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[OBF-410126-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 26. Januar 1941.

Herzallerliebste!! Mein lieber, liebster [Roland]!! Geliebter Du!!

Traumlos bin ich in den Sonntag hinein geschlummert – heute morgen 8 Uhr weckte Vater mich! Aber nicht so, wie Du mich vielleicht geweckt hättest!! Herzlieb!! Seine laute Stimme erscholl unter der Tür: „[Hilde]! komm – aufstehen! Es ist 8 [Uhr] durch!“ Und er schaltete das Licht ein, damit mein verdunkeltes Kämmerlein hell würde und ich mich rascher aus den Federn fände!

Das geschah auch alsbald – na – nachdem ich eingehend lieb und zärtlich an Dich gedacht hatte! Du!! Und da vergeht mindestens noch ein Viertelstündchen! Als ich nachher endlich angestiefelt kam in meinen Bunzelschuhen, zeigte die Uhr bereits ½ 9! Nun rasch in die Waschschüssel getaucht – in die Sachen gestiegen und Vaters‘ fürsorglich gedeckten Kaffeetisch eingenommen. Das war schön. Wie ein Tagesanfang der Prinzessin! Keinen Finger brauchte ich zu rühren vorm Kaffeetrinken! Das passiert mir jetzt als angehende Hausfrau selten! Darum schätze ichs‘ so hoch.

Und dann wartete ich auf meinen blauuniformierten Freund! Aber der winkte heute ab: „morgen wieder!“ Also kein Bote heute. Aber ich bin nicht unzufrieden! hab ja gestern 2 bekommen, Du!!

Vater hatte um 9 [Uhr] im Betrieb Apell, wegen seiner Luftschutzsache, anschließend ging er sammeln für die N.S.V.. Und ich hatte mit meiner Hausarbeit zu tun und mit dem Mittagessen. Kalbs- und Schweinebraten mit Kartoffeln und Blumenkohlgemüse in brauner Soße gab es. Kompott haben wir vergessen zu essen miteinander, weil Vater schon überm Brauen eines Mokka[s] war, während ich noch beschäftigt war mit meinem Hauptgericht. Na – auch gut! Essen wir R ein Glas Eingewecktes mehr, wenn wir nachmittags allein sind und – Langeweile haben sollten!!! Du – !! Aber weißt sowas schmeckt auch ohne Langeweile!

Das Hochzeitsgeschenk hab ich zur Besuchszeit fortgebracht. Beim Schneider Ch. war ich auch vorm Essen, Deine Hose hingeschafft. Er will alles gleich rundherum frisch einfassen und sie auch mit bügeln! Bis Du kommst ist sie in Ordnung, meinte er. Ich bin auf einen Sprung mit zu Frau Ch. here[in], sie freut sich immer wenn ihr 'einstiges Kindermädel' mal gucken kommt! Ach Du!! Das Kleine ist ein herzallerliebster, drolliger Fratz! Ich hätte sie am liebsten mal mitgenommen, heim zu mir. Aber es ist draußen so schmutzig zum Wagen fahren. Aber wenn [e]s wieder einmal schön ist, dann fahre ich das liebe Dingelchen wieder einmal aus. Ich bin ihr richtig gut. Und Frau Ch. sagt, sie gäbe die Kleine doch niemandem lieber, als mir; weil ichs so richtig verstünde mit kleinen Kindern umzugehen und ich hätte von früher her darin noch nichts verlernt. Sie weiß, daß das Kleine bei mir in guten Händen ist, darum vertraut sies‘ mir auch gerne an. Ich bin ganz vorsichtig, damit nichts passiert.

Du?!! Magst Du es gerne sehen, wenn ich so ein kleines Pusselchen in mein Herz schließe und es ab und zu mal zu mir hole und – mich einstelle, als seis‘ unser Eigen? Du? Herzlieb? Du? Herzlieb? Du verwehrst mirs nicht!? Nein?! Du!!! Wenn ich nachmittags frei bin, kann ich es doch ruhig mal warten, ja? Die Leute mögen meinetwegen denken, was sie wollen. Ich hab Kinder so gerne. Herzlieb!

Siehst und dieser, mein Wunsch, der hängt auch in gewissem Sinne mit dem zusammen, was Du mir in Deinem lieben Briefe über Respekt, besser Achtung und Wertschätzung sagst.

Es ist ungefähr so: jeder der beiden Ehegatten bewegt sich in seinem Bezirk und doch ist es so schön und muß es so sein, soll zwischen beiden Harmonie und Eintracht herrschen, wenn eines des andern Bezirk respektiert, eben schätzen kann und richtig achten. Darum liegt mir auch Deine Antwort auf meine Frage hin am Herzen – es ist von der Frau, also von mir aus gesehen, so selbstverständlich, daß ich meine Freizeit meinen Interressen widme. Aber Du sollst auch Dein Gutachten darüber abgeben, sollst Deine Meinung darüber äußern. Ich habe es so gerne, wenn wir Hand in Hand gehen in unseren Unternehmungen; in allem, was wir anfassen. Und ist es abwegig, wenn ich jetzt sagen würde: „Ich frage meinen Mann um alles, weil ich ungeheuer Respekt vor ihm habe.“ Nein – ich lasse ihn alles wissen, aus Liebe zu ihm und weil ich ihm auch so Gelegenheit geben kann, trotz der Ferne[,] die uns trennt, mein Wesen ihm zu vergegenwärtigen – indem ich ihm meine Wünsche und Regungen und Neigungen meines Herzens und Wesens offenbare, ihn daran teilnehmen lasse. Und nicht zuletzt: Weil ich aus Liebe zu ihm seinen Wunsch achte und ehre, auch seinen Willen, weil ich ihn mit dem meinen in Gleichklang bringen möchte.

In dem Wunsch, mich in Mutterpflichten üben zu können, liegt im Grunde auch ein Dienst aus Liebe verborge[n]. Du und ich – die wir gewillt sind, ein Neues in dieser Welt darzustellen, die wir unsre Liebe einst auch krönen möchten mit dem Höchsten und Besten – die wir Kraft in uns spüren, unsre Liebe gut und glückhaft zu krönen, Du!! Und ich werde es sein, die ein gut Teil der Betreuung dieser neuen, zarten Pflanze in die Hände nehmen soll. Darum erfüllt es mich mit Freude, wenn ich schon jetzt mich einmal in dieser schönen Pflicht üben kann. Und ich tue es auch so gerne in dem Wunsche, Deinen – unserm Kindlein einmal eine gute Mutter zu sein, Herzlieb!

Ach – alles, daß [sic] ich tue hat seinen Grund in der innigen, großen Liebe, die mich an Dich fesselt. Du wirst mich schon recht verstehen, Herzlieb, was ich Dir nun mit meinen Worten darüber ausdrücken möchte. Um unserer großen, schönen Liebe Willen verstehen wir einander ganz – Du! Und so wie ich Dich in Deinen Gedanken gänzlich verstehen konnte, die in Deinem lieben Briefe um diesen Begriff Respekt, besser Achtung und Wertschätzung kreisten – so wirst auch Du mich in meinen Gedanken verstehen, die zwar ihre Richtung ein wenig anders einschlagen, als die Deinen – .

Du rührst noch einmal an die Irrungen Deines Herzens, als Du zu Anfang hier bei uns in Oberfrohna warst. Das ist ja so gut zu verstehen, wer sollte hier richten? Jeder Mensch wird irren, ehe er den rechten Weg einschlägt, ehe er sein Ziel, daß [sic] Erfüllung bedeutet, erreicht hat. Und nur zu leicht läßt sich des Menschen Sinn von einem schönen Äußeren betören. Du hast recht, diese Feststellung geht durch unser menschliches Leben, wie auch durch die Natur.

Und nun sagst Du mir von Deiner tiefen Freude darüber, daß ich Dich aus Deinen Wunschträumen erlöste und der Wirklichkeit zuführte, Herzallerliebster! Du!!! So wie Du erfüllt bist von diesem Glück, so bin ich es auch! Das wertvollste und höchste Gut ist, wenn zwei ganz zueinander passen, wenn sie sich glücklich ergänzen und sich innerlich so ganz nahe kommen. Und das ist zwischen uns beiden so wundersam und glückvoll erfüllt, Du!!! Wie glücklich ich mit Dir bin! Herzallerliebster! Und nun willst Du bald selbst zu mir kommen, mein Glück zu schauen, das in meinen Augen leuchtet. Und ich will mich erwärmen an dem heißen Strahl der Liebe, der aus Deinen Augen bricht! Du!!! Und – die große Welle des Liebesglückes wird über uns zusammenschlagen – wir werden ganz eins – Du!! Du!!!!! Herzallerliebster!! Mein geliebtes Herz, Du!!! Heimweh fühlst Du jetzt nach mir?! Du!!! Es macht mich unbeschreiblich glücklich, Du!!!

Weil es mich einmal mehr gewiß macht, wie sehr Du an mir hängst – wie Du mich lieb gewonnen hast. Du!!! Komm! Komm heim! Zu mir! Ich rufe Dich sehnsuchtsvoll! Herzallerliebster!!!!! Lasse uns das Glück uns[e]rer Liebe einander aus den Augen lesen! Laß mich Dir alles, alles weihn‘!

Ich liebe Dich! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen! Du! Mein Glück! Mein Leben! Mein Sonnenstrahl! Ich bleibe bei Dir! Ich bleibe Dein! Immerdar! Geliebter! Gott schütze Dich! Er führe uns gnädig zusammen! Bleibe froh und gesund! Und hoffe fest und innig auf das Wiedersehen mit mir!

Mit Deiner Holde. Du!!!!!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946