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[OBF-401229-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 29. Dezember 1940

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebe [Hilde], Du!!

Ein grauer, trüber Sonntag draußen. Es regnet. Aller Schnee ist zerronnen. Was tun? Ich setze ich mich vor meinen Bogen und denke an mein Lieb, dann scheint die Sonne so hell und warm, Du, mein Glück! Vorhin kam schon ein Sonnenstrahl zu mir, Dein lieber Bote vom 2. Feiertag. Ich danke Dir für alle Liebe und Treue, die Du mir darin wie so immer erzeigst, diesmal nur wieder ein wenig [a]nders. Geliebte! Das Vertrauen zwischen uns, das restlose höchste und letzte Vertrauen, es ist das allerköstlichste, es ist sowohl die Frucht als auch die Knospe unsrer großen, reinen Liebe, es ist der blaue Himmel unsres Glückes. Es ist, was unseren Bund zum einzigen, einmaligen, kostbaren Besitz macht, was  ihn heraushebt über alle anderen engen Bindungen zu Freunden und Verwandten; dieses Vertrauen, das seine sichtbare Erfüllung findet in unseren glücklichsten Stunden; diese Stunden, die alle Glückseligkeit verlieren [w]ürden, wenn dieses Vertrauen nicht bestünde. Du! Geliebte! Du und ich, wir hüten und wahren es, wir schützen und verteidigen es wie unser Glück, wie unser eigenes Leben!! Ach ja, Du! Wenn man es eben einmal sehen will: es ist eine feindliche Welt um uns. Immerzu gilt es wachsam und auf der Hut zu sein. Und das Wort gilt schon zu recht: Es kann der frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt. Und Feinde kann man schon gewinnen, wenn man nur eben sein gutes Recht verteilt. Liebes, Du tatest recht daran, den Auftrag der Großmutter abzulehnen. Wir unterhielten uns ja schon davon [sic]. Wir beide scheuen keine Arbeit. Garderobefrau spielen ist längst nicht die schlechteste. Aber weil nun die lieben Mitmenschen mal so sind, daß sie in dieser Garderobefrau eine in jeder Weile dienstbare Person erblicken und sich nicht daran genügen lassen, daß sie ihnen die Kleider verwahrt und aufhängt, sondern glauben, ihre Frechheiten und Beleidigungen ihr aufhängen zu dürfen, und das umso eher und lieber, je jünger diese Garderobefrau ist: darum müssen wir diesen Auftrag als nicht mit uns[e]rer Ehre und Würde vereinbar ablehnen: Ich danke Dir von Herzen, daß Du diesen Standpunkt so mutig und tapfer verteidigt hast gegen mancherlei Widerstände und Empfindlichkeiten. Du bist damit nicht nur für Dich eingetreten, Herzlieb, sondern auch für mich. Ich danke Dir, Du!! Mein liebes, treues Wei[b]!!! Großmutter F. war sich also der Zumutung voll bewußt — und war drauf und dran, mein Herzlieb ganz falsch einzuschätzen. Du! Desto leichteren Herzens kannst Du über diese Verstimmung hinweggehen — Du warst also doch ganz auf der rechten Spur.

Eines gebe ich zu bedenken: Du sollst der ganzen Geschichte keine unnötige Spitze geben und Deiner Ablehnung keine andere Begründung. Ich meine so: Ich verstehe nicht ganz, warum Du Dich gegen Deinen Onkel Fritz wendest. Er ist Dir nicht sympathisch, vielleicht auch mehr noch; mache ihn Dir nicht zum Feinde! Wir hätten doch der Großmutter allein das Ansinnen auch schon abschlagen müssen. Bleib nur bei der Begründung: Garderobe mag ich nicht sein! Laß den Onkel Fritz ganz aus dem Spiele! Reize ihn nicht unnötig.

Und gegenüber Deinen Eltern bitte ich um eines: Wirb um ihr Verständnis! Recht so, daß Du Mutter schonst! Ich möchte nicht, daß die Eltern denken, falscher Stolz habe uns erfaßt, daß sie denken, wir sagen uns irgendwie dünkelhaft von ihrer Verwandtschaft los. Ich habe mich jederzeit darum gemüht, solche irrige Gedanken gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sage ihnen schlicht und wahr Deine Gründe — dann muß Dich die liebe Mutsch verstehen, dann kann sie Dich womöglich vor Großmutter verteidigen. Nicht aus falschem, sondern aus echtem, gutem Stolz haben wir uns zur Wehr gesetzt. Ich freue mich ganz sehr darüber, daß Du fest geblieben bist, mein Lieb!! Hast Du gefühlt, mein Herzlieb, wie stark und sicher es macht, sich eins zu wissen mit einem lieben Menschen, Du?!! Wie gerade der Blick geht zu dem leuchtenden Ziele unsrer Liebe? Du! Ich fühle es immer wieder beglückend. Das soll uns auch getrost machen, wenn wir miteinander in die Ungewißheit des neuen Jahres schreiben. [H]erzlieb! Wenn ringsum vieles wankt und fällt und stürzt — ich baue auf Deine unerschütterliche Liebe und Treue! Du!!! Dein [Roland] schaut aus nach dem selten[en] Grunde, für Dich, mein Lieb und sich selbst; er sucht nach dem Bleibenden und Beständigen, nach dem Edlen und Echten — er kann nicht anders, er muß es suchen, er ist so beschaffen. Und bei diesem [S]uchen fand er Dich, meine [Hilde], meine liebe, liebe [Hilde] — ein großes, heißersehntes — unverhofftes Glück! Du!! Du!! Ein so großes Glück, das nun erblüht ist uns beiden — und das wir hüten und halten möchten um alles in der Welt!! Du bist von ihm erfüllt wie ich. Und es ist kein flüchtiges Glück — es ist langsam gereist — letztes, höchstes Vertrauen ist seine goldene Fassung — die Liebe der köstliche Inhalt — Treue, Verantwortung sind seine Wächter und Hüter. Und dieses Glück ist nicht vergänglicher Genuß und kurze Lust — es ist uns hohes Ziel und umschließt soviel echte, hohe Freude — es will unser Bestes aufrufen, daß wir es zusammentun — es soll uns voranbringen, wirklich voranbringen. Ein echtes, beständiges Maß legen wir an dieses Glück, damit es gelinge, damit wir gute Frucht bringen. Und Du, mein Herzleib, meiner [sic] treuer Weggesell, Du willst das alles mit mir, aus frohem freiem [sic] Entschluß, erfüllt von dem gleichen glückhaften Streben wie Dein [Roland]!! Welch großes, unermeßliches Glück, Du!!!

Wie könnte eines von uns sich noch davon lossagen, noch davon ablassen, noch leben ohne dieses Glück?!!

Meine [Hilde], Du! Schau mir in die Augen! Seit an Seite schreibe ich mit Dir. Fest, ganz fest halte ich Deine liebe Hand. Meinen Arme lege ich schützend um Dich, mein Weib, mein geliebtes Weib! So will ich mit Dir gehen, in Liebe und Treue wie bisher. Du! Fühlst Du es, Du! Geliebte?!! Dein [Roland] bin ich, unverlierbar, unwandelbar in seiner Liebe und Treue zu Dir!! Der Vertraute Deines Herzens: Du! Mein bist Du!! Unverlierbar!! Ganz hast Du Dich mir ergeben und geschenkt, mir Dich geschenkt, zuerst und mir allein, Du!!! Du!!! Du bist mein!! So will es in mir jubeln! Geliebte, Herzallerliebste, Holde mein!! Das ist die eine frohe Gewißheit, mit der wir in das neue Jahr schreiben dürfen. Treu zu uns selbst! Treu zueinander! Treu unserem Gott!

Wenn wir nach der Treue zueinander trachten, dann erkennen wir auch die Güte und Liebe Gottes. Wir haben sie so sichtbar in reichem Maße erfahren. Das Vertrauen in seine weise Führung und die Gewißheit seiner Gnade sind der feste Grund, auf den wir bauen wollen. Nach seinem Willen und Gebot wollen wir unser Leben ausrichten. Dann wissen wir üb[er] uns den Himmel, an dem Wohl und Wehe dieser Erde und ihrer Menschen hängen, der Himmel, der Regen und Sonnenschein zu seiner Zeit schickt, der Himmel, der sich hoch und erhaben wölbt über der kleinen Erde. Unter diesem Himmel von Gottes Weisheit, Liebe und Gnade dürfen wir dann auch getrost unsre Hoffnungen streuen in den Schoß der Zeit, dürfen wir unser Glück und unsre Freude ausbreiten, demütig, im Aufblick zu diesem Himmel. Und wenn uns die eine zerrinnt, dann wollen wir nicht murren, wollen uns ergeben in Gottes Fügung und immer unseren Trauspruch uns zurückrufen.

Meines liebes Weib! Meine liebe [Hilde]! Geduld ist, was wir beide noch lernen müssen. Sie fällt uns beiden noch schwer. Es ist ja auch nicht verwunderlich. Ja, und unsre Hoffnungen, Du?!

Frieden möchte werden! Richtiger, guter, tiefer Frieden. Und der [Roland] möchte heimkehren, zu Dir, mein Lieb, heim zu Dir, um immer da zu bleiben! Und unser Nest möchten wir bauen wie die Vöglein, Du! Du und ich im eignen Heim, Geliebte! Und die Vöglein bauen es nicht für ihre Behaglichkeit allein - - - - Du!!! Du!!!! Herzlieb, das sind unsre großen Pläne und Hoffnungen. Die nächsten aber: daß wir uns bald wiedersehen, um unser Sehnen zu stillen, daß das Bächlein unsrer Liebe fließen soll, daß wir uns stärken und Mut zusprechen [A]ug in Auge, Arm in Arm, Herz an Herz! Du!! Mein liebster bester Kamerad!! Aber nicht nur an uns dürfen wir denken. Gott erhalte uns unsre Eltern! Er sei mit den Brüdern! Denk nur, Siegfried ist wieder weit fortgekommen. Vater schreibt vom Land des ewigen Frühlings und von Palmen. Ich werde nicht klug draus.

Meine liebe [Hilde]! Bald werden die Glocken das neue Jahr einläuten. Meine Sehnsucht, mein Heimweh wird wieder laut werden — es muß ja, es kann nicht anders sein: Alles was mir Liebenswert [sic] ist auf dieser Erde, ich ließ es daheim. Du!! Du!!! Wie soll ich es Dir noch [s]agen: All meine Gedanken werden um Dich sein! Du gehörst ja zu mir, an meine Seite, mir am allernächsten, bist ja ein Stück von mir, mein Herz, mein Glück, mein Leben!!!! Du!!! Ich weiß Dich an meiner Seite mit Deiner großen Liebe — Du, mein liebes, treues, schönes Weib!! Du, meine liebe Frau!! Geliebte, Holde mein!! Ganz fest wollen wir uns halten und lieb haben wie Bruder und Schwester u. noch mehr. Gott sei mit Dir!! Hier steht Dein [Roland]: er sehnt sich nach Dir — er schaut nur nach seinem Herzlieb — schaut nach seinen Augen allein: nach allem sehnsüchtig und gebannt, was ihm daraus entgegenleuchtet: Liebe, Verehrung, Huld, Verheißung, Treue, und Liebe, Liebe!! — er hält sein Lieb fest, mit seinem ganzen Eigensinn, mit seiner ganzen Anhänglichkeit und Treue, mit aller Verehrung, deren er fähig ist — er will nur bei ihm gelten. Herzlieb! Nimm sie an, seine Liebe, seine Verehrung!! Ach, Du!!! Du!!!!!

Ich bleibe Dein [Roland]!!

Und Dein Hubo und Dickerle auch im neuen Jahre!

Und Du bist meine [Hilde]!! Du!! Du!!! Mein!!!! Holde, Geliebte!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946