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[OBF-410109-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 9. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Geliebter!! Mein lieber, liebster [Roland]!!

Die halbe Nacht bin ich wach gewesen, Du!! und hab an Dich gedacht, Herzlieb! So sehnsüchtig!, ach, so süß! Du!! Hast du es gefühlt? Oder warst Du es, der mich nicht schlafen ließ? Oder hast Du gar wieder Bunkerdienst gehabt, war Alarm? Du Armer, mußt nun so nächtelang rumhocken. Es ist doch wieder allerhand zu Schaden gekommen, bei den Einflügen der Engländer; hier war nichts los.

Ich bin richtig froh, daß Ihr mit Eurer Batterie ein wenig abseits der Stadt liegt, ein Schutz ist das doch schon.

Du!! Hast gestern abend auch die Tanzmusik angehört? Ich hab dabei gestickt, auf dem Sofa gesessen und – mehr an Dich gedacht, als an meine Umgebung, Du!! Mutter wollte schreiben – sie fand aber den Faden nicht bei der [M]usik!! Vater schrieb seine Listen heraus für die kommende Sammlung; er ist dann bald zu Bett – er schippt bei Tage jetzt immer oft Schnee, das macht müde.

Ja, die Mutsch will nun Dir heute abend schreiben, da hat sie Ruhe, ich werde in die Singstunde gehen.

Es gibt doch schon manchmal Reibereien, Du! wegen dem Radio! Jedes hat eigne Wünsche, ach – mir gibt's immer Spaß. Mutter möchte doch nun auch nichts verpassen, sie muß es ein wenig lauter haben als wir – nun wird der Vater bald nervös. "Setz Dich nur gleich bissel hin an den Kasten, wenn 'was los ist, das Du nicht versäumen willst!"

Nein – wo denkst du hin! Ich muß auch bissel was machen dabei! Ich könnte mich amüsieren über die zwei! Bloß gut, daß der Kampf der 3 Geister nur in den paar Abendstunden entbrennt – einen ganzen Tag lang, Du! Ich glaube da würden auch meine Nerven versagen.

Aber ich freue mich darauf, mein Hubo! wenn Du kommst und wirst abends mit mir noch sitzen und lauschen! Aber – allen Hokuspokus hören wir uns nicht an, Du!? Da ist uns dann unser Bettlein lieber, ja? Nur, wenn was besonders Hörenswertes im Programm ist, bleiben wir noch. Oder – wenn wir die Ausrede haben müssen, um noch ein bissel wach zu bleiben miteinander, Du!! Schau – im Schlafzimmer ist doch keine Verdunkelung, da müssen wir gleich fein einschlafen, wenn wir zu Bett gehen, Du!! Mußt mich noch ein bissel angucken, solange wir im Hellen sind! Ich will das auch fleißig! Du!!! Aber, bis dahin ist es ja dann auch länger Tag! Morgens, ehe wir aufstehen, Du!! Da ist's bestimmt so hell, daß wir einander sehen können, Du!!! Ach, Du!!! Wie ic[h] mich so sehr freue, auf Dich!!! Und ich bin schon jetzt ganz aufgeregt, wenn ich an den Kalender entlangsehe – so viel Tage nur noch! Und was ich alles noch vor habe [sic]! Vor allem Groß-Reinemachen! Und Backen! Und alles schön zurecht machen für den Liebsten! Und doch auch jeden Tag schreiben! Und mich freuen nebenbei!! Daß es immer näher rückt, unser Wiedersehen, Du!!! Du!!! Ach – wenn's doch erst soweit wäre!! Aber die Vorfreude ist auch schön, Du!!

Geliebter!! Herzallerliebster!! Du! Du!! Bin erst nach 3 Uhr heute zum Schreiben gekommen – ich habe schon begonnen mit Reinemachen, damit ich mich an den letzten Tagen der Woche bissel ruhiger verhalten kann, weil es besser ist! Du!! Weißt's ja besser als Dein Bub! Der Weg nach Niederfrohna ist gerade genug.

Und nun ist es 4 Uhr vorbei! Du!! Heute nachmittag endlich kamen sie, Dein lieben Boten!! Ich habe gestern den ganzen Tag vergebens gewartet, heute wieder! Und nun?!! [A]ch, mein Geliebter!!! Du hast mir wieder soo, soo viel Freude bereitet!! Du!!! Ich weiß garnicht, wo ich zuerst anfange vor lauter Freude!! Du!!! Du!!!

Wenn Du jetzt bei mir wärst! Da wüßt' ich's schon!!!!! Du! Ich muss dir nun schnell zuerst ein ganz langes, festes, herzhaftes Tintenkussel geben ♥ !!  [siehe Abbildung] Bist zufrieden?

Und ganz fest drücke ich Dich dabei!!! Du!!! Das kann ich Dir halt nicht besser beweisen – dazu gebricht mir's an Talent. Aber Du glaubst mir's, Du!!! Das weiß ich doch, Herzlieb!! 3 Boten hast Du auf einmal bekommen? oh – ich könnte Dich direkt beneiden, Dickerle!! Wer schreibt Dir denn nur so fleißig? Die muß Dir aber gut sein!!

Geträumt hast von mir? Ach Du!! Wenn wir doch besser in Wirklichkeit einmal so beisammen sein dürften! Aber wenn Du so mit Rekrutenhaarschnitt ankämst, Du!! Da müßt ich laut lachen!! Du, ich glaube, Du hast davon träumen müssen, weil die kleine Magda Dir so eindringlich das Haar ihrer Puppe zeigte, am Nachmittag! Nun hast Du es bloß von vorne sehen können, weil die Puppe ja noch im Karton war und das Bild hat Dich bis in den Traum verfolgt. Ich hatte ein helles, lichte Kleidel an? Du! Das war sicher ein neues! Übrigens, Dickerle! Gestern abend habe ich wieder mal mein Brautkleid betrachtet. Ich überlege immer wie ich's mache: entweder, ich lasse es so wie's ist und färbe es irgendwie dunkler - oder ich trenne es auf, wasche mir's schön und arbeite ein duftiges Sommerkleidl draus – in Weiß. Wie denkst Du? Rate mir doch mal, Du!! Es muß ja Dir auch gefalle[n!] Achso – ich würde diesmal einen Halsausschnitt in abweichender Form riskieren!!!

Und das Guschel hab ich aufgesperrt? Na – wenn ich Dir doch soo zum Fressen guuut bin!!! Ach Du!!! Du!!! Da soll nun einer ruhig sitzen und schreiben! Wenn vor mir soo viel Süßigkeit liegt! Du!!! Du hast mich so sehr lieb, mein Herz!! Du!!! Wie Du mich glücklich machst!!!!! Du!!!!!

Komm!!! Komm!!! Ach — komm bald zu mir! Geliebter!!! Ich will kein süßes Mannerli, hab ich geschrieben? Du!! Da bleibt mir doch gleich wieder was aufstehn!

Das weiß ich doch garnicht mehr, und ich muß staunen! Du!! Aber, Du!! Ich will Dirs nun sagen: Ich mag schon ein Süßes, Du!!! Bloß im Großen und Ganzen darf es nicht süß sein! Weil ich das nicht leide. Ja! Nicht leide. Bloß wenn ich mit ihm allein bin – dann darf es süß sein! Wenn's das nicht will! Du!! Dann werde ich giftig – aber ganz sehr!

hättest [sic] mich gerne besucht, wo ich so allein war? Ach ja – soo viel Schnee war ja noch nicht ganz wie heute, (es schneit heute wieder, was vom Himmel herunter kam) aber ob Du auf dem Erdenwege hier her [sic] gekommen wärst, das möchte ich bezweifeln! Mußt gleich mal mit dem Flugzeug kommen – wenn Du mal so große Sehnsucht hast!! Oh – ich fürchtete mich nicht vor Dir!! Und wenn Du in Nacht und Nebel kämst – und ganz vermummt! Sag nur ein Wort, daß ich Dich einlasse, Du!!! Sonst darf kein männliches Wesen zu mir herein! Ich würde Dich doch dann gleich erkennen und wenn Du Deine Stimme auch ganz verstelltest, Du!!

Wir kennen es ja bloß miteinander allein! Du!!! Es ist unsre Parole von Barkelsby!! Und nun lese ich weiter – und da steht der Wunsch von der Verdunkelung!!! Und da habe ich Dir nun auch einen Artikel umsonst darüber geschrieben, Du!!

Weißt? Ich rate immer noch mit mir, wie ich's denn anstelle. Ich schäme mich so sehr, wenn ich zur Mutter was sage, von wegen Verdunklung! Verstehst du mich? Ich würde dabei so rot werden, wenn sie sagt: wozu braucht ihr denn im Schlafzimmer Licht? Ach, es ist eine verflixte Sache. Weißt: Ich besorge blaues Seidenpapier und da wickeln wir abends die Lampe darin ein, die Rollos' ziehen wir runter – natürlich muß da mal eines runter gehen und nachprüfen, ob man uns so schnappt, eines[,] was recht gut sehen kann[,] geht mal runter, hm?!! Die Eltern brauchen davon garnichts zu sehen, das machen wir wieder ab allemal. Ach, weißt? Das ist ja eigentlich solch geringe Sorge, aufs Ganze gesehen! Wenn Du nur erst mal da bist!! Du!!! Das and[e]re wird sich alles, alles finden, Du!!!

Essen soll ich für [ei]ne Woche voraus kochen? Du Schelm! Wenn Du als "gefeierter Urlauber" eine Woche lang mit Aufgewärmten vorlieb nehmen willst?!!

Du!! Ich will Dir mal was sagen: Und wenn ich Dich noch so liebe habe, noch so sehr lieb! Aber etwas Vernünftiges zu essen ist schon was wert, ohne dem nützt mir alles Gutsein nichts; denn da müßte ich mir immer sagen: ach, bloß nicht aus dem Bettlein kriechen, es gibt ja einmal nischt Gescheits' [sic] zu essen! Nee – Du! Die Liebe geht durch den Magen – auch bei Dir, das weiß ich ganz genau!!!

Von den Kohlen hab ich Dir bereits geschrieben; aber Papa will den Chef fragen, ob er uns paar Zentner verkaufen möchte, er hat uns schon mal welche gelassen. Nur nicht zu sehr sorgen – es muß doch alles ein Geschicke kriegen!

Wenn alles nichts nützt – na – dann bleiben wir eben immer im Bett und wenn wir Hunger haben, da gehn wir aus – so ist's ja in modernen Ehen heutzutage auch. Fragt sich nur, wie lange uns das gefiele!

Auch du klagst über Schreibschulden, Armer! Bei Dir ist's noch schlimmer als bei mir, wegen der knappen Zeit. Aber wenn ich schon Zeit mir nehme, Du!! dann bin ich so engherzig mit den anderen, die ganz große Spanne Zeit, die gehört doch immer meinem Herzlieb!

Tust recht daran, wenn Du dich gleich in die Schreibstube verkrümelst! Darfst da ohne Erlaubnis sitzen? Sind da auch immer Wachhabende drin – Tag und Nacht?

Ach Du!! Es wird doch auch schön sein, wenn wir uns mal nicht mehr alles aufschreiben müssen, was uns bewegt! Freust Dich ja genau so sehr darauf wie ich, Du!!! Mein Lieb!! Gott schenke uns Kraft, getreulich auszuharren und Geduld! Möchte er uns bald, bald gesund zusammenführen, Herzlieb!! Herzallerliebster!!! Du denkst wie ich: Und wenn ich vergehen müßte vor Sehnsucht – so schreibst Du – Liebe und Treue zu Dir können nimmermehr wanken. Du!!! Geliebter!!! Eins sind wir – so ganz eins!!! Ach, wie reich, wie reich wir sind, Du und ich!!

Geliebter!! Daß ich Dir soviel bedeute, daß ich eines Mannes Herz so ganz erfülle, Du!!! das war mein schönster Traum. Und nun ist er Wirklichkeit geworden! Und einem so lieben, treuen, edlen Menschen darf ich alles sein!! Wie tief das doch beglückt!! Du!! Geliebter!!! Ich bin Dein!! Mein ganzes Leben ist Dir geweiht – ich gehöre Dir mit Leib und Seele! Du!!! Ich liebe Dich!! Ich liebe Dich mit aller Kraft und Innigkeit, deren nur ein Frauenherz fähig ist!! Mein Herz – nur Dir mag es gehören – nur Dir allein schlägt es, immerdar in Liebe, in Treue, in inbrünstiger Sehnsucht! Du!! Ich bin Dein!! Du!! Ganz Dein!!

Herzallerliebster!! Mein Glück!! Meine Sonne!! Mein Leben!! Ich bin dir verbunden in Ewigkeit!! Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich mir gesund und froh!! In Dankbarkeit und Liebe ganz

Deine Holde.

Die Zeit drängt, der Bote muß noch mit fort – morgen geht es weiter!! Du!!!

 

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946