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[OBF-410111-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 11. Januar 1941

Herzallerliebster!! Geliebter Du!! Mein lieber, lieber [Roland]!!

Heute ergeht es mir fast ebenso wie Dir. Gleich 8 Uhr am Abend ist's, jetzt erst kann ich mich ganz zu Dir wenden, Du! Heute früh habe ich mit Mutsch gewaschen, Unterwäsche u.s.w.[,] es war eine ganze Menge wieder. Dann muß ich hier erst noch eine Geschichte einflechten; denn deren Übel wurde heute früh mit behoben! Also höre:

Ich sagte Dir doch vergangen [sic], daß Dir Mutsch am Donnerstagabend schreiben wollte, wenn sie allein ist und Ruhe hat. Ich bin nun um 8 [Uhr] in die Pfarre gegangen, Vater in's Bett. Mutsch hatte erst noch die Gummiwärmflasche in ihr Bett gelegt, damit es immer warm würde. Nach einer Weile, es kann gut 1/2 Stunde gewesen sein, will Vater seine Wärmflasche hinüberschieben in Mutters Bett – und wird doch in's Nasse!! greifen. Nun ist er gleich hinüber gestürzt gekommen zu Mutsch, im Hemd: „die Wärmflasche ist ausgelaufen! Komm schnell!“

Nun ging die Räumerei los – ohne Licht! – Alles war naß, Bettuch, Unterlage aus Watte, Auflagematratzen 2 Teile, Kopfkissen, Bettdecke. Mutter hat vollständig das Bett ausgeräumt und die Reservegarnitur von meinem Stübchen hineingetragen, sie war dann so aufgeregt und erschöpft, daß sie keine Gedanken, keine Sammlung zum Schreiben mehr hatte, und spät war es obendrein geworden.

Als ich aus der Singstunde kam, war alles in der Küche vorm Ofen gruppiert – Tisch, Stühle belegt, Sofa, der Ofen obenauf! Mein Gesicht war nicht gerade geistreich, bei meinem Eintritt!! Und ich bin sofort in's Elternschlafzimmer, nachsehen, ob alle noch da sind! Da wurde ich auch schon begrüßt von Mutters Lamentation!

Tja – die Unterlage war hin; die haben wir heute, nachdem sie trocken war, auseinandergetrennt und die Umhüllung gewaschen, sie hatte ja lauter Flecken und Ringe bekommen. Mal sehen, ob wir sie wieder wie erst zusammen kriegen. Lauter unnütze Arbeit! Mutter hat beim Zuschrauben das Gewinde nicht recht getroffen und so ist das Wasser langsam heraus gelaufen. „Wenn das einer von uns gewesen wäre – oh-weh!!“ Das war Papa's und meine Rede.

Na, was geschehen ist, ist geschehn. Aber eines hat sich bei diesem Vorfall wunderbar gelöst!!! Du!!! Eines, das mir so am Herzen lag!!! Die Verdunklung! Ach, Du!!!!! Mein Herz hüpfte ja vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen – im Geheimen! Mutter meinte: "es ist ein Elend in der Schlafstube zu hantieren ohne Licht, da muß 'was geschehn, das geht so nicht mehr fort!" Ja – da war meine [Hilde] dann auch sofort mit noch einigen anderen Begründungen zur Hand, um Mutters Vorschlag noch zu bekräftigen! Also: ich mein die Sache geht klar!!! Dafür werde ich mich noch besonders einsetzen! Du!! Freu' Dich mit mir! Dickerle!!

Und nun weiter: darnach hatte ich Außendienst, Wege gehn. Und nach Mittag, gleich nach 12 [Uhr] bin ich aufgebrochen nach Niederfrohna. Herzlieb! Ich bin nicht bi mit den Schneeschuhen gefahren, ich bin gelaufen, schön vernünftig. Weißt, ich hab so arge Leibschmerzen und wenn ich da so sehr meinen Leib anstrengen muß, beim Langlauf – so beim Ausschreiten, da wird es ja nur noch schlimmer. Und, mein [Roland], Du! Ich habe so sehr an Dich denken müssen, ich will Dich doch nicht betrüben! Du!!

Wenn ich auch im Moment keine merklichen Beschwerden fühle, nach solcher Überanstrengung – aber schädlich ist's gewiß. Und ich will mich ja ganz sehr schonen und gesund erhalten, für meinen lieben, lieben [Roland]! Und nicht allein für ihn! Du!!! Du!!!

Nach 3 Uhr bin ich wieder daheim angelangt vom Hamstergange, mit Erfolg! Mutter ist heute noch einmal nach Mittelfrohna zum helfen [sic] gegangen, sie haben Sondertanzabend. Sie brach um 5 [Uhr] auf. Ilse S. besuchte mich zwischen 4 & 5 [Uhr], sie läßt Dich recht herzlich grüßen! Vater besorgt ihr manchmal eine Batterie für die Taschenlampe, deshalb kam sie diesmal schon bei Tage zu Besuch. Und dann, um 1/4 6 Uhr kam der Rest des arbeitsreichen Tages: Vater durfte sich vom „großen Haufen“ seines Chef's paar Zentner aufladen! Ist doch nett, nicht wahr? Gegen Bezahlung selbstverständlich; aber wir haben uns alle gefreut! Er hat Vater vollkommen verstanden mit seiner Bitte; er solle nur nehmen, jetzt wären noch genug da. Aber er mußte erst die Arbeiter rauslassen, damit keine Geschichten gemacht würden. So bin ich nun 2 Mal mit dem Schlitten gefahren, allemal 2 Körbe drauf. Vater mit. Als Vater dann gegen 7 [Uhr] aus dem Dienst kam, haben wir sie runter in den Keller geschafft, erst hatten wir sie derweil in den Pferdestall geschüttet. Nun ist es doch wieder ein ganz schönes Häufchen geworden; man sollte doch nicht gleich den Mut verlieren, es wird immer wieder Rat. Und wenn man sich ehrlich und vernünftig an einen wendet, der helfen kann, so ist es gewiß nicht ohne Erfolg. Bis wir die 2 Zusatzzentner bewilligt bekommen, kann schon noch eine Weile vergehen. Nun ist uns allen viel wohler, wenn wir in den Keller kommen und an den Winter denken. Nun kann er sich schon bemerkbar machen, noch mehr. Für eine warme Stube langt's wieder. Ich bin so froh!

Ich mochte garnichts mehr anlegen jetzt, immer mehr schmolz der Vorrat zusammen – nichts kam hinzu. Ich hab einen manchen Tag gefroren – bin dann lieber mal raus in die Kälte, damit ich's drinnen wieder etwas wärmer empfinden konnte. Und ich will auch jetzt nicht wüsten, man weiß nicht, wie es noch kommt. Und wenn mein Hubo bei mir ist! Da bleiben wir doch immer abends bissel länger beisammen, da soll's auch recht schön gemütlich warm sein bei uns, Du!! Und wir haben doch dann nicht immer die alte dicke Pumseljacke an – wir beiden – Du!!!? Na – Du weißt ja, wenn bei U.'s im Hause der Kohlenmann war, da muß geschrubbt werden. Vater hat draußen gekehrt, ich habe den Flur, die Treppe und den Keller gescheuert. Durch den angetretenen Schnee war alles eine wüste Patsche bis hinter an unsere Kellertür.

Ach – dann hatte ich's aber redlich satt.

Nun habe ich mit Papa Abendbrot gegessen, meinen Sonntagsbraten angebraten (Kalb- und Schweinefleisch) und sitze endlich vor meinem Bogen. Du!!! Du!!! Ich habe Dich heute auf alle meine Wege mitgenommen, Herzlieb! Ich mußte immerzu an Dich denken, weiß garnicht wie es kam, Du!!

Ich hatte heute so oft, oft das süße Bild vor Augen, Du! Wo ich mit Dir allein, vom Spaziergang nach dem Hafen zurück kommend im Ställchen stand, an der Straße nach Barkelsby, weißt? Du!!! Du!!!!! Ich sah uns immer, immer wieder stehen, Herzlieb!! Ich fühlte Dich! Dich!! So warm!, so süß!, ach, so wonnig süß – und Du!! Es durchschauerte mich jedes Mal so eigen, als ob ich die ganze Wonne eben jetzt wieder spürte. Du!!! Du!!! Es drängt in mir so sehr nach Erlösung!! Du!!!

Ach – Du!! Ich hab so viel Sehnsucht nach Dir!! Du!!! Aber es muß daran wohl liegen: die Rosen im Gärtlein wollen gepflückt sein; sie sind wieder erblüht, ich fühl es, Du!!! Doch diesmal noch müssen sie welken – und noch einmal – Du!!! Und dann? Dann? Da kommt der liebe Gärtner und nimmt sich des Gärtleins an, ach so lieb! Er weiß ja am besten wo es fehlt, er kennt ja die Wege alle, alle, und die Stellen, wo die Rosen blühen, die zuerst gepflückt sein wollen! Du!!! Du!!! Ich vertrau's ihm so ganz an, mein Gärtlein, so ganz!! Ich fühl' mich so geborgen unter seiner Pflege und liebenden Sorge. Ich mag nur ihn leiden, mag nur ihn haben! Sonst keinen.

Und ich will ganz brav und geduldig die Tage erwarten, wo der Gärtner halt nicht kommt, die Rosen zu pflücken – dann ist das Warten wieder ein wenig erträglicher, bis zur nächsten Blüte, Du!!! Die Tage kurz zuvor und darnach, Du!! Die sind am sehnsüchtigsten nach ihm, den lieben Gärtner ausgefüllt!! Dazwischen bin ich merklich stiller, satter.

Du!!! Du!!! Aber manchmal auch nicht, wenn ich ihn gar so lang nicht mehr bei mir hatte!!!

Herzallerliebster!! Du!! Er rückt immer näher, immer näher, unser Tag des Wiedersehens! Ich freue mich soo! Gebe Gott, daß unser inniger Wunsch erfüllt werden möchte.

Gestern abend noch schrieb ich einige Zeilen nach Hause, nach Kamenz. Mutter will den Strickrock schon jetzt haben, nicht erst wenn die Kinder kommen, das dauert ihr zu lange. Und da hab ich ihn heut früh abgeschickt. Ja – unseren baldigen Besuch habe ich daheim angemeldet!! Und meine Mutter, Mutter in der Tat! Sie bat Deine Mutter, daß sie Deine Filzschuhe schicken möge und! Eine Hose! eine Hose! zum rumsitzen! Sie bangt um Deine[n] besten Anzug, der bei uns im Schrank hängt. Ja, die ist tüchtig! Bei Euch daheim werden sie schön lachen darüber!

Einen Drasch hat sie nun schon, wenn ihr Goldsohn kommt! Du! Die ist Dir tüchtig gut. Manchmal werde ich beinah bissel eifersüchtig! Du!! Jetzt sagte sie erst wieder: „Ich möchte meinem höre! meinem [Roland] mal schreiben!“ Ich hab sie bloß angeguckt – und da saß ihr aber schon der Schalk in den Augen! Auf diesen Blick hatte sie gewartet!

Der Papa hat auch seinen Drasch: schreibt nur auch von mir was mit und habt ihr das und jenes erzählt und habt ihr schon geschrieben, daß ich mich über die guten Zigarren gefreut hab, habt doch auch meinen Dank nicht vergessen? Und so geht es fort. ["]Ach – so schreib ihm doch selbst gleich mal paar Worte[",] antworten wir dann manchmal.

["]Ach, mir fällt's so schwer, schreibt's nur dem [Roland], er soll mir's nicht krumm nehmen!["] Alles dreht sich um den lieben Goldsohn, alles!

Mutter will sich nun noch ein neues Deckbett füllen lassen, bis Du kommst, damit wir alle ein schönes, warmes Bett hätten. Sie weiß nur nicht, ob sie ein Inlett bekommt. Da muss man ja einen Bezugschein haben. Den sollen jetzt grundsätzlich nur Eheschließende kriegen. Mal sehn.

Unser Asyl wird das Elternschlafzimmer sein! Ist schon amtlich. Mit unsern Reisewecker natürlich! Sie fragten schon mal so nebenbei hinan, ob es denn auch Mittags [sic] was zu essen gäbe, wenn mein Urlauber da wäre! 'S kommt immer mal so'n Brocken geflogen, Du! R Ku Rührt mich aber nicht! Ich bring's garnicht rrraus [sic]!! Es wäre schon fein und auch für uns beide angenehmer, könnten wir uns an einem Orte niederlassen, in diesen 14 Tagen. Aber das ist unmöglich! Auf beiden Seiten gäb's da Krach! Ach Du!!! Wenn wir nur beisamme [sic] sind, wo das ist, kann uns ganz egal sein! Ja? Du?!!! Schön ist's überall, wo Du und ich sind!

Und unsre beiden Elternhäuser schließen sich beide ganz, ganz auf für uns! Wir werden in jedem so gerne gesehn – so lieb aufgenommen!

Du!! Ich will Dir aber jetzt mal was sagen, darfst nicht böse sein darum, Du!!!!! Bei Euch in Kamenz ist doch nun der kleine Peter da. Er teilt mit uns das Kinderschlafzimmer. Weißt, was das bedeutet für uns? Äußerstes Bravsein! Ja!! Du! Ich hätte keine Ruhe, Du! Herzlieb!! Wenn der kleine, fremde Junge da zu unsern Füßen ruht und – und – wir – – Du!! Du!!! Ich könnt' es nicht, Herzlieb!! Du!!! Kannst mich begreifen, mein lieber, guter [Roland]? Du?? Ich will nur, nur mit Dir ganz allein sein, wenn Du ganz bei mir sein möchtest! Du!!

Ich könnte Dir so nicht mit allen Sinnen gehören! Du!! Und das will ich doch, Du!!! Immer – so sehr, sehr gerne!! Und es ist mir wie eine verlorene Stunde, wenn anderes als Du meinen Sinn ausfüllt. Geliebter!!

Weil ich doch auch immer noch weiter denken muß dabei – Du – Herzlieb! Du weißt, woran! Du!!! Und, da, [sic] will ich nichts Fremdes zwischen mir und Dir wissen und fühlen, mein Herz! Nichts, – nur Dich, nur Dich will ich spüren und aufnehmen, tief – ganz tief in meine Seele. Herzlieb! Das Süße müssen wir uns dann aufheben. Müssen wir. Ob wir es können – ob wir die Kraft haben? Wenn wir uns einander helfen dabei, denke ich, ja. Aber wenn eines die Sehnsucht nicht verbergen kann?, Du!!? Du!!! Es darf aber nicht sein! Du!!! Du!!!

Herzallerliebster!! Mein Geliebter!! Du hast mir nun 2 so liebe, liebe Boten gesandt! Du!! Wie ich Dir dankbar bin, Geliebter!!! Du!!!! Vom Weg unsrer Liebe erzählst mir, hast den Faden weitergesponnen, den ich aufnahm vergangene Tage, Du!!! Es freut mich alles so innig, was Du mir sagst! Geliebter!!

Heute abend aber kann ich mich nicht mehr da hinein versetzen – ich kann nicht mehr, es fehlt mir die Kraft, Du!!! Herzlieb! Du bist ja so lieb mit mir! Du wirst das auch verstehen können. Du!! Es war bissel viel wieder, heute. Und das Kommende, es macht mir doch körperlich wie auch seelisch ein wenig zu schaffen; es beansprucht die Frau mehr als sonst eine Sache. Wie mir zu Mute ist, das kann ich Dir schwerlich beschreiben – es geht eben etwas in mir vor, was mich ganz beansprucht, das fühle ich mal mehr, mal weniger. Es sind nur die ersten Tage, Herzlieb! Sorge Dich nur nicht! Du!!!

Geliebter!!! Du!!! Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich mir! Mein Herz! Mein Leben! Du mein Schatz! Mein Ein, mein Alles!! Ich liebe, liebe Dich!! Du!!!!!!!! Du machst mich so sehr glücklich, mein Herzlieb!!! Ich danke Dir von Herzen für Deine lieben Boten! Du!!! Wie froh und selig will ich ruhen – in Deinen lieben Armen[,] die mich so innig fest umfangen! Du!! Gut Nacht! Gut Nacht! Es liebt Dich ohn' Ende

Deine Holde.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946