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[OBF-410129-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 29. Januar 1941.

Herzallerliebster! Geliebter Du!! Mein lieber, liebster [Roland]!!

Das war gestern ein närrischer Tag. Erst hatte ich mir meinen schönen, ruhigen Schreibenachmittag verdorben und nach dem Abendbrot, richtig: da kam auch noch Besuch! Und ich sah meinen Abend ebenfalls schwinden. Sonst kommt die ganze Zeit niemand, aber wenn man sich schon mal ein Programm aufstellt, dann wirds bestimmt durch besondere Umstände übern Haufen geworfen. Also: da half bloß, gute Miene zum bösen Spiel! Hilde K. kam. Sie brachte einen angefangenen Strickstrumpf mit, für ihren neuen Bräutigam und da sollte ihr meine Mutter mal zeigen, wie eine Ferse gestrickt wird und die Spitze. Vor 6 Uhr kam sie und fast um 11 Uhr ging sie. Das war meines Erachtens reichlich lange! Na – ich mochte sie auch nicht verekeln! Mutter wollte Dir auch schreiben gestern abend; doch sie hab ich dann zu Bett geschafft (nicht gejagt!)[.] Weil sie früh um 6 [Uhr] raus muß aus den Federn. Und ich habe erst meinen angefangenen Brief noch beendet. Es war nachher schon weit über Mitternacht – aber ich hätte keine Ruhe gefunden. Du!!

Mit dem Ofen ausputzen wurde es nun heute früh nichts, müssen wir morgen tun. Ach – ich werde noch gut fertig mit meinen Vorbereitungen! Du!!! Ich kriege bloß keine Rosinen zum Backen, bin nun schon überall hingelaufen. Vielleicht ist uns das Glück aber doch noch hold und es kommt noch zum Klappen im letzten Augenblick.

Herzallerliebster!! Du!! Noch 2 mal schlafen und dann ist der alte lange Januar zu Ende! Und dann? Du!!! Wenn es scheint, daß Du am 13. kommen wirst! Na – dann ist das so gut wie amtlich!! Mein Hubo und die 13, die sind gerne beisammen! Ja?! Du!!!!! Ich will alle Horchgeräte auf Draht bringen! Damit ich Dich auch kommen höre! Meine Ohren wasche ich jetzt jeden Tag, schon seit ich aus der Schule bin!! Und die Haare?? Na – die sind auch nicht über die Ohren gekämmt!!! Aber, wenn es Dir irgendwie möglich ist, gib mir Nachricht, wann Du ankommst! Ich will Dich doch sooo gerne abholen!! Du!!!!!

Ob ich Dir ein Stück entgegenkommen mag? Du – Du!! Wie kannst Du da Deinen Buben noch fragen?!!! Ach Du!! Ich freu mich ja sooo auf Dich!! Du!!!!! Und ein Bäuchel hat mein Mannerli wieder?! Ein dickes? Du!! Ist doch nicht gar so dick? Sonst kannst Du doch garnicht [sic] ganz nahe zu mir herkommen, wenn Du Deine ganzen versprochenen Küsseln abzahlen willst! Und auch sonst wäre das dicke Bäuchel im Wege – Du weißt es schon, warum! Du!! Du!!!

Dein dicker, lieber Sonntagsbote liegt vor mir. Du!! Sei recht herzlich dafür bedankt! Herzlieb! Er hat gottseidank den Käsegeruch, der gerade in Eurer Stube herrschte[,] nicht mitgebracht!! Er hätte aber sonst auch sofort eine Dusche mit 4711 gekriegt!

So lieb läßt Du mich an Deinem Sonntag teilhaben! Du!! Und seltsam – so wie Du, war auch ich an diesem Sonntag so ganz gelöst und froh und beglückt, durch das beseligende Gefühl, mich in Deiner treuen Liebe zu wissen! Ach Du!! Herzlieb!! Du!! Ich bin all die Tage her froh gewesen und innerlich bin ich es jeden Tag – nur, die Umgebung wirkt eben oft auf uns und unsere innere Stimmung ein – sie zeigt ja fast täglich ein anderes Gesicht – das bringt der Alltag so mit sich und manchmal gewinnt doch bei allem inneren Glück und Frohsinn, das Graue, Trübe die Oberhand; doch dies ist vergänglich – unser tiefes Glücksgefühl niemals, nimmer mehr! Du!!

Wir halten uns beide so froh lieb! Du!! Und wir haben wieder deutlich gespürt, daß die Freude, die in uns war – eines dem ander[e]n übertrug. So fest sind unsre Seelen und Gedanken miteinander verbunden – sie gehen durch Zeit und Raum; nichts, nichts, daß sie aufhalten könnte!

So herrliches Wetter habt Ihr da auch? Freut mich! Gehe nur oft an die Luft, sobald Du Zeit hast! Du mußt mit so vielen in einem Raum hocken, da ist Dir Sauerstoff nötiger als mir, die alles Gute allein einatmen kann! Ich lüfte mein Zimmer auch täglich 2 mal. Versorgst Du das Lüften da auch wieder? Bei uns begann der Sonnenschein erst am Montag und ist bis heute unser täglicher Gast gewesen. Ich müßte die schönen Tage eigentlich viel mehr nützen, um an die Luft zu kommen. Ich könnte mir's ja leisten! Aber schau, wenn ich gleich die Mittagszeit benutzen wollte zum Spazierengehn und Wege besorgen – erstens sind die meisten Läden bis 3 Uhr geschlossen – dann ist es so rasch wieder 5 Uhr, da kommt Vater aus dem Bett, da kommt Mutter heim – und ich habe keine so herrliche Ruhe, wie eben gerade gleich nach Mittag, wenn ich fertig bin mit der Wirtschaft, zum Schreiben! Daran ist mir wirklich viel mehr gelegen, als an frischer Luft. Ich gehe lieber raus, wenn ich fertig bin mit meinem Brief, dann ist auch noch Sonnenschein, nur bissel kälter ists' [sic] dann schon wieder. Aber das ist jetzt alles gleich, hier ists' [sic] jetzt wieder soo kalt, daß man gar keinen Unterschied herausfinden kann, trotz des wechselnden Sonnenstandes.

Du hast das weiße, reine Bettlein aus Schnee bewundert, bei uns ist alles, alles schmutzig, verrußt! Nicht sch[ö]n! Und Du hast Dich so gefreut an der Natur! Liebster! Ich sehne mich so nach der Zeit, da wir all die wunderschönen Herrlichkeiten der lieben Gotteswelt miteinander schauen können – ich sehne mich ganz sehr nach dieser Zeit und ich freue mich so sehr darauf! Du!! Wir hatten doch eben erst begonnen mit dem gemeinsamen Schreiten und Schauen! Mit dem Blättern und Lesen, wie Du es so treffend nennst, Du!! Es soll unsre liebste Beschäftigung sein, wenn wir uns Freizeit gönnen dürfen später! Mit Dir alles zu durchstreifen, so viel Neues, nur auf Unbekanntes zu sehen, wie schön ist das doch! Und wie Du mir Deine Wünsche hierzu so aufschreibst und erzählst, Herzlieb!! Da kann ichs vor Freude und Glück garnicht mehr erwarten, bis es wird soweit sein! Du!! Du!! Herzallerliebster!! Mit diesen Gaben, die mir Deine liebe, verständnisvolle Hand reichen wird, beglückst Du mich ja so sehr! Du!! Machst mich ja so froh damit! Denk nur einmal zurück, an alle die schönen, unvergeßlichen Tage und Stunden, die uns miteinander in dieser Pracht, in dem Wunder Natur beisammen fand. Wird Dir dabei nicht auch das Herz so weit vor Freude und Dankbarkeit? So reich waren uns diese Stunden, da wir Hand in Hand und Seit an Seite durch die schöne Gotteswelt schritten. Und ich kann es garnicht begreifen, wer diesem Wunder der Schöpfung Auge und Herz verschließen kann! Du!! Du!! Mit Dir, an Deiner Seite sind mir erst all die Schönheiten voll erblüht! Du!! Ich gehe soo gerne mit Dir hinaus, weit hinaus! Um uns Blühen und Werden der Natur – in uns Glück und Seligkeit inniger Liebe! Du!! Sag? Was kann es Schön'res geben auf Erden?

Der Frühling und der Sommer, die gehören zu glücklichen Liebesleuten! Sie sind Sinnbild ihres Denkens und Fühlens – Geliebter! Mein Herzlieb! Möchte uns der Herrgott bald den siegreichen Frieden bescheren – wir sehnen uns so nach dem Leben!! Ach Geliebter! Du hast mir mit Deinem lieben Sonntagsboten soviel Glück und Sonnenschein gebracht! Und  hast meine Sehnsucht, meine heiße Sehnsucht erweckt! Ich möchte zu Dir, mein [Roland]!!! Ich möchte bei Dir sein!!! Ich liebe Dich soo sehr!!!!! Bei Dir ist alles Sehnen, alles Heimverlangen gestillt! Du!! Du!!! Komme bald, ach bald zu mir!!!!! Wir können ja garnicht mehr ohne einander sein! Du!! Geliebter!! Unsre Wesen haben sich soo fest ineinander verschlungen! Du hast mein Herz gefangen!! Nun kann es nur noch leben, in Deinen lieben Händen! Nur bei Dir mag ich sein, immerdar, ewig! Und Du sagst mir so lieb, so beglückend, daß Du ganz in meiner Liebe lebst, daß Du ganz glücklich, ganz froh bist an meinem Herzen! Daß ich über Dein Herze gebieten darf, Du!! Als Deines Herzens Königin!! Du!! Das ist soo viel Glück für Deine [Hilde]! Herzlieb! Und sie will nur in Liebe, in großer, nie endender Liebe über Dein Herz gebieten!

Ach Du!! Du!! Ja!! Ja!! Ich fühle es, spüre es ganz deutlich mein Herz, daß ich Dir Erfüllung bin! Daß Du mich liebst! Und darum ist Dank in mir! Glück, Freude und inniger Dank! Und dieser Dank kann sich nur Dir künden, indem ich mich Dir ganz weihe, mit allem, was ich bin und habe! Herzallerliebster[.] Mein Herz ist Dein! Mein Schoß! Mein ganzes Leben, es gehört Dir!! Ich liebe Dich!

Behüt Dich Gott! Geliebter!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946