Bitte warten...

[OBF-410101-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 1. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Mein [Roland]!! Mein geliebter, guter [Roland]!!

Der letzte Feiertag von der langen Reihe ist nun auch bald zu Ende; wir sitzen wieder beisammen, wir beiden Frauen, bei einer Handarbeit. Ich sticke an einem Stück, das unser Heim zieren soll, Mutter strickt. Aber jetzt hab ich die Gedanken nur noch auf Dich und Deinen Boten, Du!! Ich will lieber erst noch schreiben, Herzlieb!! Ich bin heute soo matt. Erstens wird's daran liegen, daß ich erst so spät zu Bett bin gestern und heute früh hab ich die Kirche versäumen müssen! Du!! Verschlafen! Beim 9 Uhr-Läuten erwachte ich erst und so schnell wie bei einem Soldaten geht's bei mir nun mal nicht mit dem Anziehen, das weißt Du!! Nicht wahr? Also hab ich mich dann in der Wirtschaft nützlich gemacht. Es gab heut' den langersehnten Neujahrskarpfen seitdem Du voriges Jahr mal mitgegessen hast[,] haben wir noch keinen wieder bekommen; es gibt nur aller [sic] 4 Monate welchen! Du!! Weißt, was ich dann tat?

Meine Bretter holte ich vom Boden und machte sie startbereit! Heute Nacht fiel herrlicher Pulverschnee, viel! Und als ich die Skischuhe geölt hatte, da kam der Postbote, das war ¼ 12 [Uhr] mittags!! Und nichts von Dir dabei!

Nur von Breitenborn und Kamenz, von Lobeda (Häsel), Hohenbocka und Mittelfrohna (Oma) von all den Lieben soll ich Dich recht herzlich grüßen, lieber Hubo! Tante Gretchen schrieb auch und läßt Dich vielmals grüßen. Der Hermann vom Onkel Erich kommt nächstens nach Dresden, wo er ein künstliches Bein angemessen bekommt, Onkel u. Tan[te] sind recht froh darüber, können sie eher mal hin. Ich soll mal paar Tage runterkommen, Äpfel hätten sie auch für uns. Ich mag aber nicht allein! Hab Angst[!]

Die liebe Elfriede schrieb gestern auch einen lieben Brief, sie haben recht frohe Stunden erlebt, Lotti war auch mit dabei in Kamenz. Heut Abend fährt Hellmuth zurück. Die lb. Eltern sind in Schibock nochmal. Fiddi hat was für mich [vo]m Weihnachtsmann abgeschickt, das ist mir so peinlich — ich hatte ihr nun gar kein Geschenk gemacht, nur für jeden ein kleines Freßpäck'el [sic] in der Eltern Paket beigelegt. Was mache ich denn nun bloß? Rat mir doch, Du!!

Also nun von heute Mittag weiter: Mutter entließ mich nach dem Essen, und ich schwang mich in die Röhren! Fertig war Dein Bub! So voll Unternehmungslust war ich, wär am liebsten hin zu Dir gerutscht, Du!! Über Mittelfrohna ([o]hne Einkehr!) herauf die Landstraße, über die Felder, Deinen Weg, unseren! nach Rußdorf — weiter nach Meinsdorf. Ich sage Dir, so eine Menge Schnee!!

Es kann kein Pferd laufen auf der Landstraße! Dahinaus kommt auch kein Schneepflug. Viele waren unterwegs im Orte, die sind wahrscheinlich alle nach Grüna oder Hohenstein zum Skihaserltanz! Ich bin nach Meinsdorf ganz einsam gefahren — Du — es war so schön — ich hab so sehr an Dich gedacht, Herzlieb!!

Als ich durch unsre Straßen kurvte, traf mich manch erstaunte[r] Blick, weiß nicht warum. Weil ich so allein fuhr? Oder weil die Mädchen meines Alters schön sittsam in Sonntagskleidern promenierten? Oder gehört sich sowas nicht mehr für eine nunmehro Frau Lehrer? Ist mir ja schnuppe was die Leut denken – mir fiel nur auf, daß sie mir nachschauten. Du? Darf ich etwa sowas nun nicht mehr? Ist doch Unsinn, ja? Du vergönnst mir doch diesen harmlosen Sport? Ja, mein Lieb? Ich bin doch dabei so kalt wie Schnee!!! Im Gasthof hab ich einen Grog getrunken, mich bissel gewärmt und zurück — um 4 [Uhr] war ich daheim. Es war schön, Du! Und man ist mal wieder richtig ausgeglichen durch solchen einsamen Marsch. Aber mir tut alles weh, alle Muskeln, die Beine, die Arme! O weh!!

'S war am Ende fürs Erste bissel zu viel! Ich muß mich dann gleich ein wenig lang machen, Musik hören, an Dich denken – und dann? Geh ich in mein Bettlein Du!! Kommst auch mit? Ich hab schon ein bissel Platz für Dich, Dickerle, bist so schön warm, Du!!! Ich sehne mich ja so sehr nach Dir, Geliebter!! Ich liebe, liebe Dich!! Mein Herzlieb!! Du!!! Du!!! Gott behüte Dich mir! Ich bin und bleibe in unwandelbarer Treue und Liebe

ganz, ganz Deine [Hilde], Deine Holde.

 

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946