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[OBF-410124-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 24. Januar 1941.

Meine liebe, liebste [Hilde], Du!! Herzlieb! Holde mein!

Du!! Du!!! Das nächste Mal, Herzlieb, schüttest mir aber das ganze liebe, volle Herzel aus! Du! Mein Herzel!!! Sollst ja nicht denken, dass Du mir etwas zumutest damit! Ach Herzlieb, ich habe, wenn nicht weniger, so doch auch gar nicht mehr zu tragen als Du! Daheim bist Du freilich, aber so allein wie ich im Herzen. Und Deinem [Roland] geht es so gut, es kann Dir nicht besser gehen in allen äußeren Umständen, wirklich! Heut war ich Nacktfröschel so wie Du, vielleicht um dieselbe Zeit! – ich habe ja richtig wieder ein Bäuchel dranhängen! Ein Bäuchel in Maßen ist doch ein Zeichen eines ganz bestimmten Wohlergehens – bei mir gewiß auch ein Zeichen ungenügender Bewegung – und – – – na, Du weißt schon, was ich jetzt sagen will. Wirst's ja bald selber sehen. Und wenn ich Bademeister bin, da werde ich ja durch meine Filzbrille sehen, wie gut es Dir ergangen ist, Du!! Und wenn Du streitest, dann wird ganz genau gemessen!

Alle Tage ist kein Sonntag – so heißt es in einem Wort. Auf hohe Spannung folgt tiefes Ermatten, auf Himmelhochjauchzen Zutodebetrübt [sic] – so launisch oder temperamentvoll (wie man will) sind wir zum Glück nicht – auch mein [Hilde]lieb nicht – es würde auch nicht zu meinem Wesen passen. Wer so veranlagt ist, hat ganz gewiss ein schweres Leben, schwer wird er zu Gott finden und schwer sich in seinen Willen ergeben. Ich habe solche Launen, wo sie bei mir auftreten wollten, auch immer bekämpft – ein treues Herz, ein treuer Sinn, sie passen nicht dazu – und doch unterliegen empfindsame Menschen solchen Stimmungen und Spannungen. Herzlieb! Unzufrieden mit Dir darfst Du sein – aber mit Deinem Leben? Du! Du!! So hast Du es ja nicht gemeint! Und ich hätte ja auch nicht den leisesten Grund anzunehmen, daß Du mir damit einen Vorwurf machen wolltest. Herzlieb! Die jungen Männer fast alle – und die in Deinem Alter erst recht, – o, sie sind ja alle fern von ihren Lieben – und die meisten viel ferner als Dein Hubo – und viele, viele bangeren Herzens und schwererer Hoffnung als wir beide es sein müssen! Du! Du!! Aber so hast Du es ja auch nicht gemeint. Und ich fühle Dir es doch so nach, wie Du Dich sehnen mußt, wie sie in Dir heftiger und heißer brennt vielleicht als in mir (mein Herzlieb ist doch ein bißchen jünger), wie Du Dich nicht so in der Gewalt hast wie ich, und ich weiß doch, daß Du Dich manchmal ganz fest anlehnen und anschmiegen mußt an Deinen [Roland] – ach Herzlieb – und ich fühle es doch selber,

wie schwer es manchmal wird — [langer Strich] und ich sage das ja alles, um nun damit zu schließen: beim nächsten Trübsein, da schüttest Dein liebes volles Herzel ganz aus, Du!! Es wird Dir leichter dabei, wie auch mir leichter war am Sonntag – Herzlieb, nicht Dich sinken lassen!! wenn Dir schwer wird ums Herz, dann sollst nach meinem Arm fassen!! Und wir wissen es doch: uns[e]re innige Liebe trägt uns, wenn Dir schwach werden will, werde ich stark – wenn es mir schwer wird, kommt Dir die Kraft zu Trost und Hilfe! Ja? Du!! Du!!! Mein liebes, treues Weib!!

Aber nun bist Du ja wieder froh – und Dein Hubo ist es auch – seit Montag – ach Du, wie man das doch spürt! wie das nur möglich ist!

Ich finde Dich wieder! Du!! Und der Sonnenstrahl, er sucht wieder nach dem sonnigen Gefilde, Du! Du!!!!! Herzlieb! Und wir dürfen es doch sein aus vollem dankbarem Herzen! Und dürfen es sein in Erwartung der besonderen Freude unseres Wiedersehens! Du!! Sie ist in mir!! Die Freude!! Die freudige Sehnsucht nach Deiner holden Nähe! Herzlieb!! So kostbar, so überaus reich dünkt mir die Freude auf dieses Wiedersehen. Gott ist uns ganz besonders gnädig, wenn er sie uns erleben läßt, vielleicht die seltenste und kostbarste Freude unseres Lebens. Und sie wird die Tage unsres Wiedersehens überdauern, wird uns helfen über den Abschied und Sonne breiten über die Spanne Zeit unsres kommenden Ferneseins. Herzlieb! Diese Freude!! Köstlicher noch als die vorige? Kann denn das sein? Ja, ja, Du!!! Heim kehrt Dein [Roland] in doppeltem Sinne: Heim zu seinem Herzlieb! In seine lieben Arme! An sein liebes, liebes Herzel!! Heim!! Heim!!! Ganz, ganz nahe, Du!! In die selige, mütterliche Nähe seines lieben, lieben Weibes!!!!! – Und sucht es heim, sein Lieb, in der Heimat, dort wo es ihm begegnete, dort, wo es selber seine Wurzeln hat, bei Vater und Mutter, in dem lieben, vertrauten aAuf und Ab seiner schönen Heimat, in den vertrauten Räumen, die ein liebendes Herz dem Liebsten zum Empfange bereitet, in dem vertrauten Kämmerlein voll köstlicher Erinnerungen und voller Zeugen unseres Glückes. Herzlieb! Es ist das erste Wiedersehen in der Heimat nach unsrer Hochzeit, die erste Heimkehr zu meiner lieben Frau! Du!! Du!!!!! Und alle Freuden dürfen wir froh pflücken, und sie sind uns alle herzlich gegönnt von unseren Lieben, herzlicher als sonst! Und köstlicher noch als sonst – weil wir uns noch viel lieber gewonnen seitdem! Ja? Du!!!!!

Herzlieb! Nun ist er eben noch zu später Stunde zu mir gekommen, der Künder Deiner großen Freude, Deines Glückes, uns[e]res Glückes, Deiner Liebe!!! Sie jauchzt und strahlt und leuchtet mir aus jeder Zeile, jedem Wort. Du!! Du!!!!! Geliebte!!!!! Sie ist das Bekenntnis und Geständnis Deiner großen Liebe, Deines reichen Glückes – Du!! Herzlieb!!! Machst Deinen Hubo so unsagbar glücklich damit!! Aug in Auge, Herz an Herzen – auch Du sehnst es herbei? Du!!! Kann es denn sein?!!!!! „Mich in Deinen Armen halten, soo fest, soo lieb, soo innig – ganz an meinem Herzen spüren – seine lieben Augen werden auf mir ruhen voll Glück, voll Zärtlichkeit, voll Erwartung und Sehnsucht nach dem Schönsten und Heimlichsten – " ja, Herzlieb, Du!! Geliebte!!! Meine [Hilde]!!!!! Das ist mein Sehnen, das ist mein Glück! Oh, ooh!! Soviel reiches, großes Glück!!!!! Und ist auch Deines? Du!!! Kann es denn sein? Das alles willst Du mir bereiten und bringen und schenken? Du!!! Du!!!!! Dein [Roland] wäre vor lauter Glück unglücklich, wenn er nur empfangen dürfte und sich so überreich beschenken lassen – Du!! Du!!!!! Dein Dickerle, Dein Dummerle, so lang und dumm und dick es sich auch manchmal stellen mag, Du!! es will danken, will antworten, will wieder lieben, will wieder schenken – Du!! Kuß gegen Kuß! Herz gegen Herz! Du!! Du!!!!! An der Krönung des Glückes müssen wir beide lieben, lieben!! und schenken, schenken! Du!!! Gefild und Sonnenstrahl! Gärtlein und Schlüsslein! Du willst Dich ganz mir schenken – und ich will Dich ganz erlösen! Geliebte!! Ich weiß nicht, was schwerer ist. Das Erlösen – Du, es ist schwer! Du!!!!! Wenn das Auge über das wonnige Gefild['] geht – dann ist soviel Glück – dann ist soviel Freude!! soviel zum Überfreuen, Du!! Soviel Freude, soviel Glück – wie zum glücklichen Ruhen und wunschlosen Verweilen, traumversunken, selbstvergessen – darfst Deinen Hubo nicht träumen lassen, – Herzlieb! Verstehst Du mich? – Dein [Roland] hat es nur gelernt, und hat es gefühlt – erst, wenn auch aus Deinen Augen die Erfüllung leuchtet, dann erst, dann ist das höchste Glück, auch meines!!! Geliebte!!! Erst die Liebe für des anderen Glück ist die vollkommene, sie erst verleiht Manneskraft, sie erst weckt den leidenschaftlichen Willen und den ungestümen Drang, sie erst weiht über das genießende Verweilen zum liebenden Beschenken. Herzlieb! Mir ist das so ganz deutlich bewußt geworden. Erst solches Lieben fordert auch die letzte Kraft. Du!! Dein [Roland] will Dich beschenken! – er will Dich erlösen! – er will das entzückte Leuchten in Deinen Augensternen – er will Dein [G]lück – und er ginge bei allem Reichtum unglücklich von dannen, wenn er es Dir nicht bringen könnte – Du weißt es, Geliebte[!] Herzlieb! Wie ich und wie wir um alles so ringen müssen – was andern so leicht fällt – wie wir allem einen Sinn abringen müssen – wo andere bedenkenlos nehmen – ist es nicht seltsam, Du?!! Hilf mir erklären!

Hör, was mir heute abend dazu einkommt: Dein [Roland] kann nichts nachreden, was er nicht versteht – er mag nichts lernen, was nicht einen Sinn hat – er will alles mit einem Sinn erfüllen, verarbeiten, [d]urchdringen – Herzlieb! Wir mißtrautemn aller Süßigkeit der Liebe eine Weile und sorgten uns, Du weißt es, daß unserem äußeren Nahesein das innere nicht entsprechen möchte. Und er lauschte wieder fragend in den Sinn, als er spürte, daß sein Herzlieb nicht das höchste Glück empfand bei unserem Nahesein – Du!! Dieses Mißverstehen, diese Differenz, sie rief alle seine Liebe auf den Plan, und ließ ihn erst recht begreifen und spornte und ermahnte ihn. Herzlieb! Du!! Du!!! Und sie ließ ihn die letzten Hemmungen überwinden, die letzte Scham vor Dir und sich selbst, ließ sie ihn überwinden vor dem Willen zu Deinem Glück. Dieser Wille ist gut und kommt aus tiefer, echter Liebe! Weißt Du noch die Stunde, da Du den Sonnenstrahl zu fassen begehrtest? Herzlieb? So begehrte Dein Hubo zu schauen – – Du! Du! – – die Pforte zu aller Liebesseligkeit – – nicht erst heute – Du!! Du!!! – – Vielleicht erzähle ich Dir einmal davon – – er hätte sich tief geschämt dieses Wunsches – vor sich selbst – und vor Dir – er hat ihn unterdrückt als schlecht und verachtenswert – Geliebte!

Und er mußte Dich erst ganz lieb gewinnen, und der Irrtum dieses Wunsches mußte vor der Wahrheit meiner Liebe erst klein werden, und die Häßlichkeit dieses Wunsches mußte vor der Schönheit uns[e]rer Liebe gering erscheinen, eher konnte er mir nicht erfüllt werden, eher konnten die Hemmungen nicht überwunden werden – – und das war beim letzten Wiedersehen – – Du!! – an jenem Donnerstag. Geliebte[!] Und nicht eher fand ich die Worte des Geständnisses als heute. Herzlieb! Wie wirst Du es aufnehmen? Ach, ich weiß! Du wirst es verstehen! Du wirst es schätzen als ein Zeichen meines höchsten Vertrauens und meiner Liebe! Und nur deshalb schreibe ich es auch nieder. Geliebte!! Du!!!!! Als Dank für Deine glückselige Freude. Herzlieb! Weil ich ganz Dein sein will, und weil ich gar nicht mehr fürchten muß, daß wir uns mißverstehen, und weil ich möchte, daß uns[e]re Liebe nur besser und inniger werden soll, deshalb schreib['] ich es nieder! Du!!! Du!!!!! Wem könnte ich noch so vertrauen auf der Welt? Wem dürfte ich noch so beichten? Als Dir, Du!!! Du!!!!! Herzlieb! Spürst Du, wie ich Dich liebe? Fühlst Du, wie ich Dir alle Liebe erwidern möchte – wie ich mit Dir einssein will – nichts soll mehr zwischen uns stehen, das uns trennen kann! Herzlieb! Behüte Dich Gott! Er segne unseren Bund und sei uns gnädig. Er erhalte Dich froh und gesund!!!!! Herzlieb! Du!! Schau mir in die Augen: ich bin so glücklich über Deiner großen Liebe! Du!! Ich habe Dich so ganz lieb gewonnen – alle, alle meine Liebe geht zu Dir! Sie kann nur bei Dir sein!! Sie möchte so groß sein wie die Deine, sie möchte so reich schenken wie Du mich beschenkst. Geliebte!!

Gute Nacht! Dein [Roland] bin ich! Er hat Dich so lieb heut abend – und immer!! Bald kommt er zu Dir! Du!!! Du!!!!! Herzlieb!!!!! [Hilde]lieb!!!!!!!!!!

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946