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[OBF-401230-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 30. Dezember 1940.

Geliebter!! Herzallerliebster!! Mein lieber, lieber [Roland]!!

Der vorletzte Tag im alten Jahre ist nun heute. Wir blicken unwillkürlich einmal zurück, wenn wir zwei jetzt auch viel lieber vorwärts blicken, Herzlieb, Du!, weil wir so voll Sehnsucht nacheinander sind. Weil wir so wünschen, die Zeit möchte eilen — eilen, bis zu unserem Wiedersehen! Du!!
Das alte Jahr, es brachte uns Freude, viel, viel Freude und Segen! Du!!

Es brachte uns auch Leid, Herzlieb! Es nahm mich Dir von der Seite — Du!!

Aber nicht für immer mein [Roland]! Für eine Zeit nur! Und in dieser Zeit des Fernseins, Geliebter! Da baute unsere tiefe Liebe feste, ganz feste Brücken, Du!! Sie werden nie brechen — wir wissen es beide! Du!! Und Gottes Gnade war mit uns allerwegen — Du bliebst mir gesund, mein Leben!! Ich durfte [Dic]h sogar besuchen! Du!! Das ist soviel Glück für mich, für uns beide! Und ich habe bei meinen lieben Eltern eine gute Bleibe, wo ich Dich erwarten kann, mein Herzlieb! Wo Du mich ganz geborgen weißt und sicher vor dem Bösen, wovon die Welt so voll ist in dieser Zeit. Du! Wir dürfen, ja — wir müssen dankbar sein für das alles. Du! Und weil Du keine Sorge um mich haben mußt, [me]in Lieb! Darum ist Dir auch das Leben draußen um ein Teil leichter — ich weiß es. Du! Und ich will auch garnichts unternehmen an Plänen, die mich zuvor immer noch bewegten — ich will in der Geborgenheit meines Elternhauses Deiner warten, Herzlieb! Du sollst um mich gar keine Sorge Dir machen müssen! Du!! Und ich kann Trost und Zuversicht finden in dem Bewußtsein: Du stehst in Gottes Hand — er weiß unseren Weg, er führt uns durch alle Finsternis. Ich will ganz tapfer sein im kommenden Jahre, Du!! Es ist die dritte Jahreswende, die wir miteinander erleben, mein [Roland]! 1938, Du warst damals noch in Lichtenhain, da wünschten wir uns brieflich alles Glück, allen Segen. Ich war noch krank, als [ic]h Deinen Neujahrsbrief schrieb. Und wir waren beide noch in ernsten Gedanken um unseren Weg in die Zukunft beschäftigt.

Das Rad der Zeit rollte, weiter weiter — 1939. Du! Das war das erste gemeinsame Fest, hohe Fest mit meinem Manne — mit Dir, mein Lieb! Weihnacht in Deinem lieben Elternhause — das kann ich nicht wieder vergessen. Silvester bei uns [in] Oberfrohna; es ist in meinem Elternhause nicht solch geheimnisvoller, froher Schimmer, wenn ein Fest gefeiert wird. Ich weiß nicht, wie das kommen mag. Und ich bin es nun auch schon von Kind an so gewöhnt, doch seit ich ein Fest in Eurer Mitte erleben durfte, da erkannte ich erst ganz deutlich, daß bei uns die innere Wärme, der rechte Sinn — so will ich sagen — fehlen. Es mag an den Eltern lie[g]en, weil sie durch ihre Lebensart, durch ihre harte Arbeit abgestumpfter sind, als andere Menschen. Es mag auch daran liegen, daß bei uns Kinder fehlen — wo mehrere Kinder sind, Du!, da ist alles überglänzt von einem ganz anderen, viel helleremn Lichte — ich fühle das, Du!

[A]ber, ich will dem nicht weiter nachsinnen, mein Lieb! Wir sind nun auf unser[e]m Wege da angekommen, wo wir selbst anfangen und rüsten wollen, auf all diese Feste! Du!! Und das schwebt mir als köstliches Bild vor: Ich werde mit Dir feiern dürfen! Mit meinem Herzlieb! Und bei diesem Feiern Du! Da ist all mein Sehnen erfüllt! Du bist mein Sehnen! Du bist meine Erfüllung! Du hast, was ich suche —  Du bist meine Heimat. Geliebter!! Wie freue ich mich auf unser Leben, auf unser gemeinsames Leben in unserem Heim! Du!! Möge der Herrgott seinen Segen geben zu unser[e]m Wunsche für die Zukunft.

Möge er es doch Frieden werden lassen im neuen Jahr. Geliebter!! Von ganzem Herzen wünsche ich nun, Gott, der Herr möge Dich mir erhalten im neuen Jahre, er möchte Dich mit neuer Kraft und Zuversicht ausrüsten, er möchte2.mich1.Dich gesund erhalten und behüten vor aller Gefahr, er möchte unser[e]n Bund weiterhin segnen.

Wir werden die Jahreswende wieder still zu Haus erleben, Vater hat Nachtdienst. Vielleicht bringen wir ihm einen Punsch hinaus, ja das werden wir — er ist ja so allein. Und dann? Ach D[u]!! Wo werde ich denn sein mit allen meinen Gedanken voll Liebe und Sehnsucht? Bei Dir!! Nur bei Dir!! Du mein Geliebter!! Ich will ganz fest an Dich denken, um Mitternacht besonders Du!! Dann fühle und wisse, daß ich bei Dir bin mit meiner ganzen, großen Liebe! Ich will Dir alle [L]iebe, alle Zärtlichkeit bringen, die ich nur habe, Du!!! Oh Du!! Du bist nie allein — nie!!! Am Abend findest Du mich in der Kirche, Herzlieb, ich glaube um 7 [Uhr] beginnt der Gottesdienst. Wir werden wieder singen. Es ist so schade, daß Herr S. noch so unsicher ist auf dem Instrument, es geht dabei so viel Schönes verloren. Wenn Du doch noch bei uns wärst! Das ist mein Seufzer so oft — [u]nd der der anderen auch. Aber keines [sic] wagt, ihn laut werden zu lassen, vor dem ,Neuen' gleich garnicht. Das ist auch recht. Er muß sich erst einarbeiten — er hat es ja noch nie getan. Überall, wohin man sieht, in den Kirchen, findet man diese Stoppelei — nichts ist beisammen — entweder hängt's am rechten Prediger, oder am Organisten. Wann wird das mal anders werden? Und da sind wir nun auf's Neue bei dem Thema angekommen, das auch Du wieder berührst in [Dei]nem lieben Briefe vom Freitag. Wir wollen uns keiner Täuschung hingeben, wenn es ,von oben herab' so aussieht, als wolle es besser werden für das Christentum, so meinst Du. Du hast ja so recht, wenn ich darüber nachdenke, und Du siehst in diesem Punkte weiter als ich, Du siehst mit helleren Augen, Du bist reifer als ich. Darum kann ich Dir auch nicht widersprechen, — ich schöpfte Hoffnung, wenn ich einen von den führenden Männern Deutschlands reden höre — und ich muß Dir beipflichten, was Du mir klar vorlegst.

Es ist eine böse Zeit für uns. Wir wollen Geduld haben und wir wollen fest sein, nicht ablassen von unseren Glauben, mag kommen was auch wolle — wir wollen mit streiten in dem Kampf um Gut und Böse — wir wollen den Sieg erleben.

Unser Christenglaube wird nicht vergehen, er wird nicht vergehen.

Du bist auf unser Radio eifersüchtig? Du?!! Was so[ll] ich darauf sagen? Ich bin nicht so für seine Eigenschaften eingenommen, es kann mich in seiner Art noch lange, lange nicht für sich gewinnen! Ich stelle höhere Ansprüche, Du! Seine Stimme — sie ist mir zu schwindsüchtig! Seine Einseitigkeit fängt schon an mich zu langweilen! Aber still!!! Ich bin doch froh, daß wenigstens Laute aus dem Reich der Kunst zu mir dringen! Es ist halt sozusagen ein Notbehelf, bis der bessere Apparat kommt! Ich sag Dir das [gan]z leise, Du!! Wenn er es hört, da drüben auf dem Tische, er könnte seine Konsequenzen ziehen, Du!! Und das tät mir wiederum auch leid! Ja, ja — so sind die Frauen!!

Aber im Ernste, man hat schon mehr Genuß, wenn man einen guten Apparat sein Eigen nennt. Er  muß eben vorderhand genügen.

Du wirst hoffentlich mal Dein Urteil darüber selbst abgeben können; bis du kommst, wird er schon noch hier sein, der jetzige!

Also lieber Bub! Sei ganz uneifersüchtig!!! Dich kann er mir nicht ersetzen —— in keiner, keiner Hinsicht.

Hast wieder Wäsche abgeschickt, das ist recht so! Morgen geht das saubere Packerl ab zu Dir — es wird über wiegen, ich werde es an Frau P. schicken. Du!, die heißt P., sie hat es extra so auf den Absender geschrieben! Du gibst ihr i[mm]er wieder einen anderen Namen! Ich leid's nicht! Sie bringt Dir die Pakete gern hin, das hat sie mir selbst versichert. Immer nehme ich ihre Güte ja nicht in Anspruch, nur heute wenn's mal ein schwereres Paket ist.

Herzallerliebster!! Du!!! Vom Urlaub schreibst Du!! Ich hab es selbst gelesen, Du!! Alles, was Du mir sagst darüber!! [Ic]h lege es ganz in Deine Hände, Du!! Wie Du es machst, so ist es schön und gut!! Du!!!!! Und Du weißt ja sogar manchmal besser Bescheid, als ich!! Zum Beispiel: in meinem Kalender! Du!!! Ich freu mich ganz leise, leise! Ich halt die Daumen ganz, ganz fest! Dickerle!! Du!!! Ach, wenn ich mich ganz toll freue, Du! Da kann ich doch garnicht gut klein schreiben, da saust die Tinte nur so über's Papier!! Und ich kann, kann ihr nicht wehren! Du!!! [G]enau so ist's, wenn ich bei Dir bin voll großer Freude — Du! Da kann ich Dich nur mit Mühe ganz leise küssen — lieber möcht ich Dich fressen vor lauter Liebe, umbringen könnt' ich Dich, sooooo gut bin ich Dir! Du!! Ach, jetzt will ich mir die dürren Worte sparen — Herzlieb!! Du!! Träumen will ich von unseren Wiederseh[e]n!! Von Dir!! Von meinem allerliebsten, besten [Roland]!! Von meinem Sonnenschein!!

Du!! Ich liebe Dich!!! Ich bin Dir soo gut!! Mein geliebtes treues Herz! Ich gehöre Dir, allezeit nur Dir!! Ich bin so froh, so selig, daß Du mein bist! Du!! Du!!! Gott segne unser großes Glück! Er behüte Dich mir, mein Leben!! Nochmals, mein Lieb: Viel Glück, Gesundheit und Gottes Segen auf dem Weg in's neue Jahr! Ich bin bei Dir!! Bei [Dir]!!

In Liebe, in Treue in fester Verbundenheit

immer Deine [Hilde], Deine Holde, Dein!!

Tausend Grüße u. gute Wünsche von den Eltern!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946