geborgensein zogen heute in mir ein mit Deinem so lieben Boten vom Sonntag. Du! Ich danke Dir! Herzlieb! So froh machst Du mich!

Ja, vorwärtsschauen [sic], mein [Roland]! Vorwärtsschreiten in die Zukunft, die zwar schleierhaft, ungewiß vor uns liegt, aber von der wir hoffen und fest glauben, daß sie uns für immer zusammenführt. Und so ist es, wie Du sagst mein Lieb, jeder neue Tag, wenn er uns auch entfernt von den glücklichen Stunden, wir sollten ihn früh begrüßen.

So jung und tatenfroh sind wir beide, daß die Hoffnung und Zuversicht in das Künftige den Schmerz über das Zurückgebliebene überstimmt. Vier Tage sind gegangen, die uns entfernen von unseren glücklichen Stunden – jeder Tag aber, der heraufzieht, will’s Gott, führt uns näher dem größeren Glücke unserer gemeinsamen Lebensfahrt.

Du! Nicht wilder Schmerz blieb in uns zurück bei unsrer Trennung – nur tiefe Traurigkeit zog ein in unser Herz und nur, weil wir einander so lieb und wert sind; weil wir einander brauchen; weil erst dann das Leben einen Sinn erhält, wenn wir uns nahe sind – nicht nur in den glücklichsten Stunden. Nein – immer, immer möchten wir die beglückende Nähe des anderen spüren. Es geht wie ein unsichtbarer Strom von einem zum andern, der allen Lebensmut und -Willen [sic] doppelt stark entfacht. Und nicht nur Mut und Schaffensdrang läßt unser Nahsein aufleben, auch frohes, beseligendes Ruhen schenkt es uns – stilles Beieinandersein, glückliches Sichdaheimfühlen – ach Herzlieb, alle Tage, sie sind ganz erfüllt von unserer Liebe zueinander und dem gemeinsamen Wollen. Wir haben das alles wieder so deutlich gespürt in den Tagen unsres Beisammenseins. Wir sind ganz eins. Ein Ganzes möchten wir ja auch so gerne darstellen, ein Eigenes, in dieser Welt. Wie unsre lieben Eltern es tun. Und bei Euch daheim, da erwachte auch in mir der Wunsch und der Wille dazu ganz besonders fühlbar. Ach, auch ich spürte sie so froh, die Bande, die uns nun mit all unsern Lieben verbinden und gerade jetzt, in Zeiten innerer Not und Zerrissenheit in den Familien tut das ganz besonders wohl. Ich war wie Du ganz erfüllt von dem Erleben der letzten Tage. Herzlieb! Jeder Tag, der mich erweckte und Dich an meiner Seite fühlen und wissen ließ, Du! Er war mir ein Geschenk, ein ganz kostbares, Du! Und ich nahm alle die Tage und Stunden in Deiner Nähe ganz wachen Sinnes und weiten Herzens in mich auf – ach, Geliebter! Du ahnst es vielleicht kau[m]! Und so wird es auch immer im Leben bleiben – jeder Tag an Deiner Seite, er ist mir ein Gottesgeschenk! Du! Du!!! Du weißt, wie ich Dich liebe! Mein Leben!

In den Augen unsrer Lieben spiegelte sich unser Bund als eine feste Gewißheit, als ein Glück. Herzlieb, so froh und beglückt spürte ich das und spürte ich auch, wie fest und lieb und treu Deine Hand in der meinen lag. Und nimmer mehr lassen wir einander los – es gibt auch keine Scheu oder Scham mehr vor anderen, wenn vor ihren Augen unser Einssein kund wird. Ganz gefestigt in uns sind wir, ganz gewiß einander, ganz erfüllt ist eines von der großen Liebe des andern. Und so muß es auch sein, mein Herz, wollen wir selbst ein Ganzes, Eigenes werden. Letztes Vertrautsein, inniges Verstehen, bedingungsloser Glaube und höchste Achtung, diese Dinge, sie legen den festen, sicheren Grund zu einer guten Ehegemeinschaft und zu einem rechten Familienleben. Mein [Roland]! Ist es Dir nicht auch wie mir ergangen? Der Schmerz um unser Alleinsein wäre viel größer jetzt, wenn uns nicht die frohe, beglückende Gewißheit geworden wäre, was wir beide in uns tragen; was eines beim andern zurückließ. Wir müßten so vielleicht bangen umeinander; müßten uns sorgen um unser Verstehen, um die Beständigkeit des andern. Aber wie ist es in Wirklichkeit? Mein Herzlieb! Du!!!

Höchste Seligkeit, innigstes Einssein, es fand Erfüllung! Du! Was uns diese Tage schenkten, Du! Das vermag kein andres, noch so schönes Erleben zu verlöschen. Das, was uns nun auf's Neue fest, unlösbar aneinander bindet, bleibt ewig in uns. Eine wohltuende Ruhe, ein Frieden, Ausgeglichenheit ist in uns eingezogen, nachdem der Trennungsschmerz verwunden. Du sagst es auch von Dir, Geliebter! Ach, mein Herzlieb! Daß Du Ruhe fandest bei mir, eine richtige, innere Ruhe! Du! Ich will es als Zeichen nehmen, daß ich Dir wirklich Heimat bin, mein Lieb! Daß Du bei mir Dein Sehnen stillen kannst und so Ruhe findest! Du! Ich bin so glücklich darum! Und ein Erleben war es, mein Geliebter, daß uns unser Glück in seiner ganzen Größe und Vollkommenheit erleben ließ: Wir sind nun wirklich und ganz Mann und Weib! Du!!!!! Du! Soviel Seligkeit! Soviel echte Hingabe und Liebe liegen in diesem Bewußtsein! Wir hatten es uns beide so sehnlich gewünscht, Du! Und nun hat es sich erfüllt, Herzlieb!

Ach, Du! Du!!! Herrlicher und süßer, als ich ahnte! Du!!! Seit wir uns nun auch hier so ganz gehören Herzlieb, ist unser Glück noch strahlender geworden. Fühlst Du das auch? Nun ist nichts, garnichts mehr zwischen uns, was uns auch nur in Gedanken voneinander trennen könnte. Du und ich, wir sind einander glückhafte Erfüllung geworden.

Und nur noch fester und treuer und lieber hüte ich es nun, unser trautes Glück! Du!! Mein geliebter [Roland]!

Möge der Herrgott seine Hände über unserenm Bunde halten.

Der Sonntag war verregnet bei Euch, Lieber? Bei uns regnet es jetzt, es ist gleich 4 Uhr. Nachher will ich Strümpfe stopfen, ich habe 9 Paar gewaschen! Auf dem Wochenmarkt war ich heute früh, vergebene Müh’, es gab fast nichts – nur Obst auf Karten und Rüben, Knoblauchzwiebeln in rauhen Mengen. Meine Konserven hab ich bekommen, heute kochte ich junges Gemüse mit Rindfleisch, morgen gibts Krautwickel. Gertrud G. war gestern bei mir, sie bat um Verzeihung! Ih[r] Vater hatte ins Geschäft geschrieben am Sonnabend vormittag, daß sie ihn besuchen soll 2 Tage. Und da fand sie nicht Zeit mich zu verständigen. Du weißt ja schon, ich hatte einen schönen Sonntag, trotzdem.

Du! Eben schreibt mir Mutter! Siegfried ist am Freitag gekommen, er hat uns gerne wollen sehen! Schade. Und nun sind unsre Geburtstagsbriefe fort. 3 Wochen hat Siegfried. So ist wenigstens Mutter nicht allein. Vater sei mit 3 Koffern fort u. säße nun in Löbau schreibt Mutter! Das verstehe ich nicht! Ob sie sich verschrieben hat? Na, da will ich nur gleich noch einen Geburtstagsbrief schreiben! Nach Kamenz.

Mein herzliebes Mannerli! Du! Spürst du? Daß ich ganz froh und so ganz glücklich mit Dir bin? Ach Du!! Du!!! Du sagst mir so lieb, daß Du in mir Dein Glück gefunden hast! Daß Du mir ganz gehörst! So ganz!! Herzlieb! Du! Ich bin Dein! Ganz nur Deine! In Liebe und Treue allezeit. Du sollst wissen, daß ich nur Dir gehöre! Nur Dir! Ich warte auf Dich, immer[.]

Gott behüte Dich, mein Herzlieb!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946