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[OBF-410303-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 3. März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Die ersten Zeichen von Deiner lieben Hand erreichten mich heute! Geliebte! Das ist so lieb und gut! Nun reichen wir uns wieder die Hände ohne Unterlaß. Ich bin so froh, daß Du wieder geborgen zu Hause bist. Nun warten wir wieder, harren des ersehnten Tages, harren mit dem aufsteigenden Lichte voll Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen, hoffen, daß jeder Tag uns näherbringt unserem Glücke. Ach Herzlieb! Wir hatten es beide gleichschwer [sic] beim Abschied. Mußtest mich in die Ferne ziehen lassen, aber die Kameraden sind um mich. Du bleibst im Elternhaus, aber bist doch auch allein. Geliebte! Ich bin so froh, daß Du um den guten Trost weißt. Bin auch so froh, daß Du in der lieben Mutsch einen Menschen hast, der Dich so gut versteht und so innig teilnimmt an Deinem, an unserem Glück. Ich bin so froh mit Dir, bin voll Dankbarkeit und Zuversicht wie Du, Herzlieb. Wie können wir beide denn anders glauben, als daß Gott uns zusammenführen will, zu gemeinsamer Lebensfahrt, wie könnten wir anders glauben, nachdem alles sich so wundersam fügte, nachdem wir soviel Güte und Gnade erfuhren? Du bist mir an die Hand gegeben, daß ich Dich durch dieses Leben führen soll – ich soll bei Dir Heimat und Frieden finden – und wir beide? Herzlieb, wir können es nur froh ahnen: vielleicht, daß Gott durch uns ein neues darstellen will – vielleicht, daß unsre Wesen sich läutern sollen. Aber Du! Froh nur kann ich daran denken, daß Gott alles fügt und schickt, auch unser kleines Geschick. Froh nur! Denn bei ihm ist Gerechtigkeit, ist soviel Güte und Barmherzigkeit! Ist es wohl vermessen, wenn wir so glauben?

Ach, es ist etwas Eigenes um das Glauben! Es erscheint zu allem Irdischen so widerspruchsvoll. Einmal erscheint uns der gläubige Mensch demütig, wenn er sich fügt in den Willen Gottes, wenn er geduldig trägt, wenn er menschlichen Hochmut und Selbstgefälligkeit von sich weist. Zum andern könnte er so vermessen erscheinen, wenn er glaubt, daß Gott ihn erkennt, daß er in Gottes Plan gerechnet ist, daß Gott seine Not wenden kann. Einmal erscheint er beschränkt und bemitleidenswert, weil er nicht auf menschliche Berechnungen und Sicherungen bauen mag – ein andermal erscheint er beneidenswert und weise, weil er noch einen Weg sieht und eine Geborgenheit weiß, wo alles schon verzweifeln will.

Herzlieb! Wir beide glauben, und ringen um den rechten Glauben. Was treibt uns dazu? Wer möchte es sagen und aufzeigen?

Ist es die Einsicht in die Hinfälligkeit des Irdischen? Ist es das Gefühl der Unzulänglichkeit alles Menschlichen? Ist es, weil wir nach einem Trost verlangen für unser schwaches Herz? Ist es, weil wir Gottes Hand so deutlich über uns fühlten?

Es ist wohl all das zusammen und noch mehr, das in uns den gläubigen Kindersinn wachhält, das uns kindlich vertrauen läßt an das Gute über dieser Welt, und das uns nun zu der macht, und lichtvollen Verkündigung Christi von Gottes Gnade und Vaterliebe weist. Herzlieb! Wir müssen so dankbar sein, daß wir um diesen Weg wissen. Wir lassen uns nicht abbringen von diesem Weg durch billige und laute Reden. Wir lassen uns nichts einreden. Mögen andere glücklich werden ohne diesen Glauben – und alle, die den Frieden des Herzens ohne diesen Glauben fanden, wollen wir zuerst daran erkennen, daß sie ebenso sagen: „mögen andere glücklich werden mit diesem Glauben." Die nämlich nicht so sagen, sind nur lächerliche Propagandisten und selbstgefällige, von sich eingenommene, anmaßende Menschlein oder bezahlte Werber, die nur andere berauben, nicht aber bereichern können.

Herzlieb! Dieser Glaube hält uns an zur Ehrlichkeit des Herzens. Er hält uns in dem Vorbild unsres Meisters einen unvergleichlichen Spiegel vor. Er setzt uns ein Ziel, stellt uns Aufgaben, deren Höhe und Schwierigkeit uns vor allem Hochmut und aller Selbstzufriedenheit bewahren. Und so wie sich der Himmel beherrschend und Segen spendend über unsrer Erde wölbt, so erhöht dieser Glaube unser Menschendasein mit der Botschaft von der Gotteskindschaft und dem Walten Gottes über allem Erdenschicksal. Alles Große in dieser Welt will errungen und erkämpft sein, auch die Gewißheit des Glaubens. Wir wollen uns dabei von unseren gesunden Sinnen leiten lassen; wollen nicht zuerst Kritik üben und leichtfertig urteilen, sondern ausschauen nach den Segnungen dieses Glaubens, nach den Menschen schauen, die in ihm den Frieden des Herzens fanden – ach Herzlieb: all diese Zeichen sagen uns, daß wir auf der rechten Spur sind, daß wir in unserem Glauben das köstlichste [sic] in dieser Welt besitzen.

Meine liebe [Hilde]! Heute am Montag hatten wir einen Ausmarsch nach einer benachbarten Batterie. Etwas mißmutig betrachtete ich diese Unterbrechung unsrer geregelten Arbeit, als etwas, das den Ablauf des Tages hemmt und aufhält. Aber nun ist auch darüber Abend geworden. Die meisten liegen schon müde in der Koje. Mir hat der Marsch nichts angehabt. Es ging nicht weit, und am Ziel gab es Kuchen und Bohnenkaffee. Und zu Hause, so hoffte ich, und nicht vergeblich, wartete Dein lieber Bote. Ach Herzlieb! Ich lese aus Deinen lieben Zeilen, wie lieb Du mich hast, und wie glücklich die vergangenen Tage auch Dich gemacht haben. Ich habe ja auch keinen Augenblick daran gezweifelt.

Mein liebes, teures Herz! Nun will ich mich schlafen legen. Will froh und munter und fest durch die Tage gehen – und all das durch Gottes Güte, die uns das Glück unsrer Liebe schenkte. Sie ist mir nun in der Ferne wieder die Zuflucht und Geborgenheit.

Meine liebe, liebe [Hilde]! Habe ich es Dir recht gezeigt, daß ich Dein bin – Dein Eigen – daß ich Dir gehöre? Du!! Du!!! Möchte es Dich ganz froh machen so wie mich, den Du so reich beschenktest, den Du so auszeichnest und beglückst mit Deiner Liebe und Huld!!

Wir wollen unser Glück hüten! Herzlieb! Wir müßten uns selbst auslöschen, wenn wir es verraten wollten. Du! An das Verraten wollen wir gar nicht mehr denken, wir brauchen e[s] nicht mehr. Aber hüten müssen wir es trotzdem. Es bedeutet ja auch, daß wir die Flammen unsrer Liebe nähren und speisen. Und auf der Hut sein müssen wir immer vor mancherlei Feinden, die von außen unser Glück bedrohen könnten. Geliebte! Wir haben uns so sehr lieb gehabt – wir haben alle Seligkeit empfunden wie noch nie zuvor! Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund und führe uns recht bald zusammen. Ich liebe Dich mit aller Kraft meines Herzens und aller Dankbarkeit und Treue. Ich bleibe immerdar Dein [Roland]!!! Und Du bist meine [Hilde], mein lieber, treuer Lebensgefährte, mit dem ich noch recht lange leben und wandern möchte – ohne ihn aber gar nicht mehr!

Gott walte es nach seiner Güte und Gnade!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946