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[OBF-410107-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 7. Januar 1941.

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe, liebste [Hilde], Du!!

Schon ist mein Dein lieber Bote von gestern in meiner Hand. Ja, ja, das Schicksal schreitet schnell – nun weiß auch ich es schon - von Dir selber – nun stehst vor mir und wartest, was ich sage. Kannst Dir wohl denken, welche Geschichte sich mir am meisten aufdrängt.

Ich runzle nicht die Stirn – ich zanke auch nicht - Deine Strafe hast ja schon weg – die Schreibschuld, in die Du gerietest mit Deinen Brettern,- [sic] gilt als begleichen – ich weise Dich nur mit meinem Finger auf die beiden Stellen aus meinen Boten, die Dich unterdessen erreicht haben werden – Herzlieb! Denk an mich und betrübe mich nicht! Ich gönne Dir Dein Vergnügen von Herzen – ich würde es so gern mit Dir teilen - aber dieser abnorm hohe Schnee ist eine Gefahr. Gestern schriebst Du noch, Du wollest vor Dunkelheit daheim sein – und nun seid Ihr erst um 7 Uhr aufgebrochen – wie nennt man das? Siehst, nun zanke ich doch, ich kann nicht anders, ich muß meinem Herzen Luft machen, es zittert noch so. Du!!

Aber dankbar bin ich Dir, daß Du mir alles erzählst, wie es herging. Viel zu spät seid Ihr abgefahren von Hause. Mir war lieb zu wissen, daß Du eine Sportkameradin gefunden hattest – wie notwendig, daß man einander kennt – damit man sich nicht übernimmt – wie leicht sonst eine Kameradin zum Hemmschuh werden kann. Ja, nun soll ich auch alle Schönheiten mitschauen, die Dich entzückten, soll mich mit Dir freuen, läßt mich ja an allem so lieb teilnehmen, und fleißig gedacht habt ihr meiner auch – aber freuen kann ich mich erst morgen, leichtsinniges Skihaserl!

So reich bedacht war ich wieder mit Post heute: Einen Brief von Vater, 2 Karten und ein Brief vom bösen Skihaserl, und ein Paket von meiner lieben, lieben [Hilde]! Und die Strümpfel alle wieder fein sauber gewaschen und gerollt und geschichtet, Und [sic] alles so lieb gelegt und verpackt – ich habe jedes Stück als einen lieben Gruß und als ein Zeichen Deiner Liebe empfunden – und stolz bin ich auf Dich! Du!! Ich danke Dir so sehr!! Wenn ich die Butter behalte, so heißt das nicht, daß ich sie brauche. Ist wohl von der, die Du selber geholt hast? So viel Touren hast das ganze Jahr noch nicht gemacht wie jetzt mit den Bretteln – Du Schlingel! Also hinaus schon ins Freie, aber irgendwie sportlich. Na wart nur. Im Sommer: Stock, Gamshut, Rucksack mit 20 Pfu[n]d, Kartentasche, Fernglas, Fotoapparat – das wäre wohl nicht sportlich? - und denn so von Lichtenhain über den Winterberg - Prebischtor - Rainwiese nach Herrnskretschen.

Nein, ich freue mich, daß Du so an die frische Luft kommst, beneide Dich beinah ein bissel darum, dann frierst auch nicht so zu Hause und vergißt das lange Warten und findest einen Ausgleich. Daß Du mir dabei zu stark wirst, fürchte ich nicht. In den Beinen hat Dein Dickerle viel Kraft – in einem Winter kannst das nicht aufholen, und im nächsten will ich doch dann dabei sein. Ja, ja, ich will, Du!! Weißt, vor 2 Jahren im Winter habe ich mich in Lichtenhain versucht – und mich gar nicht so ungeschickt dabei angestellt. Vielleicht könnte ich mir noch dies Jahr paar Brettl kaufen, wenn ich heimkomme? Mal sehen – mal drüber schlafen. Vom Heimkommen schreibst mir: Ja, auf Besuch nach Kamenz, so dachte ich mir, und dann wieder zu Dir nach Hause, um mit den Eltern ein Wochenende zu verleben (einen Sonntag über in Kamenz, einen Sonntag über bei Euch, bei Dir). Von Chemnitz komme ich dann auch in einem Tage wieder heraus, von Kamenz nicht. Unruhig wird dieser Urlaub ja dadurch – am liebsten tät ich mich ja ohne jeden besonderen Plan 14 Tage auf einem Flecke niederlassen – aber das geht ja doch nicht an – und wir werden uns diese Reise ja ganz bequem machen: Komm ich heut nicht, komm ich morgen, ist der eine Zug verpaßt, warenfahren wir mit dem nächsten, ist die 3. Klasse überfüllt, steigen wir in die zweite, bleibt der Zug stehen - - - - ist uns alles gleich und recht, wenn wir nur zusammen sind – ja? Wenn Du nur bei mir bist, Du!!!!!

Ob wachend oder schlafend – Dein [Roland] wird Dir nicht von der Seite weichen. Warum soll er denn nicht sehen, wie sein Lieb schläft? Sag mir das doch mal! Du!! Lausbub nennst Du mich deshalb – weißt nicht [g]anz, was Du dabei denkst – Dummheiten – weiß nicht, weiß nicht – ich war ganz ohne Arg dabei – nun sinne ich auf Dummheiten, und überlege – will mein Evchen den Hubo erst daraufhinweisen mit seinem Theatergroll und Theaterdrohen? Hm? Schlafsack, Anbinden, Popo - - - zu Dummheiten erst verführen? Hm? Mein Herzlieb überfallen im Schlafe? - Nein - - das möchte ich wohl nicht - - - Aber streicheln, ganz lieb und leis, und fühlen, daß es noch da ist — und sehen, wie es träumt, wie es im Traum sich sehnt vielleicht – das möchte ich wohl. Was könnte daran Strafbares sein? Na, ich werde hören. Im übrigen wäre mir vor den Strafmaßnahmen auch gar nicht bange. Abgesehen von ihrer Durchführbarkeit (Anbinden) – das gefesselte Bübchen bekäme wohl bald Besuch und ohne sein Zutun mehr zu sehen, als es sehen sollte — Besuch von seinem neugierigen, unruhigen Schwesterbübchen – was es wohl wollte? - weiß nicht, was an dem gefesselten Bübchen Fesselndes ist – aber die Kapuze würde sich bald lüften – und der Schlafsack wäre wohl bald ein Schlafsieb – zwei Händchen langten heraus, und zwei hinein - - - - - - . Du!! Schabernack!

Das [siehe Abbildung] hat die Probe, die Du vorschlägst, schon mehr Boden unter den Füßen – sie wurde seinerzeit in Ermanglung eines geeigneten Schalldämpfers abgebrochen – Schalldämpfer für oben und unten – weißt? Aber ich schlage Dir vor, fein der Reihe nach, sonst kommst zu schlecht weg!

Ja, Du hast gar ein böses Mannerli!

Du fürchtest seine Schwäche, paradox ist das. Die Schwäche Deines Mannerli? Er hat sie brav gestanden: Er will sein liebes schönes Weiberl gern sehen. Hat denn mein Weiberl auch schon brav gestanden? Hat es auch eine Schwäche? Eine, mit der ich mich revanchieren könnte? Ich besinne mich eben gar nicht. Mußt meinem müden Gedächtnis ein bißchen aufhelfen.

Herzlieb! Die Zeit ist wieder um. Du hast mehr davon als ich. Ich wünschte, ich hätte soviel wie Du! Zeit und mehr noch Stille. Ich bin wieder in die Schreibstube gegangen. Es ist zu laut und [zu] eng in der Stube abends – und zu einer gesteigerten Konzentration ist man zu müde abends. Ich bin gut fertig geworden mit allem bis jetzt. In 8 Tagen kommt der Kamerad Sch. schon wieder von [sic] Urlaub.

Dein Hubo ist umernannt worden – es ist zunächst ohne jede Bedeutung. - er wird jetzt geführt als Matrose X d.R. (X= Laufbahn 10 [Schreiber] d.R.= der Reserve). [Sic: siehe Abbildung] Über das d. R. ich mich ganz sehr freuen, wenn es etwa bedeutet und besagt, daß ich recht bald nach Haus kommen kann zu meinem Herzlieb, zu meinem Sonnenschein, zu meinem herzigen Bub und goldigen Mädel (keine Sorge, ist alles dieselbe Person), zu meiner geliebten [Hilde]!! Du!!! Nimm mich immer mit auf Deine Fahrten, Du!!! Du!! Deinen [Roland]!! Du mußt ihn ja mitnehmen! Du kannst ihn ja nicht betrüben! Nimmermehr!! Und wenn mein Bote Dich erreicht: weißt, dann beginnt das Startverbot!

Gott behüte Dich! Er schenke Dir Kraft und Geduld – und mir auch! Du!!! Ich bin Dein lieber, treuer Bub!!! Ich liebe Dich so sehr!!

Du!!! Ich küsse Dich! Ich liebe, liebe Dich!! Meine [Hilde] Du!!! Mein!!! Ganz mein!!! Ich weiß es und bin so glücklich darum!!! Du! Geliebte!!!!!

Bitte grüße die lieben Eltern!

 

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Einordnung
Hilde Nordhoffe steht auf einer Aussichtplattform auf einem Berg. Sie sieht in die Kamera, im Hintergrund ist eine weitere Person zu sehen.

Ba-OBF K01.Ff1_.A12, Hilde Nordhoff, 1938, Aussichtsplattform Prebischtor, Fotograf wohl Roland Nordhoff.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946