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[OBF-401226-001-02]
Briefkorpus

Donnerstag den 26. Dez.1940

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde], Du!!

Eben bin ich zurück aus Eckernförde, es ist viertel nach zehn. Es war nicht schön. Ich traf die Kameraden am verabredeten Ort. In 3 Kneipen sind wir rumgezogen, d.h. mich haben sie mitgezogen. Ich wollte ihnen den Spaß nicht gründlich verderben und zeigte mich willig für die Spanne Zeit, die ich bei mir für diesen Ausgang bewilligt hatte. Dann war ich unerbittlich. Wir haben auch noch zu abend gegessen. Einer hatte Fleischmarken mit. Dein Hubo hat nur Apfelsaft getrunken und ist ganz nüchtern zurückgekehrt. War ich doch wenigstens auf ein paar Stunden unsrer Bude entflohen, die mir heute so auf die Nerven ging. Ach, Feiertage bei den Soldaten, lieber nicht. Jetzt ist es ziemlich ruhig. Etliche liegen schon in der Koje, und die Krakeeler sind noch in der Kantine. Mein liebes, teures Herz! Vor 4 Wochen, da war auch ein Donnerstag, Du!! Ein Donnerstag, den ich nicht so leicht vergessen werde, eine Station auf unserem gemeinsamen Wege, Geliebte! Weißt Du das? Ich war so glücklich! So glücklich!! Ja, Herzliebes! Über zwei Jahre kennen wir uns schon aus der Nähe — Und so lange dauerte es, ehe wir so ganz nahe uns kamen wie an diesem Donnerstag, Du!! Und die vielen Stationen auf dem Wege — sie sind uns alle teuer und wichtig — sie liegen da mit einer seltsamen Notwendigkeit. Herzliebes! Und Dein Hubo ist nicht allein schuld (wenn man überhaupt so sagen kann) daran, daß es so lange dauerte, daß die Frucht so langsam reifte. Weißt Du das, Herzliebes? Bis zu dem Tage höchster, letzter Traute liegen viele Stufen. Bis Dein Dickerle die Worter seiner ganzen Zärtlichkeit fand, bis er sein letztes Zutrauen faßte, mußten ein Band nachdem andern sich lösen — das war sein Schamgefühl, Du! Ganz unwägbar und mit Worten gar nicht zu sagen ist das Spiel und Widerspiel der Empfindlichkeiten — bis zu dieser Stunde letzten, höchsten Zutrauens — und Geliebte, und diese Stufe wurden gelegt, da [^]durch, daß wir uns immer lieber gewannen, daß die wahre Liebe zwischen uns sich vertiefte. Geliebte! Du liebtest mich von Anbeginn — und auch Du wirst fühlen und sagen können, daß diese Liebe sich wandelte und vertiefte bis zur Bereitschaft, mich zu beschenken, eines nach dem andern, bis zur Bereitschaft, Dich mir ganz zu schenken und anzuvertrauen. Und Du, Herzliebes!, Dein [Roland] war so empfindlich und hat den Grad Deiner Bereitschaft gespürt und gespürt, mit welchem Geschenk seine Liebe belohnt werden dürfte. Und so ist unser Nahesein und Umfangen ein seliges Umfangen — letzte, freudige höchste Erfüllung. Zeichen wirklich[’]r höchster Traute! Geliebte!! Nur einmal kann der Mensch, ob Mann oder Weib, diesen Weg gehen; nur einmal kann diese Seligkeit so wundersam erblühen — nur einmal kann dieses Glück reifen bis zur höchsten Erfüllung. Unverlierbar ist unser Glück deshalb, Geliebte! Keines von uns kann es zerreißen, das Band, ohne sich des Liebsten zu berauben. Ganz fest [^]bist Du mir verbunden, Herzliebes, ich kann Dich nicht verlieren — und Dein [Roland] kann keinen Schritt zurück, er ist Dir verhaftet, Geliebte, er hat eine Festigkeit gewonnen, seit er Dich hat, gefeit gegen Versuchung. Ach Du! Du weißt es, Herzliebes! Ich liebe Dich! Und daß wir darüber überhaupt noch schreiben und reden, das ist, weil wir uns fern sein und so sehr sehnen müssen. Wenn wir erst beieinander dann hätten wir gut sagen können: wir wollen noch ein bissel hören — wie in Kamenz. Aber es ist auch so gegangen. Du!! Und nun werden wir tatsächlich manches gemeinsam hören, das ist schön.

Du! Geliebte! Ich habe nun schon oft verfolgt, wie zwischen uns über die Ferne hinweg ein Herzschlag geht — müde war mein Lieb, so wie ich, zur selben Zeit — und hat sich so sehnen müssen wie ich mich sehnen mußte Du!! Du!!!

Sei nicht bange darum, daß ich mich übernehme. Du hast mir nicht befohlen, täglich zu schreiben, sondern ich will das und es hat sich ganz von selbst ergeben und wir beide können es nicht mehr entbehren, das Geben und Empfangen.

Meine Waage ist also noch nicht da. [H]eute habe ich ein Paket mit Wäsche abgeschickt — es liegt noch was mit drin — weißt, die Taschentüchel, die sind so schön und sind mir zu gut zum Gebrach jetzt, ich habe jetzt so eine Menge alte.

Bei P. war ich noch nicht. Die Feiertage hatte ich kaum Zeit. Vielleicht wird es am Sonntag. Glaubst, daß ich mich ein wenig bange vor diesem Besuch? Es erinnert mich alles so sehr an Dich, an unser Glück, an Deine Nähe, Geliebte!!! Du, ich verfolge jetzt scharf die ganze Urlaubsregelung! Ich sage gar nichts vorerst. Die alten sind Ende Januar alle drangewesen — für Mitte Februar gebe ich ein — und ich habe große Hoffnung, daß ich dann drankomme: 16. Februar, das ist ein Sonntag — bis 3. März, das ist ein Montag. Du!! Ganze leise erst freuen! Die Kameraden wollen Ende Januar fahren. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

H. hat einen Arbeitsurlaub von 3 Wochen gekriegt, er fährt übermorgen ab. G., der Lehrer, war übe[r] das Fest zu Hause. Ich gönne es ihnen, allen, wie sie dann der [Hilde] und dem Hubo ihren Urlaub gönnen sollen. Du! Ich werd dann ganz energisch und böse. Ja, und wenn wir schon früher abkommandiert würden, dann bekommt man meist etwa 8 Tage Heimaturlaub. Also nicht trübsinnig sein deshalb!

Herzlieb! Und nicht in den Aberglauben verbeißen von den 12 Nächten, ich habe überhaupt noch nicht d[’]ran gedacht — Unsinn ist alles — blanker, törichter Unsinn!

Wenn nur der Bub zu Hause wäre — der Bub, dessen ihr so oft und lieb gedacht habt diese Tage — Du!! Da würden ein paar Nächte überhaupt ausfallen, mein lieber Bub! Und nichts wär’s mit den 12 Nächten und mit den Träumen. Ja, siehst, Bub, das ist das Wort, das mir jetzt morgens fehlte, als ich schrieb, daß ich mein Lieb gleich mal so taufrisch aus dem Bettelein in seinen Höselein ganz fest umfassen möchte — den Bub, den Herzigen, bist manchmal mein Bub, Du? Nun ja, wenn Du eben grad in den Höseln bist!

Ach Herzlieb! Du!! So viel Zärtlichkeit hast schon bereit?! Und wenn ich nun meine noch dazulege?!! Du! Dann wird der Urlaub gar nicht langen? 14 lange Tage muß es dann hinreichen — das Brünnlein, Du!! Du!!! Und der daraus schöpft, er braucht nicht weniger Kraft, Du!! Du!!! So müssen wir noch beide sparen und alle Zärtlichkeit und alle Küsse stapeln und alle Brünnlein stauen, bis sie dann fließen dürfen, Geliebte!! — und überfließen — Du!!! Meine liebe [Hilde]!!! Ganz brav war Dein Hubo bis jetzt, und er will es auch bleiben! Herzliebes! Wenn Du nicht mein wärst, wie öde, wie leer wäre die Welt!!! Wie einsam und freudlos wäre Dein [Roland]!! Ich habe es gestern wieder so recht gespürt. Und mich über die Leere hinwegtäuschen — meine Friedlosigkeit betäuben mit Rauch und Rausch wie die Kameraden — ich mag es nicht. Ich wollte sie tief erleb[en] wachen Sinnes, diese Leere, — wie ich mein großes Glück ebenso wahr und rein erleben will — mein großes Glück!! Dich!! Du!! Mein Herzlieb!! Was ist aller Rausch gegen diese Glückseligkeit?!! Geliebte! Noch mehr als früher reut mich jeder Tropfen, der an der Kraft zehrt, mit der ich ganz nur Dir und unserem Glücke dienen möchte.

Gott behüte Dich mir! Er schenke uns Kraft und Geduld! Du! Ich danke Dir noch ganz sehr für Deine lieben Berichte. Morgen krieg ich wieder einen — ich freue mich schon so darauf. Du!! Ich glaub, ich hab Dir noch gar kein Kussel [sic] wieder versprochen, seit Du bei mir warst! Wenn wir werden Geburtstag feiern, da kriegst alle wieder, die Du mir gibst! Und wenn wir Weihnacht feiern, da will ich vergeben!, mal sehen, wem von uns beiden zuerst das Kussel [sic] zu — wenig sein wird! Du!!! Du!!!! Ich liebe Dich! Meine liebe, gute [Hilde]!! Ich liebe Dich so sehr!!! Mein bist Du!! Du! Oh Du!!! Und ich bin Dein [Roland]!! Ganz, ganz Dein!!!

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Hilde Nordhoff sitzt auf einer Bank mit Blick auf den Hafen von Eckernförde. Im Hintergrund ist ein markantes Backsteingebäude zu sehen. Das ist der Rundspeicher am Hafen von Eckernförde.

Ba-OBF K01.Ff2_.A43, Hilde Nordhoff am Hafen von Eckernförde, 1940, Eckernförde, Fotograf wohl Roland Nordhoff.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946