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[OBF-410117-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 17. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Geliebter!! Mein Roland!! Du mein lieber, guter [Roland]!!

Gestern abend war es wieder mal recht schön in der Singstunde. Wir haben nicht viel vor an besonderen Übungsstücken und so wurde wieder einmal das Volkslied herzugesucht. Welch liebe Erinnerungen stiegen da auf – Du weißt darum, mein Herzlieb! Alle die alten, schönen, bekannten Lieder aus dem „Heim“ und Kaiserliederbuch – bei Dir noch lernten wir viel davon – klangen auf, und am Ende, nach 2 Stunden singen ohne Pause, waren wir alle müde – im Hals! Von Schubert „Wie schön bist du....“ weißt das schöne Lied, das sie an unserm Polterabend sangen – das weckt doch immer wieder bei allen die Erinnerung an unser Fest; sie können es nicht mehr vergessen, meinen sie, den Anblick, wie wir beide Arm in Arm am Fenster standen und hernach herunter gingen zu ihnen. Daß es so schön ausgesehen hat, viel mehr, daß wir zwei so schön ausgesehen hätten, das glaube ich weniger – es war das Glück, Herzlieb!!

Das große, innige Glücksgefühl, daß wir nun einander ganz gehören dürften vor den Menschen – vor Gott – und das war es, was uns strahlen ließ – und verschönte – weil es so von ganzem Herzen kam – so tief innerlich uns bewegte. Du!!

Du!!! Ich war doch so von Glück und Stolz erfüllt, daß ich an Deinem Arme ging, daß ich es war, der Du Dein Herz schenktest. Dein scheinbar kaltes, unnahbares Herz! Du!! Daß ich es war, die Dich besiegte mit einem Herz voller Liebe – wie keine es mir gleich getan hatte von all denen, die Dich auch gerne hatten.

Ich möchte wissen, ob alle Bräute so voll Jubel, Seligkeit und Glück dem Geliebten sich für ein Leben anvertrauen wollen, so von Herzen glücklich alles Kommende betrachtend, wie ich es tat. Ach – was nützte mir es wohl, wenn ich es wüßte? Du!!!

Wenn Du nur weißt, wie ich mit ganzer Seele bei Dir bin, Du!!! Wenn Du nur glücklich empfindest, was ich auch fühle: Es gibt kein größeres[,] herrlicheres Geschenk, als das unsrer treuen Liebe!! Du!!! Mein und Dein!!! Alles ist eins!!

Und aus Deinen Augen leuchtete auch das Glück! Du!! Das Glück, das Dir sagte: mein verlangendes, sehnendes Herz, es hat eine Heimat gefunden, es kann sich geborgen fühlen bei einem jungen Weibe, bei ihm, allein, nur allein darf es immer bleiben. Wenn Fremde auch das Glück aus unseren Augenpaaren lesen, Du! In seiner Köstlichkeit, in seiner Traute und Innigkeit gehört es doch nur uns! Nur allein Dir und mir! Du!!!

Unsere Ringlein, Du!! Daran denke ich eben, als ich es betrachte, das äußere Zeichen unsrer Verbundenheit; Du!!! die sind noch garnicht ganz echt und wahrhaftig unsere Zeichen an den Ta[g] unsres Glückes – unsrer Vermählung. Weißt?, es fehlen ihnen beiden noch die Gravierung, der Datumsstempel unsrer beiden entscheidenden Tage: Verlobung – Hochzeit! Du!!

Das wollen wir doch gleich einmal nachholen, wenn Du heim kommst, ja? Ich möchte gerne, daß wir unsre Ringe zeichnen. Und es ist wohl auch aus einem ganz einfachen Grunde besser, wenn sie gezeichnet sind: darf eines von uns den Ring verlieren – der Finder, der ehrliche heißt das, kann dann nicht mal eine Angabe machen über besondere Kennzeichen. Es könnte sich bei einem ungravierten Ring jeder melden, jetzt, wo Gold so rar ist. Wir könnten uns dann wenigstens ehrlich ausweisen.

Es müßten in meinen Ring Deine Anfangsbuchstaben [R.N.] mit Datum kommen und in Deinen Ring meine Buchstaben [H.L.]. Ich glaube[,] das ist ganz schnell geschehn.

Und noch einen Grund Deiner einfältigen Frau!: Wenn ich jetzt meinen Ring fortbringen sollte, wo Du nicht bei mir bist, das könnte ich nicht. Die Leute sagen dann, nanu, die geht wohl auf Freiersfüßen? Der Mann ist beim Militär und sie geht ohne Trauring aus! Darauf muß ich mich in uns[e]rer Gegend gefaßt machen, Du!! Aber wenn Du bei mir bist, da geht es die Leute ein Schmarrn an, ob wir Ringe tragen oder nicht. Und wenn ich dann ausgehe – Du!! Dann nur mit Dir – ich laß Dich nicht allein – und Du darfst mich auch nicht allein lassen, Du!!!!!

Nun erinnere ich mich auch wieder des Inserats im „Liebesboten“, hieß die Angabe nicht so??? Hab nämlich eben wieder Nackfröscherl [sic] gespielt!! Hm – Nichtschwimmer – ist unerwünscht, schwimmen muß er schon können, das ist nämlich so: wenn sich dieser Mann bei mir zu Haus gut bewährt, dann soll er im Sommer zur Badezeit mein ständiger Begleiter sein; hat auch Zutritt in meine Badekabine, um mir beim Ankleiden behilflich zu sein – wenn – wenn es meine Verhältnisse gestatten, reise ich wahrscheinlich kommenden Sommer noch mal an die Ostsee – dann müßte dieser Mann selbstverständlich auch mit. Die übrigen Vorzüge, die mir da aufgezählt werden[,] gewinnen mein Interesse schon eher!! Über das gefährliche Alter hinaus – kühl bis an's Herz hinan – ich liebe nämlich das Kühle – unbestechlich – verschwiegen wie ein Grab.

Das alles könnte mir wohl zusagen – aber wie gesagt - schwimmen muß er können – er soll mir bis ins weite Meer hinaus Begleiter sein – nicht bloß auf dem Festland. Weißt auch warum? Du?!! Lausbub!!!

Weil mir da die einzige Möglichkeit gegeben wäre, daß er mir mal nicht über wär'!! Jawohl!! Ich hab['] sonst meistens ein ganz klein bissel Angst vor ihm, wenn er so nahe heran kommt und mich so fest drücken will. Ach, Du allerliebster Frechdax!! Gleich hereinkommen zu mir willst [Du], mit Vaters Schlüssel, wenn ich Dich nähme, als Bademeister. Weißt! Wenn einer mit soo viel Forsche herangeht an sein Amt, dann lernt er leicht noch schwimmen! Also – abgemacht: Der Mann darf antreten!! Nur zum Rückenwaschen!!

Geliebter!! Heute kam Dein Bote vom Dienstag bei mir an. Du!! Er bringt mir soviel Sonnenschein und Glück und Wärme mit!! Ich danke Dir mein liebes Herz!! Ich kü[ss]e Dich ganz lieb dafür! Du!!

So viel Boten auf einmal konntest Du gleich empfangen! Weil Du mir froh und beglückt warst darüber – das zu wissen, erfreut mich ja am meisten! Du!! Und 13! Dreizehn Kussel krieg ich? Donnerwetter! da muß ich ein neues Konto eröffnen!!

Von heut' an will ich Buch führen darüber, bis zum Urlaub, das ist wenigstens ein Anfang! Mit einem einzigen macht's doch keinen Spaß! Du!!! Jahwohl!! Deine [Hilde] ist gar nimmer so bescheiden wie am 18. Dezember 1938!!

Du!! Hubo!! Dickerle!! Bitte, bitte – schimpf' nicht so sehr über meine Arbeit – ich übernehme mich schon nicht! Glaub mir nur!! Es bleibt alles in Grenzen, was ich nicht erschaffe, bleibt weg! Ich konnt es auch nicht ändern, daß grade meine Krankheit in die Brikettgeschichte hereinkam – aber nun bin ich doch froh, daß sie im Keller sind. Und ich habe auch nicht Schaden genommen dabei! Du!! Wenn Du bei mir bist! Dann darfst ganz strenge über mich wachen! Ich bin heute ganz kerngesund und munter!! So munter, daß ich Dich bei mir haben möchte!!

Ach, Du!! Dein lieber Brief ist so voll heimlichen Glückes, soviel Liebe bringt er mir. Du!! Und das Schönste!! Er macht mich gewiß, daß wir uns so gut verstehen, Geliebter!! Du verstehst mich ganz – ich verstehe Dich ganz – Du!!! Das ist so schön!!

Und dieses Verstehen, Du! Das kreist – jetzt in der Zeit uns[e]rer Trennung besonders – meist nur um unsre Liebe, um die Geschichte unsrer Liebe – und sie ist es ja auch, auch mit ihrer Fortsetzung, die uns unser Leben lang in Atem halten wird – wir werden nicht müde werden uns darein zu versenken. Und ich kann Dich so gut verstehen, daß Du in der Fremde nichts Lieberes tust in Deinen Stunden, die nur Dir gehören, als Deine Gedanken und Sinne auf die Geschichte unsrer Liebe zu richten und auf unsere Liebe, unser Glück jetzt! Du!!

Mir geht es doch ebenso – wenn man sich fern ist, dann muß man sich immerfort suchen! Du!! Und um das liebe Bild, die Zusammengehörigkeit sich ganz deutlich vor die Seele, vor das geistige Auge zu zaubern, muß man zurückgreifen in die Fülle der wundersamen Erlebnisse, die uns einst ganz gefangen nahmen und ergriffen, man träumt sich zurück und damit ist man in seiner Welt allein, ungestört und wundersam glücklich! Und so sind wir uns glückhaft nahe – bei aller Ferne.

Ich kann Dich nie verlieren – Du füllst mein ganzes Sein aus, Geliebter!!!!!

Und bei allen Worten, Deinen lieben, des Glückes und Einsseins blieb es heute garnicht [sic]!! Du!!! Noch viel reicher wurde ich beschenkt! Geliebter!! Dein geheimnisvolles Paket vom Sonntag vor acht Tagen kam heute auch an. Herzallerliebster!!! Weißt Du? Am besten könntest Du meine innige Freude sehen, wenn Du mich beim Betrachten dieser Herrlichkeiten sehen könntest! Ich bin ja soo beglückt von Deinem liebreichen Geschenk! Du!!! Weißt Du? Wie sehr, sehr Du mich damit erfreut hast? Geliebter!! Geliebter!! Ach – alles, alles ist so wunderbar schön!! Wie aus einer Märchenwelt kommt alles Wunderbare zu mir in meine Einsamkeit – ich sah so viel Zartes, Schönes an kleinen Kunstwerken noch nie – es hat mir noch keiner den Weg dahin aufgeschlossen. Geliebter!! Du bringst mir damit wirklich so viel helle reine Freude! Ganz andächtig sah ich die feinen Gebilde mir an – ach – man wird ja nicht müde zu schauen!! Soviel schöne Sachen haben wir nun miteinander zu bestaunen! Komm nur bald, Du!! Komm nur bald heim zu mir!

Geliebter!! Das Hausfrauenwochenende schiebt sich drohend in den Vordergrund, heut muß ich Deine liebe Hand loslassen – aber nur auf dem Papier!! Du!! Ich halt' Dich ganz fest, bis ich Dich morgen wieder fühle am Tage – morgen bin ich wieder allein, das heißt: bin ich ganz, ganz Dein!!! Geliebter!! Einen gesegneten frohen Sonntag! Gott behüte Dich mir!!

Bleib gesund und froh! Denk auch Du an unsern Kalender!!

Ich sehe nun übrall [sic] nach, sooviel Sehnsucht steigt auf beim Schauen!! Du!! Geliebter!! Ich danke Dir!! Von ganzem Herzen!! Du!!!

Ich liebe Dich!! Du!! In Treue Dein!! Ganz Deine Holde! Dein Bub!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946