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[OBF-410209-002-01]
Briefkorpus

Samstag, am 9. Februar 1941.

Herzallerliebster!! Geliebter!! Du mein lieber, liebster [Roland]!!

Du!! Nun ist schon Sonntagnachmittag und es geht auf 3 Uhr. Der Vater schläft, ich soll ihn um 4 [Uhr] wecken, um 6 [Uhr] tritt er seinen Dienst an. Die Mutsch ist noch nicht da, bin neugierig wann sie kommt. Heute früh kam Dein lieber Bote noch nicht, aber morgen ganz gewiss, Du!! Ich freue mich schon jetzt darauf, Du!! Der liebe Vater [Nordhoff] hat uns heute geschrieben! Ich soll Dir bis Leipzig entgegenfahren, meint er! Du!! Und dahinter setzte er ein Ausrufezeichen! So ein Schelm! Er kann sich schon ausmalen, wie wir uns aufeinander freuen. Du!! Und sie laden uns herzlich ein, uns Kinder! „Alle anderen schreiben, wir sind noch wohlauf – aber der Hubo ist nicht mit unter denen!!" Er hat wohl wieder mal seiner [Hilde] geschrieben und zu viel!! Lausejunge!! Da müssen die Eltern wieder mal hinten an treten. Ach – ich kenne den Schmerz! Ich habe Elfriede auch noch nicht geschrieben auf ihren lieben Brief hin! Das tu ich – tun wir, wenn Du da bist, ja??! Am Sonnabend haben Deine lieben Eltern das Päckchen mit den gewünschten Sachen (Filzschuhe u.s.w.) abgeschickt. Bin ja neugierig, ob Du oder Deine Sachen eher da sind!! Draußen herrscht immer noch Regenwetter, in Kamenz auch. Wie wird es wohl bei Euch draußen sein?

Ich habe heute nacht unruhig geschlafen, ich mußte immer so viel niesen! Und heute habe ich nun den Schnupfen. Muß immer das Taschentuch in der Hand halten. Dann koche ich mir gleich eine Tasse Tee, damit ich mich gleich auskuriere!! Mach Dir keine Sorge! Ich werde Dir nicht krank!! Ich paß schon gut auf. Ein wenig müde bin ich und mein Kopf schmerzt mir vom Schnupfen und von der durchwachten Nacht. Erst wollte ich mich nach dem Mittagessen ein wenig hinlegen, aber es ist gerade so schön still um mich her, da will ich doch lieber D[ei]n denken, Herzlieb!!

Wenn Vater aufsteht, muß ich ihm forthelfen. Und dann wird Mutsch kommen und wird erzählen, da ist keine rechte Andacht mehr zum schreiben. Ach Du!! Du!! Herzallerliebster!! Was soll ich Dir heute noch schreiben, Du?!! Wo die Erfüllung soo nahe ist, Herzlieb!! Da scheinen mir doch alle Worte überflüssig, Du!! Ach - Geliebter!! Ich freue mich soo unsagbar auf Dich!! Wenn nur alles gut geht! Und meine große Freude nicht enttäuscht wird! Ich will nicht vergessen, Gott immer wieder zu bitten, daß er unserem Glück gnädig sein möchte. Herzlieb!! Du!

Ich sehe Dich im Geiste geschäftig auf und ab gehen, Du wirst Deine Sachen, Dein Gepäck überprüfen und alles bereit machen! Du musst ja bis zuletzt Dienst tun. Mein liebes Mannerli!! Mein liebes, liebes!! Vergiß mir nicht, alle schmutzige Wäsche mitzubringen!! Ich denke hier gleich noch einmal an Euren lieben Chef, der Euch nun verlassen hat. Und ich danke Dir für die von ihm überbrachten Grüße. Obgleich wir uns nur das eine Mal flüchtig gesprochen hatten, freute es mich doch, daß er an mich dachte, als Du ihm zum Abschied die Hand drücktest. Ich glaube, solch einen Menschen wie er ist, findet Ihr so leicht nicht wieder als Ersatz. Und dabei hat ihn doch die breite Masse garnicht können schätzen lernen – sie verstehen eben sein Wesen nicht, das in jeder Hinsicht vorbildlich war, Deinen Schilderungen nach. Es ist eigenartig, daß eine ganze Anzahl Menschen so schwer eine wahre Autorität über sich anerkennen. Es wird immer versucht zu mäkeln, man will diese Autorität mit sich gemein machen – das spürst Du nicht nur beim Militär, das ist auch überall sonst so, wo einer als Führer einer Anzahl Menschen vorsteht, ich denke da auch an die Organisation „B.d.M." Abstand wahren, das ist es, was die meisten nicht begreifen können. Du hast recht, wenn Du sagst: es liegt in dieser Haltung verborgen eine Achtung vor den Mitmenschen. Diese Achtung fordert, die Person und ihr Eigenleben und ihren Bezirk zu achten und nicht zu betreten. Es ist mir genau wie Dir ergangen in meinem Leben: Es finden sich viel mehr Menschen, die sich schnell anbiedern und rasch sind mit dem Du und die aber auch sofort argwöhnisch werden, wenn man ihnen seine eigene Geschichte nicht gleich anvertraut mit allen Kleinigkeiten.

Und Du und ich Herzlieb? Wir verstehen Fremden gegenüber auch diesen Abstand zu wahren, ja!! Du!! Und wir sind gar nicht betroffen, wenn uns andre mit der gleichen Art begegnen. Wir mögen ja garnicht in den Bezirk des andren dringen. Und vor uns selbst, ist er da auch der Abstand? Ja, er ist nur noch klein – aber er ist da – aber in der Achtung, der Eigenart und des eig[e]nen Bezirks des anderen.

Herzlieb, Achtung, Ehre und Liebe voreinander wollen wir stets bewahren, bis ins hohe Alter hinein und das wird uns nicht schwer fallen. Ja? Du!!! Ach Du!! Wenn ich allein schon an unser Wiedersehen denke, Du!! Unsre ganze Kraft, unser ganzes Sinnen, das richtet sich nun auf unser Liebhaben. Kein Zweifel mehr – auch nicht der leiseste, kein Bangen mehr um das Verständnis des anderen – kein Bangen mehr um unsere Liebe. Ganz selig und versunken dürfen wir uns nun umfangen – so selig wie noch nie zuvor! Und nur nach den Augen wollen wir uns schauen! Du!! Um daraus das Glück leuchten zu sehen – Dein Glück – unser Glück!!! Du!!!

Daß Du nun soo bald zu mir kommen willst!! Daß ich sie alle wieder mit Dir erleben soll, die Stunden innigsten Verstehens und Zusammenseins! Du!! Wie glücklich werde ich sein!! Geliebter!! Genau so glücklich wie bei Dir im hohen Norden! Ach – noch viel, viel glücklicher Herzlieb!! Du!!! Du!! Nun müssen wir nur ein paar Tage noch ganz brav sein, Herzallerliebster!!

Geliebter!! Herzallerliebster!! Du!! Deine [Hilde] wartet auf Dich!! Sie wartet auf Dich ihr ganzes Leben, sooft Du ihr fern bist. Sie wartet auf Dich mit der ganzen Sehnsucht ihres Lebens. Sie sehnt sich eins zu sein mit Dir! Und Dich erfüllt das gleiche Sehnen, Du!!! Du!! Wir beide gehören zusammen! Wir sind einander angetraut vor Gottes Angesicht! Du bist mein! Ich bin Dein! Dem gilt unser ganzes Trachten und Wollen und Sehnen!

Herzallerliebster Du!! Ich glaube fest, daß Gott es so in unsre Herzen legte! Ich glaube, daß er über unseren Wegen wacht! Ihm wollen wir uns anbefehlen in allen Stunden – ihm wollen wir befehlen alle Stunden unsres Beisammenseins. Wir wollen ihn bitten, bei uns zu bleiben auch in Stunden menschlicher Schwachheit. Er ist die einzige Gewißheit, die einzige Gerechtigkeit – Güte und Liebe in dieser Welt, der einzige Halt!

Mein herzlieber [Roland]! Nun komm! Komm zu mir!! Lasse Dich ganz fest umfangen und ganz liebhaben, Du!!! Ich will Dich nimmermehr von meiner Seite lassen, Geliebter!! Ganz froh, ganz glücklich, ganz eins wollen wir sein!!! Und daraus Kraft schöpfen, aus dieser froh beglückenden Gewißheit uns[e]rer tiefen Liebe für die kommende Zeit, die uns noch einmal trennen muß und von der wir soviel Segen, soviel Gutes erwarten für unser aller Zukunft. Gebe der Herrgott seinen Segen dazu!

Geliebter!!! Mein Herzallerliebster!! Heute reiche ich Dir zum letzten Male die Hand im Briefe! Wann wird es in Wirklichkeit geschehen? Mittwoch? Donnerstag?

Ich will ganz fein geduldig warten, Herzlieb!! Wo wir uns zuerst sehen, das weißt Du nun!!

Und das Begrüßungskussel? Du!! Wo krieg ich das? Zuhause erst? Du!! Oder auf dem Abstellbahnhof in Wittgensdorf? Nein – nein – falsch geraten!! Wir fahren ja zusammen bis nach Oberfrohna!! Und sicher sucht mein Hubo ein leeres Abteil!! Darauf versteht er sich doch besonders gut!!! Überhaupt mein zuckersüßer Lausbub!! Die Eisenbahn – die hat's uns angetan!! Ja? Du!!!!!

Nun wünsche ich Dir von Herzen eine recht glückliche Reise!! Mein [Roland]!! Gott sei mit Dir! Herzallerliebster!! Du bist uns allen von ganzem Herzen willkommen Sohnemann! Grüßen soll ich Dich herzlichst von den Eltern! Und mir bist Du doch am allerallerherzlichsten willkommen Du!! Du!!!!!

Das Bettlein wartet auf den Hubo! Auf das Dickerle! Aber die [Hilde] noch viel mehr!!! Vergiß nichts!! Du!! Auch das Schlüsslein nicht!!!!!

Geliebter!! Du!! Herzallerliebster!! Mein [Roland]!! Deine [Hilde] wartet auf Dich! Voll Sehnsucht!! Voll heißer, inniger Liebe! Ich bin ganz Dein!! Geliebter! Nur Dein!! Und Du bist mein!!!!!!!!!!!!! Komm! Oh komm! Ich liebe Dich!!! Deine [Hilde].

Du!!! Du!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946