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[OBF-410125-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 25. Januar 1941.

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]! Holde mein!!

Wovon ich Dir gestern schrieb, das bewegt mich heute noch so, und ich muß Dir noch davon schreiben heute. „Ist denn die Liebe Sünde?“, so höre ich Dich noch betrübt fragen. Diese Frage hat mich schon manchmal bewegt und tut es noch. Geliebte! Ich schrieb erst kürzlich: „wenn wir so uns lieben, dann verliert auch die Lust das Böse.“ Du! Ich sage es jetzt so: Der Keim zur Sündhaftigkeit liegt in aller Kreatur. Vergängliches Wesen, Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit sind Merkmale alles Irdischen. Gott nur ist vollkommen. Der Keim zur Sünde, des Abirrens vom rechten Wege, es liegt auch in der Liebe.

Herzlieb! Wie kommt es denn zustande das Wunschbild, das uns vom Erleben der Liebe und von unserem Liebesglück vorschwebt? – Die Kinder erleben, wie Vater und Mutter miteinander verkehren. Dieses Erlebnis ist das erste und grundlegende und einschneidende. Diese ersten Spuren, obwohl sie unbestimmt sind, sich sie prägen sich tief in das Kinderherz, ich habe es an mir selbst erlebt. Ein unbedachtes Wort, eine unbedachte Bewegung, oder gar offener Streit und Mißverstehen, sie reißen in das Kinderherz.

Welch großer, reicher Segen ist ein gutes Elternhaus! – Aber dann beginnt schon in der Schulzeit das Zerrbild der Liebe auf die Kinderseele einzustürmen in Zeichen, Bildern, Büchern, in Einflüsterungen, Skandalgeschichten tausendfältig einzustürmen – eine Flut, eine Flut von Schmutz und Sünde, die von da an das reine Bild umspült – Du! übertreibe ich? – oh nein, nein! Es ist erschreckend, erschreckend. Und niemand, der sich hier recht verantwortlich fühlt und die empfänglichen Herzen der Kinder schützt vor diesem Gift.

Und das ist der Übergang in die Welt der Erwachsenen. Wo dort von der Liebe gesprochen wird, da ist es das Zerrbild – wo sie dort sich zeigt – da ist es die sündhafte Liebe, die Unzucht. Und die jungen, hungrigen Menschen? Die Fratze, das Zerrbild drängt sich ihnen auf, belästigt sie gerade zu [sic], ihre Begierde und Lüsternheit weckend, Genuß und Befriedigung verheißend. Und wenn wir uns umsehen: niemand, der sich dieser Not annimmt, der sich um den Weg der jungen Menschen in diesem Punkte kümmert. Viel mehr böse Beispiele als gute stellen sich ihnen vor, und die bösen treten dazu mit ihrem lauten, frechen Ansprechen und giftigen Schillern viel deutlicher in Erscheinung. Und auch keine Gesellschaftsschicht, die deutlich beispielgebend im guten Sinne wäre, und das Bild der hohen, guten Liebe rein bewahrte. Unter meinen Kameraden (im Zivilleben) machen Zoten und Gemeinheiten ebenso die Runde wie anderswo. Ein Wunder beinahe also, wenn jemand nicht fällt, nicht erliegt, nicht verdirbt. Es gehört ganz viel Charakter dazu und innerer Halt. Und so lernen ausnahmslos fast alle Menschen das Zerrbild dieser Liebe kennen, es drängt sich ja überall auf, man kann es gar nicht übersehen. Und an jeden Menschen tritt die Versuchung, die Gefahr, jeder erlebt den Kampf und Widerstreit in sich zwischen Gut und Böse. Auch in mir hat es gekämpft – und alle gute Liebe des Elternhauses, der Märchen und guten Bücher und der wenigen Vorbilder andrer Menschen, sie hat gesiegt. Aber wachsam und mißtrauisch wurde Dein Hubo, auch gegen sich selbst. Ich glaube, der Mann ist mehr in Gefahr, abzugleiten und der sündhaften Liebe zu verfallen. Liebste! Du hast es selbst erlebt und gespürt, mein Mißtrauen. Ich schrieb Dir von Süßigkeit, die uns noch verboten wäre, wir erlebten beide den Kummer und die Sorge um die rechte Liebe, – und so löste sich ein Band nach dem anderen von dem Herzen Deines [Roland] – die Bande und Fesseln, die er sich selbst anlegte, er durfte eines nach dem anderen lösen – Geliebte! Du!! Pfänder der Liebe, Zeichen sollten sie alle werden – das Du, der Kuß, Dein liebes Herzlein, Deine holde Nähe, unser Einssein – Zeichen mußten sie alle werden, Diener, Geschenke, Früchte der Liebe – eines nach dem andern haben wir getauscht, eines nach dem anderen uns errungen – und um eines nach dem anderen hat Dein [Roland] in sich gerungen. Herzlieb! Nun ist auch das letzte Band gelöst vom Herzen Deines [Rolands]. Nun ist er ganz frei – ganz Dein – Geliebte! Nun mag er sich beschenken lassen von Dir – und Dich zu beglücken ist sein ganzes Glück – er liebt Dich! er [sic] liebt Dich gut und treu! er kann sie ganz erwidern Deine große Liebe! Du!! Und wovor er sich früher fürchtete, dem er mißtraute als irrig oder häßlich und gefährlich – Herzlieb! Nun hat siees einen sicheren Platze im Bezirk uns[e]rer glücklichen Liebe – – – Geliebte! Geliebte!!!!! Ich kann sie nun seligen Herzens mit Dir erleben, die Stunden letzter Erfüllung – und Herzlieb! Du!! Du!!! meine Augen – Du fürchtest Dich nicht vor ihnen – „sie ruhen nun voll Glück, voll Zärtlichkeit, voll Erwartung und Sehnsucht nach dem Schönsten und Heimlichsten auf Dir“, Geliebte!! Es leuchtet aus ihnen nicht Gier und böse Lust, es [s]piegelt sich in ihnen das Vorbild der hohen Liebe, das Glück seligen, innigen Umfangens – und Du wurdest mir Erfüllung dieses Bild[e]s – einzigartige Erfüllung – Du!! Du!!! Wir sind ihm auf der Spur, dem reichen Glücke guter Liebe – wir tragen es in uns, das Bild der guten, hohen Liebe – und es erfüllt uns schon, dieses Glück, sie bringt ihren Segen, diese Liebe!! Du!! Wir wollen es Gott von ganzem Herzen danken! Und wir wollen es halten und hüten und bewahren!!!

Geliebte!! Und nun liegt alle Zukunft so hell und freudvoll vor uns, so reich und glückhaft! Meine liebe, liebe [Hilde]! Sonnabend ist schon wieder! Du!! Und der lange Januar wird immer kürzer. Wie viel mal schlafen noch? Ach Du zählst es ja selber! 3 Wochen Abstand – Du! Da kannten wir uns schon eine ganze Weile, als wir uns das leisteten! Denkst [Du], daß Dein Hubo schon eher kommen könnte? Du! Du! Viel eher möcht er doch gar nicht kommen – ach nein, kommen möcht er schon immer – Hör! Der Spieß (Hauptfeldwebel) will erst noch mal [ein] paar Tage nehmen – und dann darf ich fahren!! Das kann schon am 13. werden. Also paß nur gut auf!! Na, wirst[´]s schon merken, wenn ich komme! Du!! Du!!! Und wenn es angeht, schreib ich Dir vornweg meine Ankunft genau, Du!! Vielleicht mußt mir ein Stück entgegen kommen! Magst Du?!! Ach Herzlieb!!! Ich freue mich so – auf Dich!! Du!! Mein Herzlieb!!

Du, eben ruft man mich weg – wir sollen ein bissel Musik machen in der Kantine – kann ich nicht abschlagen! Du!! für Dich!! für Dich!!! Es sind heute Gäste, um 6 Uhr hatten wir Variete.

So, nun bin ich wieder zurück. Herzlieb! Bei Dir!! Ach immer nur bei Dir!! Geliebte! So ganz, so fest bei Dir!! Herzlieb!! Herzlieb!!!!!! Wann werd ich es für immer sein dürfen? Ich möchte immer bei Dir sein – möchte Dich immer liebend umgeben – möchte Dir meine Treue erweisen. Ach Du!! Es wird alle[s] werden – Gott wird mit uns sein! Er behüte Dich! Er erhalte Dich froh und gesund. Geliebte!! Ich danke Dir für alle Liebe, die Du mir mit Deinem so lieben Briefe erweist. Du bedeutest mir alles Herzlieb, mein junges, schönes Weib! Ich brauche Dich Dich [sic]! Du bist mein Leben, mein Sonnenschein, mein Ein und alles[sic], und über alles bist Du mein Herzlieb! Du, das ist die Gebieterin meines Herzens!! Du!!! Du!!!!! Herzlieb! Wer über das Herz gebietet, der hat das beste, das liebste!! Ach, wie soll ich es Dir noch sagen? Du!! Du!!!!! Ich liebe, liebe Dich so sehr!!! Ich gehöre Dir ganz, Dein altes, liebes Dickerle und Dummerle, Dein Hubo! Dein [Roland]!!!

Und Du bist mein!! Ganz mein!!!!!!!!!!!!!!!! Ich weiß es! Ganz gewiß! Du!!!!.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946