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[OBF-401217-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 17. Dezember 1940.

Herzallerliebster!! Du!! Mein lieber, guter [Roland]!!

Einen langen wollnen Schal um den Bauch, Strickhosen, Strickrock, Strickkleid, Strickjacke, 2 Paar wollne Strümpfe[,] Bunzelschuhe, einen heißen Ziegelstein unter den Füßen!!! so sitzt Deine [Hilde] am Tisch und schreibt, schreibt! Ist das kalt!! Ich kann mich nicht erwärmen, immer noch rennt mir eine Gänsehaut nach der anderen den Rücken hinunter. Ich habe Feuer im Ofen, trotzdem ist die Stube kalt, das Wasser im Abstellraum eingefroren, die Dachrinne eingefroren — wir können kein Wasser in den Ausguß schütten, das läuft sonst am Hause nieder. Im Klosett steht ein Grudekasten, damit es dort nicht noch schlimmer wird. Es hilft auch gegen das Einfrieren, wirklich — wir wollen noch einen machen lassen und in den Abstellraum bringen. Dabei scheint nun die Sonne, sie hat aber absolut keine Gewalt über diese fürchterliche Kälte.

Ich hab schon gemeint, ich müßte mal raus an die Luft, um and[e]re Blutswärme zu bekommen und so bin ich auch heut vormittag gleich verschiedene Wege besorgen gegangen — aber nichts hat sich gebessert — ich hab dabei fast Hände und Ohren erfroren und zu Haus [sic] friere ich immer noch. Ich will dann mit Pappsch einen Grog trinken, vielleicht kuriert mich der! Eigentlich sollte ich das heute noch nicht tun, aber ich muß nun mal was gegen das Frieren von innen unternehmen. Sag, ist es denn bei Euch auch so grimmig kalt? Frierst Du auch so? Du! Schreibe mir nur gleich, wenn Du etwas haben willst zum Anziehen oder so! Hörst Du mich? Nicht vergessen!! 

Ich denke, wenn der Mond wieder abnimmt, dann geht auch die Kälte etwas zurück. Wie sollen wir bloß mit der Feuerung auskommen?! Wenn alle Stränge reißen, müssen wir mal die Großmutter F. fragen, ob sie uns paar Briketts abläßt, sie hat viel und sie feuern doch den Saal einmal nicht, s´ist doch nichts los.

Heute schrieben uns Deine lieben Eltern einen Brief. Auch der Vater lamentiert über die Feuerung! Es geht halt jedem so. Hellmuth und Elfriede sind zur Zeit in ih[re]r Wohnung, aber zum Feste werden sie in Kamenz sein. Die 'einzigen Gäste' schreibt Mutter, ach ja — wir wären schon gerne dabei nicht wahr, mein [Roland]? Aber diesmal muß es auch einmal so gehen. Gib nur fleißig acht! Man hat Dich von Kamenz aus bei der Heeresleitung reklamiert als unentbehrlichen Christbaumanputzer! Du! Wenn Du wirklich freikommst, dann fahre ich mit nach Kamenz und helfe Dir! Dann springt sogar noch was fü[r] uns mit raus! Ei — wenn es das doch gäbe!!

Mutter schreibt, wenn das Gesuch kein Gehör finden sollte, so muß ich mich über acht Tage doch noch selbst darüber erbarmen! Sie hat auch noch so viel Arbeit, wo Siegfried daheim war, da wollte sie nicht damit beginnen und nun drängt sich alles vorm Fest zusammen. Sogar auch Wäsche hat sie noch. Na, ich kenne die Geschicht'! Wenn sie nur auch ein Mädel hätte, so aber hat sie 3 olle Jung und die laufen ihr noch dazu davon, wenn sie groß sind. Ach so — ja — ich nehm's zurück, Dickerle!

Wie machen's denn die ollen Mädels? Sie sind sich ja alle gleich, ob Bub oder Mädel, ja? Und weil ich nun grade noch nicht groß genug — na, das weniger! — aber noch nicht alt genug bin — so muß ich halt noch bei der Mutter bleiben, siehste!

Mein Weihnachtsmann käme diesmal später: 1. wäre sowieso noch nicht alles beisamm' und 2. käme es doch nicht mehr bis zum Fest an und 3. tät[´] es womöglich im Trubel vorm Feste noch zerschlagen werden! Ja, Du! Soo  geheimnisvoll reden sie! Ich bin nun direkt neugierig! Deine Mutter kann nun meiner Mutsch noch ein Paar so schöne, hohe Filzschuhe versorgen [sic], da war die Freude groß. Für die, die man hier zu kaufen bekommt, tut einem ja richtig der Bezugschein leid, so gering sind sie.

Ich habe nun den Eltern gleich den Weihnachtsbrief geschrieben vorhin, und das Paket mit den kleinen Liebesgaben liegt auf dem Tische, vor mir, es soll dann noch mit zur Post. Von uns beiden ist es nun, Du!!

Auch für die G.er Kinder habe ich ein Päckchen zurechtgemacht, sie wollten so gerne von Mutter "Fleckeln" haben (Stoffabfälle!) sie schneidern nämlich jetzt selbst! Und Mutsch hat ihnen welche versprochen, sie hat doch viel drüben in der Fabrik. Und ich packte noch 2 kleine Püppchen bei, die haben wir am Sonntag mitgebracht. Dazu mußt ich doch auch einen Brief schreiben, mit guten Ermahnungen und vom Weihnachtsmann, den ich traf, der mich nach ihnen beiden ausfragte, und so weiter! Da geht eine Stunde vorüber — man weiß nicht wie. Die gute Tante Marie aus Lausa vergißt uns auch nicht, auch sie hat einen lieben Brief geschrieben heute. Sie meint, Du seist zum Feste daheim bei mir und in Kamenz. Ich will ihr nun auch nochmal schreiben vor Weihnachten u. ihr erzählen, daß ich bei Dir war, daß wir dies Jahr getrennt Weihnachten feiern. Sie fühlt sich recht einsam und krank, es wäre alles so beschwerlich für sie. Es ist nicht so einfach, so als alte, kränkliche Frau allein einen Haushalt zu führen noch dazu in den heutigen Verhältnissen. Vielleicht zieht sie doch noch einmal mit ihrer Schwester zusammen.

Die liebe Karte für Dich leg ich Dir bei.

Ich will auch allen [Nordhoff]'s von der Hochzeit her einen Weihnachtsgruß senden, und unsere Karten dazu nehmen, was meinst?

Ja, alle haben sie fast heute sich bei mir eingestellt, nur der liebe Hubo noch nicht. Er kommt dafür morgen nicht wahr? Ach, wie könnte er mich denn vergessen? Du! Du!! Heute wirst Du meinen Boten vom Sonntag bekommen, Herzlieb! Wirst Dich freuen mit mir, Du? So wie es kam? Mein Geliebter!! Ich bin froh, so froh darüber. Ich will doch ganz bei Dir sein, wenn ich ein Kindlein erwarten werde, ach; Du!! Ich fühl es doch jeden Tag auf's Neue, wie sehr Du mir fehlst, mit Deiner Liebe, mit Deiner Fürsorge, mit Deinem so lieben, treuen Wesen.

Ich brauche Dich ganz für mich, brauche Dich ganz bei mir, wenn ich wirklich, von Herzen glücklich und zufrieden sein soll. Mein [Roland]!! Mein lieber, liebster [Roland]!! Du!! Behüt Dich Gott! Erhalte er Dich mir froh und gesund! Du!! Mein liebster, bester Kamerad  Du mein Glück, mein Leben!! Ich liebe Dich!! Aus tiefster Seele liebe ich Dich!! Ich bin ganz Dein in unwandelbarer Treue

in inniger Liebe Deine Holde. Dein!!! Und Du bist mein!!! Du!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946