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[OBF-410304-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 4. März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!!

Zwei liebe Boten erhielt ich heute! Du! Und der, aus dem mein [Hilde]lieb wieder mit 2 frohen Augen schaut, der ist ganz schnell zu mir gekommen. Ach Du! Ich dank Dir so von Herzen für all die lieben Zeilen. Und wie warm und traut wird mir, wenn ich sie lese, wieder und wieder! Du!! Und ich schaue mein Herzlieb, so vertraut, wie es mir wurde in unseren [g]lücklichen Tagen, und mir scheint, als träfen mich die Wörte [sic] wärmer und tiefer als vor unserem Wiedersehen. Geliebte! Wir sind uns so nahe gekommen in den Tagen unseres Glückes. Ich war so ganz zu Hause bei Dir! Du! Du!! Ich habe Dich so glücklich gesehen!!! Herzlieb! Du hattest es so schwer, ich weiß es, schwerer als ich, alles mußte Dich an die Stunden des Glückes erinnern. Herzlieb! Niemand, der Dich trösten könnte, Dir die Tränen stillen! Geliebte!! Meine liebe, liebe [Hilde]!! Ich mag Dich doch gar nicht allein lassen – möchte doch sooo gern [i]mmer um Dich sein – und kann nicht – muß wieder ziehen – diesmal noch – ach Geliebte! Gott wird uns bald zueinander führen, das glaube ich!

Du sollst wieder ganz froh sein. Geliebte! Du bist es schon. Und dankbar. Deinem [Roland] geht es so gut. Du! Du!! Wenn Du ihm nicht wärest und er ein bequemer Mensch wäre, er könnte sich wahrhaftig bequem fühlen und einrichten. Herzlieb! Und er ist doch in seinem Herzen unzufrieden, fühlt sich gefangen und verbannt – ist doch mit seinem Herzen ganz bei Dir und hat nur einen Gedanken: freizukommen für Dich. Jeder Rausch hier, jede Betäubung, jedes Wohlfühlen, sie scheinen mir diesen Freiheitsdrang und Freiheitssinn zu hemmen. Ich würde fürchten, eine Gelegenheit zu versäumen[,] frei zu kommen. Herzlieb, ich habe mich in diesem Sinne noch nicht einmal vergessen, seit ich hier bin – bin immer wach gewesen, habe stets unverwandt ausgeschaut nach unserem Wege – und so wird es bleiben. Nicht eher habe ich Ruhe, als bis ich bei Dir bin. Aber gut geht es Deinem Hubo. Nicht nur, daß ihm nichts fehlt zum täglichen Leben. Er hat sich wieder einen Platz gewonnen unter den Kameraden, seinen Platz, Herzlieb, und das ist etwas Wichtiges! Und leicht wird er fertig mit seiner Arbeit – und immer freier kann er sich mit seinen Gedanken bewegen. Herzlieb! Das alles muß Dich froh und ruhig und dankbar machen.

Ach Du! Wenn ich zum Fenster hinausschaue, wenn ich den Himmel sehe, wenn ich die Luft spüre, dann steigen alte Seelenlandschaften herauf, und Dein Hubo ergeht sich in ihnen – und meist sieht er sich einsam gehen – dann denkt er um so froher und glücklicher daran, daß er doch nun gar nicht mehr allein ist – dann sieht er sich meist gehen so voll Hoffnung und Sehnen und Heimweh – und denke dann daran, daß ein liebes Menschenkind sie ihm alle stillen mag.

Herzallerliebste! Von Kamenz erhielt ich eine Karte heute[.] Ich lege sie bei. Nun ist Siegfried noch nach Hause gekomm[en] auf 3 Wochen! Ein Brieflein nach Kamenz liegt schon fertig neben mir. Die Astrologen sprechen von kritischen Tagen. Sind das nicht eine ganze Menge Sternlein, die jetzt über an unserem Familienhimmel durcheinanderpurzeln? Lauter Ereignisse, zu denen wir wenig zutun könnten. Möchte dieses ‚Frühlingsbrausen´ gute, gesegnete Zeit ankündigen! Herzlieb! Ich sprach Dir schon davon: Ich möchte richtig froh werden in solchen Tagen, und vermeine dann Gottes Hand näher zu fühlen als sonst. Beinahe wie in der Schule, wenn der Lehrer in der Reihe durchfragt, und die Reihe kommt nun bald an mich. Herzlieb! Ich muß noch an die Tage denken, da sich für mich manches entschied! Der Beginn des Jahres 1939, im Januar war es, da es mich zu Entschlüssen drängte. Ach Du! Diese vergangenen Jahre waren so voll von Erleben. Zum ersten Male eigentlich in meinem Leben mußte ich selbstverantwortlich handeln, ja Herzlieb – und gleich in so entscheidenden Dingen – um Dich ging es, um unser Glück. Weißt, es kommt mir so fern und unwirklich vor, daß wir einander einmal fremd und forschend und zögernd gegenüberstanden. Ich kann mir gar nicht [sic] anders denken, als daß wir schon immer zusammengehören – so lieb und fest.

Meine liebe, liebe [Hilde]! Ich muß heute schon zum Ende kommen. Es geht auf Mitternacht. Eben war ein 5 – Minutenalarm. Schon liegen wir wieder in Ruhe. Morgen wird es wenigstens eine Seite mehr: Heute mußte ich die Kamenzer Eltern mit einem Briefchen bedenken.

Vergangene Nacht fand ich keine Ruhe. Es war wohl ein wenig Überanstrengung vom Ausmarsch oder der starke Kaffee.

Herzlieb! Ich habe Dich so lieb!

Gott behüte Dich! Er walte gnädig über unserm Glück. Herzlieb! Ich bin immer bei Dir mit meinem Herzen. Ich gehöre Dir! Gehöre Dir so ganz! Ich bin Dein, bin Dir so fest verbunden mit allen Fasern meines Wesens. Geliebte! Ich bleibe Dir treu! Ich hüte unser Glück. Oh Du! Unser Glück! Du!! Du!!! Meine liebe, liebste [Hilde]!!!

Du bist mein – ich bin Dein! Dein [Roland]!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946