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[OBF-410108-002-01]
Briefkorpus

­­­­­­­­­­­­­­­­Mittwoch, am 8. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Geliebter mein!! Du mein lieber, lieber [Roland]!!

Das Wetter ist heute gar wunderlich. Nebel, Feuchtigkeit – und sowie sich die Feuchtigkeit niederläßt gefriert alles. Es wird ein gefährliches Fahren nun auf den Straßen. Schnee fällt seit gestern nicht mehr. Meine Bretter stehen im Stall, sie warten. Aber da können sie schon immer Geduld üben, ihre Herrin hat keine Erlaubnis von ihrem Herrchen bekommen, zu fahren: D.h. in den nächsten Tagen nur nicht, besonderer Umstände halber! Und sie ist ganz vernünftig und folgsam, sie versteht Herrchens Sorge recht. Du!!! Es muß auch nicht sein dann; da bin ich schon früher vorsichtig gewesen. Aber vielleicht muß ich am Sonnabend doch noch einmal zur Bauersfrau nach Niederfrohna fahren! Vater hat bis abends 600 [Uhr] Dienst, ich mag ihn dann nicht noch da hinunter laufen lassen, es ist ja so beschwerlich zu gehen bei diesem Schnee. Und Sonntag darauf muß er früh sammeln gehn. Das dauert mich. Und Butter brauchen wir aber auch! Also werde ich ganz langsam fahren, ich nehme mir Zeit.

Du willst Dir auch noch solche Hasenfüße kaufen? Bloß um mal den Jäger zu spielen und mich zu fangen? Du!! Fein!! Das wird einen Spaß geben! Da müssen wir aber dann auch einmal in die Berge fahren, Herzlieb! Danach sehne ich mich: wir zwei in den winterlichen Bergen, im warmen Sonnenschein, losgelöst vom Alltag, ganz der Schönheit hingegeben – Du und ich – abends dann in der Skihütte, meinetwegen auch mit anderen noch zusammen, am warmen Ofen sitzen; meist wird dann ein wenig musiziert, gesungen – und wenn der Mond aufgegangen ist, dann wollte ich mit Dir ganz allein die Nacht schauen, wunderschön stelle ich das mir vor. Ich habe schon so oft gelesen davon, wie herrlich die Berge im Winter seien. Aber, Du!! Das sind ja Friedensgedanken! Die müssen nochmal zurück in den Kasten!

Eines kann ich ja immer tun, um zur Verwirklichung meines Wunsches beizutragen! Du!! Sparen! Was dann draus wird, ist ja letzten Endes gleich: Sommer- oder Winterreize! Aber jedenfalls muß es unsre versäumte Hochzeitsreise sein! Du!! Weißt? Wir sprachen doch schon einmal darüber, ob wir nicht doch mal mit  Ellfriede und Hellmuth zusammen reisen wollen. Das wäre bestimmt sehr nett und lustig! Aber, Du! Will ganz ehrlich sein:

Da wäre ich eifersüchtig. Jawohl! Ich will Dich allein! Ich will Dich nur für mich allein haben! Du!!! Wenigstens auf unsrer ersten Reise. Kannst das verstehen? So gerne ich die beiden hab, aber ich gönne ihnen Dich nicht! Jetzt nicht, wo ich Dich so sehr liebhaben muß! Du!!

Wenn ich mal älter bin und wenn ich Dich dann nicht mehr ganz so sehr lieb haben sollte wie jetzt, dann können wir ja mal zu vieren reisen. Ja – das ist überhaupt eine heikle Sache, wenn es bloß nach dem Liebhaben geht, Du!!! Da können wir unser Lebtag nicht in Gesellschaft verreisen! Du!!!!! Du bist bloß mein!!!

Was machen wir denn da?

Wenn Du Deinen Urlaub einreichst und man stellt sich etwa dumm an, hartleibig! Du!! Dann erinnere die Herren getrost an das gute Recht Deiner jungen Frau! Ja – wenn alles nicht hilft, dann darfst sogar auf unsre grausam zerstörten Flitterwochen hinweisen – Du!! Da brauchen wir uns garnicht zu schämen! Die reden ja auch offen und ehrlich mit Euch Soldaten! Nur nicht hin in’s Mauseloch kriechen! Das ist falscher Stolz. Und wenn es gilt unsre Sehnsucht zu stillen, dann tun wir alles, Du! Alles, was in den Grenzen des Erlaubten steht! Ich bin auch so. Du!! Wieder habe ich zwei Pakete bekommen, eines von E.: Darin war ein allerliebstes Gedeck aus bemaltem Ton, 2 Karaffen, je für Essig! und Öl, ein Senffäßchen und ein Krügel, das kann man zu Soßen nehmen – es ist wie eine Menage, (weiß nicht, wie man mit einem guten deutschen Worte dafür sagt!) die man gleichzeitig zum Aufbewahren des Inhalts und auch zu Tische nehmen kann. Ich hab mich gefreut darüber, ob Dir’s jedoch gefallen wird, weiß ich nicht. Sieh Dir’s nur erst mal an!

Und von Frau Sch. aus Löbau (eine Bekannte von Mutter) kamen ein Paar Filzschuhe, so ähnlich wie Deine Mutter hat, hohe, gefütterte. Die sind aber für meine Mutter bestimmt, Deine Mutter hat sie nur von Frau Sch. für ihre Schwiegertochter besorgen lassen! Das ist die Geschicht´! Wir brauchen keinen Bezugschein dafür und so hat mir Mutsch gleich noch Paar von B. Schuster für mich geholt; auch schöne, hohe, mit Reißverschluß; auf ihren Bezugschein. Nun stecken wir beide schön warm an den Füßen. Herr P. von der Wollstrickfabrik aus Mittelfrohna war in letzter Zeit paarmal bei mir. Er brachte für Mutter einen Strickrock, -Schlüpfer und Strümpfe wollene, für mich auch Strümpfe u. Schlüpfer, für Deine Mutter noch einen Strickrock, später bringt er auch noch Strümpfe. Ist doch schön von ihm, ja? Denk an, alles ohne ::: [sic: Kleiderpunkte]!! Wir nur dürfen´s nur keinem sagen! Du!! Dein Frauchen sitzt jetzt z.B. in wollnen, gestrickten Strümpfen u. hohen Filzschuhen da und schreibt ihrem Mannerli! Bin ich nicht brav?

Vorhin habe ich unsre Briketts gezählt, 206 Stück! Da kannst Dir ungefähr ausrechnen, wieviel Stück ich am Tage verfeuern darf, wenn wir bis zum März langen sollen mit dem zugeteilten Brennstoff!!! Kein Mensch kann damit reichen, wenn er nicht frieren will. Andre laufen auch nach Anträgen zum Rathaus. Morgens feuere ich vor 11 Uhr garnicht ein, ich mache Kaffee u. das Nötigste auf Gas, besorge erst meine Zimmer und draußen und dann, wenn ich nicht mehr so viel umherlaufen brauche, feuere ich erst ein, damit es wenigstens warm drin wird. Ich muß mich eben warm anziehen, anders ist es nicht möglich Feuerung zu sparen. Aber wenn wieder strenge Kälte kommt, da kann ich es nicht den ganzen Vormittag ohne Feuer aushalten. Hoffentlich haben wir bis dahin die 2 Ztr. auf unsre Zusatzpunkte genehmigt bekommen.­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­ Es ist manchmal zum ....!

Am Sonntag bist mal bei P. gewesen. Es ist eine Schande die Verhältnisse da. Die Kinder, die armen, die tun mir so leid. Ich kann nur mit dem Kopfe schütteln über das, was Du mir von Deinen Eindrücken und Bildern das schilderst.

Ach, der böse Krieg beschwört viel Not und Schande herauf. So haltlos in der Moral könnten doch die Menschen bei geordneten Lebensverhältnissen nicht werden. Ich glaub es nicht. Aber die Schande bleibt doch, wenn auch dieser Krieg ein Ende nimmt. Wer weiß wieviel Unlauterkeit noch ans Licht kommt hinterher. Wie traurig, wenn unschuldige Kinder in solcher Luft aufwachsen müssen. Liebster, was Du mir in Deinem letzten Briefe von der Aufgabe des Elternhauses sagst, es ist so unendlich wertvoll. Wie gewissenlos jedes Elternpaar, das sich dieser hohen Aufgabe nicht bewußt ist. Wie schädlich auch auf die Gesamtheit eines Volkes gesehen, wie unfruchtbar. Mein [Roland]! Wie wollen gemeinsam gleichen, festen Schritt halten, wenn wir einst vor diese Aufgabe gestellt sind. Mir ist an Deiner Seite nicht bange, das Rechte, das Gute zu erkennen. Wir werden uns gegenseitig helfend und in Rat und Tat zur Seite stehen. Und wir wollen Gott bitten, daß er uns die Kraft und die Reife schenkt, einst unseren Kindern gute Eltern zu sein. Wer im Herzen gut und wahrhaft und treu ist, der kann doch garnicht in die Irre gehen und Schlechtigkeit nähren. Du!! Wir sind rein von Schuld und Laster und unsre schönste und höchste Pflicht ist es, uns diese Reinheit zu bewahren, zum Segen für die Pfänder unsrer großen Liebe, Du!!! Herzlieb!! Mein Geliebter!! Mein guter, lieber [Roland]!! Du bist mein ganzes Glück!! Mein Ein und Alles!! Ich denke immer nur Dein, voll Sehnsucht!! Voll zärtlicher Liebe!! Geliebter mein!! Ich liebe Dich!

Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich gesund und froh! Ich küsse Dich, Du!!! Ich gehöre Dir so ganz, mit allem, was ich habe!

Du!!! Du!!!!! Ich bin Dein! Deine [Hilde]. Deine Holde.

Und Du bist mein!! Mein!!!!!

Herzlieb!! Eben war Frau G. bei mir und brachte mir die bestellten Bilder für die Verwandten. Sie läßt Dich recht herzlich grüßen und ihr Herr Gemahl ebenfalls!

3 Wäschepakete sind unterwegs, an Dich, Feldpost 2 – 1 an Frau P., das war zu schwer.

Du Geheimnisvoller!! Hast ein Päckel fertig gemacht am Sonntag? Willst nicht’s verraten? Wenn ich nun schon weiß? Du!? Dickerle!! Briefpapier!!! Du!? Stimmts?

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946