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[OBF-410106-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 6. Januar 1941.

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe, liebste [Hilde], Du!!!

Auf diesen Montag habe ich so gewartet – und gefreut mich – weil ich wußte, daß Deine lieben Boten kommen würden – Aber nun war das Glück so übergroß – denk, 3, drei Boten auf einmal – soviel Glück an einem Tag, soviel Freude, soviel Sonnenschein – und so viel Liebe, Du!! Du!!! Herzlieb! Du! Ich glaube wir müssen sie noch ein wenig dämpfen, sie ist schon zu groß. Du!! Letzte Nacht habe ich ganz süß geträumt von Dir! Ein paar Nächte kann ich schon nimmer recht schlafen – bin aber tags auch nicht müde, nur ruhelos – [w]eißt, das sind die gestauten Säfte – und wenn es dann am ärgsten ist, dann bin ich einen Tag so ganz verschlossen, unzufrieden mit mir selbst, das war gestern – und gestern abend [sic] mußt['] ich doch nun aufgeschlossen sein, als ich Dir schrieb – und die Schlaflosigkeit hat nun zu einer kleinen Überreizung geführt – daß ich Dich ganz lieb haben mußte! Du!! Du!!!! Ein ganz kurzer Taum war's, er hat mich nicht recht befreit – und heute ist die Sehnsucht nur erst recht groß. Geliebte!! So groß – und nun noch Deine lieben Boten! Ja, und der Traum: Es war am Tage der Hochzeit, nein vor der Hochzeit – und Dein Hubo hatte einen so ulkigen Haarschnitt (!), kahl, nur vorn eine [To]lle (so sagt man wohl), auf dem Sofa saßen wir – und Du hattest ein helles, lichtes Kleidl an, aber das Hemdl war es nicht, Du!! Aber Dein Mündchen hast sooo weit aufgesperrt, als wolltest mich fressen vor Liebe!! Du!!

Daß Du Dich so gefreut hast! Und daß Du es empfunden hast, wie so lieb und treu ich es mit Dir meine, Geliebte! So lieb und treu! Du! Ich hänge so an Dir! Du! Ich verlange so nach Dir! Du! Du!! Ich liebe Dich so sehr!

Ich möchte – ich möchte Dir so ganz ganz nahe sein – ganz, ganz allein mit Dir – Dich mich ganz mit Dir allein wissen – und möchte – möchte dann so tief und innig in Deinem lieben Schoße ruhen! Geliebte!! Geliebte!!! Du!!!!! Neben mir liegen die drei Boten. Keinen mag ich hergeben – aber der Dicke ist mir der liebste. Ein paar mal habe ich ihn schon gelesen. Gleich will ich ihn noch einmal vornehmen, will sehen, ob ein[e] Frage darin steht; denn die habe ich fürs erste überlesen – habe nur erst nach den Küssen gesucht und den Süßigkeiten. Da fällt mir eben ein, daß Du schriebst, Du wolltest gar kein süßes Mannerli! Du! Mich, Deinen Hubo, wirst nicht wieder los, und wenn Du ihn süß nicht magst, dann stellt er sich eben sauer. Und nun willst ihn doch schon wieder mit sooooo viel Süßem füttern, Herzlieb! Du Dummerle! Brauchst doch ein ganz süßes naschhaftes Mannerli – Du Süßes, Liebes! Du selber hast ja Dein Dickerle erst naschhaft gemacht, Du!! oh Du!! Evchen, verführerisches! Magsts ihm nun langsam wieder abgewöhnen! Ach Herzlieb! Ich sehe nirgends eine Frage – sehe nur Freude, und Liebe, und inniges Verstehen, und Sehnen – Herzlieb!! Keine Frage und kein Zweifel ist zwischen uns – seliges Einsseh Einssehn Einssein nur und Verstehen.

Geliebte!! Geliebte!! Nun habt Ihr so viel Schnee! Du! Herzlieb! Jetzt darfst aber ungebahnte Wege nimmer allein fahren, Du! Du!! Hörst mich? Es ist zu viel Gefahr dabei! Wirst schon vernünftig sein! Ja? Du!! Nun haben wir beide so allein gesessen am Sonnabend. Herzlieb! Wie gerne wäre ich gekommen! Hätte mein Herzlieb gefangen! Mumm mumm mumm - jetzt kommt das böse Mannerli – und – und – mein Herzlieb hätte sich gar nicht gefürchtet und gesträubt – Du!! Du!!! Oft noch werden wir so allein sein dürfen – und bald, bald auch wieder einmal im Dornröschenschloss! Du!! Denkst noch an meinen Wunsch vonwegen Verdunkelung? Du!! Wielange werden wir denn früh dösen und schlafen? Bis ich mein Lieb richtig sehen kann - oder bis der Magen knurrt, Du!! Mußt gleich das Essen für eine Woche vornweg kochen. Du schreibst, daß die Kohlen schon alle sind? Was soll da werden? Schreib mir davon ausführlich, Du!!

Also war es doch richtig, daß ich Dich nicht ganz verstehen konnte in Sachen Mittelfrohna. Daß Dich der Onkel beleidigte, konnte ich nicht wissen. Erzählst mir's mal, Herzlieb! Ja? Nun tust Du auch recht, daß Du Dich einfach unten nicht mehr sehen läßt.

Ein Paket bekam ich heute, einen Adventsgruß von [zu] Hause, abgeschickt am 12. Dezember! Streuselkuchen und Schokoladenkuchen ist drin – und der schmeckt gut! Siegfried schreibt einen Gruß dazu, er war damals zu Hause. Schrieb ich schon, daß er wieder versetzt wurde, anscheinend viel südlicher – Palmen sind da. Gott sei mit ihm!

An die Hanseatische Verlagsanstalt schreibe ich selbst gleich mal. Werde sie auffordern, die Hefte nach Oberfrohna zu schicken. Von B.s, von Tante Gretchen erhielt ich Antwort auf meine Neujahrsgrüße. Du! Schreibschulden habe ich – noch und noch – 4 Neujahrskarten liegen noch da – Elfriede und Siegfried müssen ein Zeichen bekommen. Du!! Den ganzen Tag freue ich mich darauf, auf die Stunden, auf die 2 oder 3 Stunden, da ich Deine liebe Hand fassen, mich ichin Dein so geliebtes Bild versenken kann – und dann mag ich keine Minute davon abgeben, mag die Hand gar nimmer lassen – und mag den andern gar nicht schreiben! Herzlieb!! Und weil doch manchmal Alarm ist, muß ich nun auch noch bangen um diese Stunden. Heute ist es mir zu laut in unsrer Stube – und so habe ich mich in die Stille der Schreibstube geflüchtet.

Herzlieb! Müde bin ich heute. Müde der Worte. Müde von all dem Warten und Sehnen. Müde vor soviel Glück und Seligkeit. Herzlieb! So habe ich es noch kaum gespürt, daß ich Dich so in mein Herz geschlossen habe, daß ich Dich so sehr liebe! Du! Ich liebe Dich ganz sehr!!! So, wie Du bist! Ja, ja Du!! Mein liebes, liebes Weib – und mein lieber, herziger Bub! Der Hubo versteht sie alle beide so gut! Sie gehören zu demselben großen, lieben, guten Herzen, zu dem geraden, gesunden Kindersinn, zu meinem über alles geliebten Weibe. Meine liebe, liebe [Hilde], Du!

Gott behüte Dich! Er führe uns recht, recht bald zusammen! Er schenke uns Kraft und Geduld, getreulich auszuharren. Herzlieb – und wenn ich vergehen müßte vor Sehnen – Liebe und Treue zu Dir können nimmermehr wanken. Du hast mich so fest umfangen – bei Dir ist mein Herz – Bei Dir ist und um Dich kreist alles, was mir an diesem Leben lieb und teuer und köstlich ist. In allen Plänen bist Du. Alle Freude, alles Sehnen, alle Güte, Wärme, aller Sonnenschein kommt von Dir – geht zu Dir. Herzlieb! Ich lasse Dich nicht wieder von meiner Seite. Ich kann es nicht. Es ist wie ein Zauber. Ich bin Dir verfallen – Herzlieb, und darf so glücklich sein, daß Du Dich mir schenktest und weihtest – daß Du unser Glück so tief erfaßtest – und so hoch hältst und bewahrst und damit mehrst – Herzlieb, Soo soo glücklich bin ich, daß ich in Dir die rechte fand, die passende, daß Du mir so ganz Erfüllung bist! Du, Geliebte! Legtest sie frei, die Quelle alles Glückes!! Du zogest aus, sie zu fassen!! - Hättest sie ja niemals gefunden, wenn Du nicht ein Glückskind gewesen wärest, wenn Du nicht die wundersame, geheimnisvolle Wünschelrute in Händen hattest, wenn in Deinem Herzen nicht der lautere Widerschein dieses Glückes gewesen wäre. Du! Geliebte! Hinter meiner Liebe und Treue steht das Gefühl tiefer Dankbarkeit, das Dir heiß entgegenschlägt.

Die einzige, die allerbeste, die allerliebste, die allschönste bist Du mir! Hast Du mich auch so lieb? - Ja, ja!!!! Ich bin dessen ganz gewiss!!! In Dir brannte es ja zuerst, das Feuer unsrer Liebe - und nun hat es Deinen [Roland] ganz erfaßt – und nun schlagen die Flammen zusammen – und niemand kann sie mehr unterscheiden und sagen, welche zuerst brannte und welche heißer brennt – Du!! Du!!! und ich! Eins. Ein Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]! Geliebte, Holde mein!!! - Dein [Roland]! Dein Eigen! Du! Dein!! Nur Dein!!! Geliebte! Holde mein!!!!!!!

Bitte grüße die lieben Eltern.

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946