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[OBF-410207-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 7. Februar 1941.

Herzallerliebster!! Du!! Geliebter!! Mein lieber, liebster [Roland]!!

Du!! ½ 3 zeigt die Uhr, ich bin für heute mit meiner Arbeit fertig[,] Herzlieb! Grade so, als könnte ich nun meinen Lausbub empfangen! Nein!! Halt!! Noch nicht!! Ich muß ja erst noch baden!! Du!! Das Wasser ist bloß noch nicht heiß genug! Du!! Heute darfst mein Bademeister nicht sein, Dickerle! Warum? Du!! Die liebe Sonne scheint so hell und da siehst Du doch alles an mir so ganz genau – ach, Du – und da muß ich mich schämen, ein großes bissel, Du!!! Weiß garnicht, wie es kommt Du!! Wenn ich mir das eben so vergegenwärtige, das Bild: Du und ich beim Bad – und ganz hell im Zimmer – ach, Du!! Du!! Da möcht ich doch am liebsten ganz tief unters Wasser tauchen!! Du!! Du!! Ach, Du hast ja ein richtiges schamiges Mädel zur Frau, Du!! Bist bös? Du!!? Du!!? Ach – wenn's dunkel ist, da bin ich ganz lieb und mutig!! Du!! Herzlieb!! Du weißt ja wie ich bin, und Du verstehst mich auch ganz, Du!! Du mußt nicht denken, daß ich vor Dir zurückweiche und erschrecke, ach nein! Du!! Ich hab Dich ja sooo lieb!! Aber ich bin manchmal in so einer komischen Gemütsverfassung, daß ich mich erst überwinden muß, etwas zu tun. Das ist nicht immer so. Ach Du!! Wenn ich Dich dann erst so vor mir sehe, wirklich! Du!! Da ist ja alles ganz, ganz anders, Du!! Als wenn ich mir irgendetwas vor mein geistiges Auge zaubere! Du!! Wenn Du dann wirklich vor mir stehst – dann ist meine Liebe und das Gefühl meiner grenzenlosen Hingabe so groß und mächtig!! Du!! Ach Du!! Seit ich Dich, seit wir uns so ganz lieb haben, kenne ich kein Zögern mehr Geliebter!! Ich bin Dein, Dein mit Leib und Seele! Und was ich Dir nur zuliebe tun kann – ich tue es, Du!! Von Herzen gern! Bereit mit aller Liebe, deren ich nur fähig bin!! Du weißt es Herzallerliebster!! Du! Und weil wir uns so ganz, so gut verstehen, darum ist soviel Jubel in uns – und auch beim Gedanken an unser Lieben, unser glückhaftes Einssein, Du!! Wenn wir uns gegenüberstehen, wenn Aug in Auge sich senkt, wenn unser Herzschlag sich vereint – dann beseelt uns noch nur ein Wille, ein Geist, dann sind Du und ich eins – ganz eins! Du!!! Du!! Du freust Dich auch so sehr auf unser Liebhaben, Du sagst es mir in Deinen lieben Boten! Geliebter!! Du machst mich glücklich, Du!! Du!!! Ach Herzlieb!! Du!! Wenn sie nicht so groß, gar heiß in uns brennen würde, unsre Liebe und Sehnsucht nacheinander, Du!! Dan[n] wäre es auch nicht große, echte Liebe, die uns verbände – nach solch langer Zeit der Trennung ist es doch das wichtigste, ist es doch das, was uns so ganz erfüllt! Daß wir uns ganz, sooo ganz liebhaben möchten!

Und das [sic] wir uns im voraus überfreuen könnten? Daß wir in Wirklichkeit enttäuscht sein könnten? Du!!! Das glaube ich nie und nimmer! Du!!

Und wenn ich schon ein Beispiel als Beweis sagen soll, Herzlieb! Dann denke doch nur einmal zurück, an die Tage voll Seligkeit und Glück, da wir beide zusammen sein konnten, draußen bei Dir im Norden! Du!! Du!! Wie sehr freuten wir uns vorher aufeinander – wie sehr sehnten wir uns nacheinander! Und wie glücklich, wie überglücklich schieden wir dann voneinander, erfüllt und beglückt von der Tiefe und Innigkeit unsrer Liebe und Zusammengehörigkeit, Du!! Du!! Nur noch enger sind wir miteinander verwachsen, und je mehr, je länger wir umeinander sind, umso tiefer lieben wir uns. Du!! Unsere Liebe kann nie mehr im Leben ein Ende nehmen! Herzallerliebster!! Wir hängen ja sooo sehr aneinander – wir brauchen einander! Du!! Auch Du empfindest das so wie ich! Herzlieb mein!!! Wie ich mich soo freue Geliebter, daß Du zu mir kommen kannst mit allem, was Dich bewegt; daß Du zu mir als einzigen [sic] Menschen ehrlich sein kannst, Dich bekennen, wie Dir um's Herze ist. Ach Herzlieb!! Dieses allein ist ja so unermeßlich viel Glück für Dein Weib!! Du!! Und dieses feste unzerreißbare Band, das uns dadurch für alle Zeit umschlingt, es ist eines der köstlichsten Zeichen unsrer nimmermüden Liebe. Du! Ich kann Dein getreues Bild Deines Wesens halten und bewahren! Du!! Ich kann so Dein Spiegel sein?! Du!! Du!! So wie Du mir mein Spiegel bist! Geliebter!! Weil Du mir das sagst, bin ich soo froh!! Du!! Dein Wunsch war es, daß ich Dein ganzes Bild in mich aufnähme – Zug um Zug, Stück um Stück bist Du in mein Herz eingezogen Du!! Und nun bist Du ganz drinnen Du!! Und Du fühlst Dich garnicht  beengt – sondern geborgen und glücklich! Ach Du!! Nun ist Deine [Hilde] so sehr beglückt, weil sie das weiß!! So selig froh bin ich! Nun bist Du ja ganz, ganz mein!!!

Erfüllung ward uns auf unserem Weg Geliebter, der mir und auch Dir manchmal so steil und beschwerlich werden wollte. Erfüllung! Reiches, köstliches Liebesglück! Du!! Du!! Wir haben damals nicht vergeblich um Kraft und Geduld gebetet. Herzlieb!!

"Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen!"

Herzlieb!! Unser Trauspruch!

Du!! Wir sehnten uns beide, den rechten Menschen zu finden, für unsre eine gemeinsame Lebensfahrt – und nun gab Gott, daß wir uns zusammenfanden! Wir sind erfüllt beide, von dem Verlangen der Weite, der Freiheit und Fülle der Gotteswelt. Wir sehnen uns, uns darüber hinauszuschwingen, über Enge und Unfreiheit, über Hader und Streit in dieser Enge menschlicher Verhältnisse. Unser Herz verlangt nach Hohem und Schönem – es will sich nicht v[e]rlieren in der Winzigkeit und Enge der Erde.

Und Du sagst es: Die rechte innere Freiheit gibt uns erst die Gottesbotschaft. Sie führt uns dazu, uns zu erkennen und zu bekennen. Und all deine lieben Gedanken hierzu, die Du in Deinem lieben Boten anrührst, sie sind mir verständlich, Herzlieb! Und ich glaube zu erkennen, daß darin der tiefste Sinn unsrer Lebensgemeinschaft liegt: daß wir einander helfen und fördern zum rechten Gottesfrieden.

Du mein [Roland]! In Gemeinschaft mit unserem Herrgott werden wir allzeit froh und dankbar ins Leben blicken – mit ihm im Bunde erfüllen wir recht den Sinn unsrer Liebe. Und ich bin so froh wie Du hierüber, daß auch in dieser wichtigen Lebensbedingung unsre Wesen in Einklang kommen. Du!!

Ach Geliebter!! Herzallerliebster!! Wenn ich doch Zeit genug hätte heute, all Deine Gedanken, die Du in Deinen Briefen aufnimmst[,] weiterzuführen! Du!! Du!! Geliebter!! Du bringst mich soo in Druck! In Unruhe!! Schon wieder kam ein lieber, lieber Brief! Vom Mittwoch, Geliebter!! Du!! Du überschüttest mich ja mit Liebe!! Ach Du!! Wie nur soll ich Dir danken? Jetzt? Heute? Ich bin so aufgeregt vor Glück und weil ich sooo Ungeduld unterdrücken muß, ich hab sooo viel Sehnsucht nach Dir!! Ach, Du!! Du!! Wenn Du doch erst bei mir wärst!!! Du!! Du!! Oh – Du!! Jetzt!! Du!! Was glaubst Du wohl, was jetzt mit mir geschah? Herzallerliebster?? Es stach mir schmerzhaft durch den Leib und – und ganz warm wurde mir – Du!! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Ich bin krank geworden!! Schon heute, Du!! Du!! Ist es ein Zeichen meiner Aufregung? Meint es das Schicksal gut mit uns? Herzlieb! Was wird es wohl nun sein? Da bin ich doch schon fast gesund, wenn Du zu mir kommst!!! Du!!! Sag? Freust Du Dich mit mir? Herzallerliebster!! Mein [Roland]!!

Du!! Es liegt bestimmt daran, weil ich mich über Deine sooooo lieben Boten so überfreut habe, weil es mich so erregt hat, was Du mir schreibst! So freudig erregt! Und weil Du mich bis ins Herz hinein beglückst mit Deinen Worten der Liebe – Du!! Du!! Du machst mich erbeben bis ins Innerste! Du überwältigst mich mit den Bekenntnissen, den nie endenden, Deiner großen Liebe zu mir!! Ach Du!! Das ist es, was mich aus meiner Ruhe reißt, aus meinem ganzen Rhythmus!! Du hast sooviel Gewalt über mich, Du!! Starkes Mannerli sogar aus der Ferne! Daß Du mich ganz aus meiner Kalenderordnung bringst!! Ach Geliebter!! Du!! Du!! Jetzt möchte ich mich ganz still und glücklich an Deine Brust lehnen mit meinem Kopf – möchte ganz still und selig froh hineinlauschen in den Herzschlag unsres Glückes – ach Du!! Mehr wollte ich nicht heute – nur: Dich bei mir wissen!! Oh Du!!!

Geliebter!! So nahe, so nahe ist nun der Tag, der mir Dich bringt! Meinen geliebten Sonnenstrahl!!! Ach Du!! Ich habe Dich sooo lieb!! Du!!!!! Ich mag mein ganzes Leben nur noch mit Dir l[eb]en, mit Dir teilen, mein [Roland]!! Du!!

Du!!? Siehst, sogar Deine Kameraden spüren, wieviel Liebe und Wärme und Geborgenheit von Dir ausströmen. Der R. sagt es Dir mit seinem Wunsch, er sagt es Dir so deutlich! Du!! Die Geborgenheit, das ist es, was von Dir anziehend auf andere ausgeht, die in Deinen Zügen zu lesen verstehen. Ich empfinde es ja ebenso: bei Dir ist alles gut, ist alles alles gut! Wie ein lieber, väterlicher, guter, treuer Freund kannst Du sein.

Du!! Du!! Empfindest Du nicht auch froh und beglückt, wie uns unsre Liebe erfüllt? Wie mächtig sie sich in uns regt, daß sie sogar Fremden aus unserem Wesen entgegen leuchtet? Du!! Du!! Eine Macht ist sie! Eine wunderbare, süße Macht! Ihr beugen wir uns freudigen Herzens, Geliebter!!

Du weißt es und fühlst es auch, Geliebter!: erst das Kindlein bedeutet die rechte Erfüllung unsrer Liebe! Und bei diesem Gedanken schautest Du selbstvergessen ins Weite – und dieser Gedanke hat Dein Gesicht so beseelt, hat so viel Macht über Dich gewonnen, daß es anderen, außenstehenden Menschen sogar sichtbar wurde. So beglückend ist das Erkennen dieses Gedankens, der den tiefen, letzten Sinn der Liebe birgt – das Kindlein zweier Liebenden.

Ach Herzlieb!! Wenn erst Frieden ist – wenn du dann für immer um mich sein kannst – dann – Du!!! Dann sollst Du mich in Liebe ganz erfüllen! Du!!!!! Möge der Herrgott gnädig unseren Bund beschirmen, möge er Dich mir gesund heimkehren lassen! Du!!! Du!! Entbindest mich so lieb verstehend von der Schreibepflicht an meinem Reisetag! Du!! Es ist wirklich auch nur 1 Bogen geworden am Mittwoch! Du wirst nun beide, auch den vom Donnerstag in Deinen lieben Händen halten; ich denke eben jetzt daran, es ist gleich 6 Uhr und mein Hubo hat Feierabend! Du!! Du!! Ich bin schon fein gebadet! Gehst Du auch nachher? Du!! Ich möcht doch mal heimlich zusehen, wie er sich abrumpelt, mein Hubo!! Ach – nur Geduld, bald gibts die Gelegenheit, da ich ihn mal heimlich beobachten kann! Oder brauche ich mich garnicht heimlich heranzuschleichen? Du? Bei Dir guckt doch garnichts [sic] raus, wo Du Dich schämen müßtest!! Sitzt doch ganz mit Deinen Heimlichkeiten im Wasser drin! Ach, Ihr Männer! Seid Ihr gut dran!!!

Die Mutsch ist daheim, sie will baden und ich sitze, ihr den Rücken zugekehrt am Tisch und schreibe meinen Brief fertig! Du!! Es ist 'ne Schande! Da sollte nun mein Briefblock bis zum Sonntag reichen, weißt, wieviel ich noch Seiten drauf habe?

Keine!! Ich schreibe auf dem letzten Blatt! Du bist ein teurer Soldat! Wo man im 3. Reich Papier sparen muß! Aber!! Es weiß ja fast keiner, wieviel wir uns Seiten schreiben!! Und die, die meinen, wir schrieben uns Romane!, die kümmern uns nicht, was? Wenn die nur so froh und glücklich über einen Brief sein könnten, wie wir es tun!! Ach Du!! Du!! Es kann uns wohl niemand nachempfinden, was uns unsre Liebe bedeutet! Wie lieb und teuer uns d[ie] Beweise unsrer Liebe sind! Und wenn wir nur fühlen, daß wir etwas haben, wo wir unser ganzes Fühlen und Denken und Hoffen und Sehnen festhalten, wo wir es festbannen – um es dem andern gewiß zu machen, wie die tiefe Liebe uns überwältigt und uns so viele Worte und Zeichen finden läßt, die gar nie abbrechen wollen. Du!! Du!!! Ich will den Boten noch fortbringen – ich zieh mich ganz warm an! Sollst ihn morgen haben Geliebter!! Ach – ich liebe, liebe, liebe Dich! Du!!!!! Gott behüte Dich mir! Er sei mit Dir auf allen Wegen!

Ich warte auf Dich! Voll Sehnsucht! Voll Liebe! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946