Bitte warten...

[OBF-410123-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 23. Januar 1941.


Du!!! Geliebter!! Herzallerliebster!! Mein lieber, lieber [Roland]!!

Heute bin ich soo glücklich, Du!!! So voll Freude!! Voll himmlischer Freude!! Herzallerliebster Du!! Ist's denn möglich – Du?!! Der Chef selbst hat von Deinem Urlaub gesprochen?!! Du!!! Ich habe diese Stelle paarmal lesen müssen, Du!!! Ich konnte das garnicht fassen! Herzallerliebster!! Und Dein so lieber, froher Bote!! Du!! Geliebter!! So wie draußen heute Sonnenschein ist – so sonnig hell ists´ auch in mir, Herzlieb!! So lieb schreibst Du mir, mein [Roland]!! Ach Du!! Du!! Wenn Du nun doch, wie wir es uns schon heimlich ausmalten, kommen kannst! so bald! und mit all Deiner Liebe, Du!! kommen kannst mit aller Sehnsucht, mit all Deinem heißen, innigen Verlangen – Du!!! Zu mir!! Geliebter!! Du!!! Ich warte auf Dich!! Du!!! Mit weit offenen Armen, sehnsuchtsvoll warte ich Dein – Geliebter!!! Du!!!!!

Unser Einssein – es ist doch das Köstlichste auf Erden, Herzlieb. Die Stunden, die uns in glückvoller Liebe vereinen, sind die schönsten, Du!!! Da Herz am Herzen ruht, da Aug in Auge sich senkt und da wir selig fühlen: eins ist des andern Leben und Reichtum, eines gehört mit aller Hingabe dem andern. Die vielen liebsten, heimlichsten Gedanken, die wir alle, alle zurückdämmen mußten, sie können dann unaufhaltsam aus uns hervorquellen – ach Du!! Alle Gedanken, alle Worte der großen Liebe zueinander, sie wollen dann garnicht über unsre Lippen, Du!! Wenn wir uns endlich beseligt und so froh umfassen, uns in die Augen sehn – ach – Du!!! Was sollen dann noch Worte, arme kleine Worte? Du!!! Wir haben es erlebt mein [Roland]!! Wenn uns endlich die Erfüllung ward – dann sind die Lippen stumm – dann reden unsre Herzen zueinander – Du!! Du!!! Ihre Sprache, sie ist der einzige Ausdruck unserer jauchzenden großen Freude, unseres übergroßen Glückes! Du!!! Wenn es wird so weit sein!! Ach – Geliebter!!!!! Ich wage heute noch nicht, mir dieses süße Bild vor die Seele zu zaubern, es ist zu wundersam schön – Du!!! Ich könnte meine große Sehnsucht schwer, schwer bezähmen. Du!! Ich will ganz ruhig, ganz fein geduldig auf den Tag unsrer Erfüllung warten, Du!!! Dann wird das süße Bild Wirklichkeit, das mir jetzt schon vorschweben will – dann ist alles herrliche – glückhafte Wirklichkeit!! Du!!! Ich werde mein Glück – mein großes Glück in Armen halten, soo fest, soo lieb, soo innig – oh – ich werde ihn wieder ganz an meinem Herzen spüren, seinen treuen Herzschlag, seine lieben Augen werden auf mir ruhen voll Glück, voll Zärtlichkeit, voll Erwartung und Sehnsucht nach dem Schönsten und Heimlichsten dieser Tage, die uns gehören. Und ich will ihm gehören, ihm, meinem Herzallerliebsten, mit allem, was ich ihm nur schenken kann, Du!!!!! Nur so, wenn ich ihm ganz gehören kann, findet meine unergründliche Liebe Genüge, nur so kann sie sich Dir voll und ganz zeigen. Du!!! Weil wir noch immer getrennt sein müssen, Du!! Und nicht täglich umeinander sein dürfen in einem eignen Heim – ja – Du!! Dann gibt es täglich, stündlich so viele Gelegenheiten, da wir uns unsre große Liebe und Verehrung und Zuneigung erweisen können – In Wort und Tat, in Rat und Beistand können wir uns dann treu zur Seite stehn und alles, was wir nur anfassen, es wird dur[ch]sonnt und durchströmt sein vom innigen Glück [u]nsrer Zweisamkeit, unsres Verstehens, unsrer treuen Liebe. Ganz auf uns gestellt sind wir dann, Du!! In freudvollem Schaffen füreinander. Süßeste Heimlichkeit harrt unser – glückvoller Frieden und stilles Warten und Bereiten – Du!! Das alles umschließt dieser beseligende Gedanke an unser Alleinsein im Heime.

Und heute, jetzt noch, da wir unser Elternhaus als unser Heim, unsre Bleibe ansehen, Herzlieb!! Da will ich Dich voll seliger Freude erwarten und heimführen in die Räume unsrer glücklichen Brautzeit, Du!!! Da will ich Dir die wenigen Tage recht viel Liebe, Sonnenschein und Traulichkeit bringen, daß Du froh gewiß wieder zurückkehren kannst, den Frieden mitzuerringen bei dem Gedanken und Bewußtsein: in der Heimat, da ist ein Mensch, der Dir alles bereit hält, was zum Glücklichsein gehört auf dieser Erde; ein liebendes, treues Herz – eine Heimat im engeren Sinne; der rüstet und schafft für das Eigene, daß ich, so Gott will, bei meiner glücklichen Rückkehr aus diesem Kriege, besitzen kann. Dessen möchte ich Dich gewiß machen, wenn Du, mein Lieb[,] bei mir bist. Du sollst in diesen Tagen einmal allen Schmerz des Wartens und der Hoffnung auf ein besseres Leben vergessen, der Dich da draußen in der Fremde oft übermannen will. Und Du sollst ihn nicht nur in diesen Tagen vergessen, die Du daheim bei mir bist, Geliebter!! Du sollst auch Kraft und Zuversicht schöpfen und mit hinaus nehmen in die Einsamkeit, daß sie Dir Deine Tage erhellen möge und Dich Dein Los leichter tragen läßt, bis zur endgültigen Heimkehr! Du!! Du!! Du sollst Dir Kraft und Zuversicht aus der Heimat holen, um den Endsieg in Geduld mit zu erringen – so wie ich mir im Herbste Kra[ft] und Zuversicht bei Dir holte Geliebter, mein Leben, mein Warten daheim weiter zu ertragen. Du!!! Unser Beisammensein – und sei es nur wenige Tage lang – es gibt uns wieder neuen Mut und neuen, festen Glauben – ich habe das schon immer glückhaft und auch so tröstend empfunden – Du bist mir ein Sonnenstrahl, ein heller, lichter, kraftspendender, den ich brauche und liebe aus tiefstem Herzen!! Du!! Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als daß ich auch Dir das Leben und den Blick in die Zukunft hell machen könnte, Herzlieb!! Ich möchte Dich soo gern ganz froh und glücklich bei mir wissen – und auch wieder scheiden sehen! Du!! Und ich glaube, in meiner unermeßlichen, innigen Liebe zu Dir liegt diese Kraft verborgen, die ich Dir spenden kann. Du!!! Du!!! Herzlieb!! Ich weiß, Du kannst Dich auch an mir aufrichten – wie ich an Dir. Du!!! Ich bin so glücklich darüber – Geliebter!!!

Gott segne unseren Bund – er halte uns demütig und dankbar in diesem großen Glücke.

Alle heimlichen und lauten Gedanken über die Vorfreude unsres Wiedersehens kann ich heute nicht verschwenden, Du!!! Es sind noch viele lange Tage bis zur Erfüllung! Und ich muß alles schön einteilen, Du!! Genau so, wie Du mich lieb ermahnst, daß ich meine Arbeit in dieser Vorfreude schön einteilen soll! Du!! Ich folge Dir – bin ganz artig!! Ich fang schon jetzt an!! So vergeht mir die lange Reihe am Kalender schneller, Du!!! Ach!!! Weil es nur Dein Chef weiß, daß Du dran bist mit Urlaub!! Nun ist ja alles gut! Du!! [N]un bin ich ja so beruhigt! Herzlieb!! Und ich will ganz getrost warten bis – ja bis – was wird kommen? In Gestalt eines Telegramms oder Funkspruchs der Urlaub in bestimmter Angabe? Bei uns närrischen, modernen Menschen muß das ja möglichst rasch übermittelt werden! Du!!! Sag? Warum willst Du U.s Telefonnummer wissen? Willst mich anf anrufen, wenn Du in Chemnitz, Leipzig oder sonstwo sitzt und Aufenthalt hast? Also mit Freuden: Amt Limbach Nr. 3218 / U.-H. Aber Sonnabend – Sonntag kannst Du da vergebens klingeln, Du weißt, sie kommen erst montags Vormittag heim aus Franken! Du!!! Ich soll zuerst erfahren von der großen Freude?!!! Du!!! Freilich bin ich Dein [Hilde]lieb u. Dein Herzlieb, wenn es die 2 zuerst wissen dürfen! Wenn ich auch so meist Bub heiße!! Ich bin auch ganz artig gewesen all die Zeit daher, außer „der Landpartie mit Hindernissen"! Du darfst mirs also getrost zuerst sagen Du!!! Ich bins' wert! Hubo!!

Und nun sitzt jetzt mein Dickerle im strengen Winter. Hoffentlich dauert er nicht so sehr lange! Ob Du nun meine Boten bekommen hast, Herzlieb? Ganz gewiß! Bei uns verzögerte sichs auch immer um 1 Tag, als der viele Schnee lag. Ja – der gehört nun bereits auch schon wieder der Vergangenheit an! Denke nur: in diesen wenigen Tagen – seit Montag hat es getaut – ist alle Herrlichkeit vorüber – auf den Straßen wenigstens – nach mühevollem Dazutun! Wie es im Freien ausschaut weiß ich nicht, ich wage mich nicht weiter, als ich unbedingt muß – es ist ein mühsames Vorwärtskommen in dieser Patsche. Gestern hat es den ganzen Tag und die Nacht zuvor herzlich geregnet, das hilft gut nachspülen!

Mag er sich nur austoben, der Winter in den paar Wochen bis zu [De]iner Reise! Ich bin garnicht bang Du!! Wir zwei – wir scheuen nichts, wenn wir zueinander wollen! Und auch der Winter steht in Gottes Hand. Und wie fest ich auf seinen Beistand zu unserm Glück vertraue, Herzlieb, Du weißt es ja. Du!! So fest wie Du!!

Wie ich mich schon freue – Du!! Ich kann es doch kaum noch leise und heimlich, Du!! Ach Du!! Vor Dir kann ich mich ruhig bissel lauter freuen, ja? Du!!! Du erlaubst mirs bestimmt gerne!?! Du freust Dich doch genau so sehr! Du!! Aber zu Fremden sage ich davon nichts – nein.

Bloß die Eltern dürfen sich mit mir freuen, Du!!! Wie nur einer nicht froh ist, wenn er heimkehren darf auf Urlaub? Du!! Das kann ich überhaupt nicht begreifen!! Du!! Ein solcher fand gewiß nicht solch hohes Glück wie wir im Bund der Ehe – für ihn wäre es besser, er würde sich garnicht an ein liebendes Weib binden. Er paßte eher in die Freiheit, in die Wildnis dieser Welt.

Doch – man kennt nicht die Verhältnisse, die Gründe solch eines Lebens, es kann auch an der betreffenden Frau liegen. Ach – es gibt soviel graue Not und Armut in vielen Menschenseelen; man wundert sich, wie sie solch Leben überhaupt noch ertragen.

Geliebter!! Du!! Du und ich!! Wir beide!! Wir kennen unseren Weg – unser hohes Ziel! Ich bange um keine Stunde in der Zukunft unsres Zusammenlebens, daß sie leer und langweilig sein könnte[.] Ich sehe mit Dir so viele Aufgaben froh zu erfüllen! Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes, den wir dankbar wahrnehmen und nutzen wollen – Du sagst es in Deinem lieben Briefe, wie ich es auch empfinde, Geliebter!!

Ein Mensch im Bunde mit Gott kann unmöglich ein armes, freudloses Dasein führen – er ist reich, unermeßlich l [sic] reich. Und das vollkommene, irdische Glück, es ist ihm zuteil, wenn er mit einem Menschen sich zusammen findet in tiefer, inniger Liebe – in restlosem Vertrauen und Verstehen.

Nur wo böse Lust und gieriges Verlangen die Oberhand gewinnen, verschütten sich die feinen und edleren Regungen im Menschenherzen – und so leben die betreffenden Menschen aneinander vorbei, vorbei am Grunde ihres eigentlichen Wesens. Und das ist das Beispiel so vieler Paare heute.

Du!! Daß wir einander fanden!! Und Erfüllung sein können, es ist ein ganz großes, unermeßliches Glück!! Wir wollen es fest- und hochhalten mit aller Kraft, uns zur Freude und dem zum Preise, der es uns schenkte. Geliebter! Wir wollen immer daran denken. Du!!

Ich habe von einem Bekannten aus Oberfrohna gehört, daß ab 15. Februar Urlaubssperre eintreten soll. Ist das bei Euch auch schon angeordnet? Sei nur auf der Hut, Herzlieb!! Damit Du nicht darum kommst!! Vielleicht weiß Euer Chef auch schon von dieser Bestimmung, weil er eigens von Deinem Urlaub anfing. Er möchte vielleicht, daß alle nochmal zu Haus waren, ehe die Sperre beginnt.

Wenn es nach meiner Ahnung geht, Dickerle!! Da kommst Du schon eher heim! Ich hab so einen sonderbaren Trieb in mir, ich mache schon alles bereit, als kämst Du schon wer weiß wie bald! Na – wir wollen abwarten. Aber – melde mir's nur in der Zeit Du!!! Ganz in der Zeit – sobald Du es weißt!! Ja? Du!!! Du!!!!!!!!!!

Gestern, als ich über Deinem Boten saß am Nachmittag, kam der Klempner – er hat das Klosett gebaut. Und als er in U.s Plättstube das Wasser wieder aufdrehte, floß alles aus dem geplatzten Rohr – was wir natürlich alle nicht wußten – in den Abort – alles schwamm – es lief schon über die Schwelle die Treppe herab – da hatte ich eine ganze Weile zu tun, wie der Leipziger Rat. Aber nun ist alles in Ordnung! Deine Wäsche haben die Dösköppe auf der Post mal wieder zu schwer befunden, ich hab einfach die Anschrift auf Frau P. geändert. Sie wird sie Dir bringen. Kann doch nicht nochmal umpacken, die 3 einzelnen Wäschestücke. Ach – immer was Neues u. nichts Gescheits! Aber Du!! Du!! [Du] Sagst mir als einziger was Gescheits' Dickerle!! Und darum bin ich auch heimlich – bloß mit Dir! Ganz ganz tüchtig froh! Du!!! Du!!!!! Gott behüte Dich, mein [Roland]! Er segne unser Vorhaben – er möchte Dich gesund erhalten! Geliebter!! Ich warte auf Dich!! In Liebe, voll Sehnsucht! Ich lasse Dich ein zu mir! Und wenn Du in finstrer Nacht kommst! Ich bin in froher heimlicher Erwartung, in Ewigkeit ganz Deine Holde!

Du!! Ich liebe, liebe Dich! Mein [Roland] !!!!!!!!!!!

 

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946