Donnerstag, am 19. Dezember 1940.
Herzallerliebster!! Mein [Roland]!! Mein lieber, lieber [Roland]!!
Jeden Tag kommen sie zu mir, alle Deine lieben Boten, die mir künden von Deiner großen Liebe — von Deiner großen Treue — Du! Und die mir immer wieder sagen, daß ich ganz die Deine bin.
Deinen Sonntags- und Montagsboten halte ich in Händen. Am Sonntag, da wir beide so fest aneinander dachten! Ich voll Dankbarkeit, erlöst, befreit von meiner Sorge: mir ward die Gewißheit — zu wem zog es mich an diesem Tage inniger, als zu Dir, mein Herz?
Und Du, vertrauend auf unseren Schicksalsspruch, Dir immer mehr Kraft für das Kommende, immer fester die frohe, beglückende Gewißheit uns[e]res Glückes zu holen, Du gingst ihn wieder einmal zurück, den Weg uns[e]rer Liebe. Ach, mein Herzlieb! Wenn das Leben einmal dunkle Schatten auf unseren Weg werfen will, wenn die Sorge in uns einmal schier unüberwindlich sein will — Du — dann denken wir zurück — blicken an uns[e]rer zurückgelegten Strecke Weges entlang und hier wird uns Licht in all das Grau, hier wird uns Klarheit, Gewißheit, Du!! Daß es doch nichts auf dieser Erde gibt, was uns[e]re tiefe, starke Liebe uns nicht überwinden ließe.
Was sind gegen unser Glück Sorgen und alle die kleinen und großen Widerwärtigkeiten des Lebens? Nichts, rein nichts. Der Grund, worauf wir uns[e]re Liebe, unser[e]n Bund fest gründeten, ist unverrückbar, ist ewig.
Wie wir uns Schritt um Schritt näher kamen, wie wir an vielen Klippen vorbei sicher, immer sicherer aufeinander zustrebten — nicht von böser Lust, oder wilder Leidenschaft getrieben, Du! Nein! Von großer, inniger Sehnsucht, uns[e]re Wesen ganz zu vereinen in Liebe!
Du, wenn wir das alles uns zurückrufen ins Gedächtnis, Herzlieb, dann müssen wir nicht bangen um die Dauer und um die Tiefe uns[e]res Glücks der Liebe. O nein — wir dürfen ganz getrost vorwärts schauen, und wir dürfen sogar im H[erz]en stolz darauf sein, wenn in uns[e]rer Liebe ein Kindlein gedeihen sollte, das uns der Herr bescheren will. Dann können wir ihm auch unseren ganzen Dank bezeigen, für alle seine Gnade, die er uns bisher schenkte, indem wir unser Bestes, uns[e]re ganze Kraft darin setzten, diesem kleinen Menschenkind den Weg in’s Leben zu bereiten, in seinem Namen.
Wir dürfen ganz ohne Sorge und Angst an diese große Aufgabe denken, wir dürfen zuversichtlich bereit sein, jeden Tag, sie zu erfüllen mit unser[e]m besten Können.
Der Herrgott aber wird diese Stunde bestimmen für uns — wie er alles so gütig und weise fügte für uns.
Und Du mein Leben, mein Liebstes, Du bist es, der mir immer wieder Mut zuspricht, allem was kleiner, unwichtiger dabei steht, was mir aber oft meine Zuversicht und meine Kraft lähmen will: all die kleinen Widerwärtigkeiten, die kleinen Kämpfe, die das Innere bestehen muß. Du hilfst mir so lieb, so leicht darüber hinweg — ich weiß es — ach — und wenn es sein soll, daß Du in diesen Tagen meiner Hoffnung ganz um mich bist, Herzlieb! Dann bin ich ja überhaupt nicht bange — dann ist ja alles, alles gut — mein [Roland]!!
Wenn wir uns nicht so lieb hätten?
Du, ich wüßte garnicht [sic], wie das dann wäre, zwischen uns — das ist mir eigentlich ganz unvorstellbar, Du!
Ich kann mich immer wieder aufrichten an uns[e]rer Liebe, mag mich bedrücken, was auch will. Mag gewesen sein, was mochte, bisher. Immer steht sie wie ein klarer, unvergänglicher Stern über uns, Du!
Als ich in den Tagen meiner Seelennot Deinen Geburtstagsbrief schreiben mußte, (und ich wollte so gerne ihn schreiben, in der Freude meiner Gewißheit! Du!) da war ich so verstört, so durcheinander u[nd]. ich wollte Dir doch einen recht lieben Brief schreiben. Du — da saß ich lange, lange vor dem Bogen — die Empfindungen in mir stritten sich: “warte noch! bald, bald mußt du ja Gewißheit haben! —” “schreib, schreib ihm doch! das Paket, es muß ja weg!” Du! Mein [Roland]! Da kam mir der Gedanke an den Weg uns[e]rer Liebe — wenn ich ihn gehe, da werde ich immer froh und glücklich in mir. Und Du? Du, der mich liebt?, Du mußt es ja dann auch werden, Herzlieb! Und so entstand mein Geburtstagsbrief: ich war ganz in die Vergangenheit versunken, war glücklich und vergaß meine eigene Sorge darüber — wurde so stark dabei! Möchte er Dir doch auch ein wenig Freude bringen und Dich auch der Unvergänglichkeit uns[e]rer Liebe gewiß machen, Du! Ach, mein [Roland]!! Ich bin so froh so glücklich, daß ich Dein bin, Du!!! Weißt Du das? Fühlst Du das? Ich möchte so gern wieder einmal ganz bei Dir sein, Du! Dir in die lieben, guten Augen seh[e]n! Dir übers Köpfchen streichen, leis und weich! Küssen möchte ich Dich, Du! So innig — Du! Ach und Deine Arme möchte ich um meine Schultern spüren — wie sie mich so fest, so fest und lieb drücken, Du!! Du!!!
Was sagst Du? Wenn ich zu Deinem Geburtstag komme? Im Traum — Du!!! Richtig noch nicht, Du! Ach, ja — Du kommst ja erst einmal zu mir — zu uns — heim kommst Du!!! Ich beginne schon die Tage zu zählen, Herzlieb!! Halt Dich nur schön warm in diesen kalten Tagen, hörst? Du darfst mir nicht krank werden, Du! Wenn Du etwas brauchst, etwas Warmes, schreib mir!! Schickst Du denn bald wieder mal Wäsche? Laß es nicht zu weit hinanbrennen, sonst kannst Dich erst mal nicht mehr erwärmen, in den schmutzigen Hemden! Du? Was ist denn eigentlich im Januar fällig, so an Bezahlungen? Ich denke eben daran, weil ich morgen früh das Geld für Dich abheben will.
Morgen und Sonnabend gibts [sic: gibt es] nochmal Arbeit, viel Arbeit, wie heut[´] auch schon, aber mein geliebtes Dickerle muß nicht arg darunter leiden, nein, Du!? Oder bist nicht zufrieden mit 2 Bogen? Na, Du! Das wär aber allerhand!!
Ach, ich bin so froh, Du! Ich möchte gar ein bissel übermütig sein, wenn ich Dich jetzt hier hätte, Du!!! Ach, Dein Bote wird bald kommen, Du!!! Sag, sag, freust Du Dich auch so wie ich? Liebster!! Daß ich Dir noch gehören darf mit ungeteiltem Herzen? Daß Du mich noch einmal und noch viele Male ganz, ganz lieb haben sollst? Du!! Du!! Wirst Du Dich auch so freuen? Herzallerliebster! Mein [Roland]!! Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund! Mein Herz! Mein geliebtes Herz!! Du!!! Du!!! Ich liebe Dich!
In Treue immerdar