Bitte warten...

[OBF-401216-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 16. Dezember 1940.

Herzallerliebster!! Du!! Mein lieber, guter [Roland]!!

Heute früh kam Dein lieber Bote von Freitag zu mir. Mein Lieb!! Laß Dir danken — von Herzen danken! Du!! Wenn ich Dich nicht hätte, mein [Roland]!! Wenn ich Dir nicht gehören dürfte — ach Du! Du!! Wie leer wäre mein Leben — wie inhaltslos. Du!

Deine Worte erschließen mir aufs Neue, immer wieder eine ganze Welt voll Glück, voll Geborgenheit. Ach Du! Du!! Niemand sonst versteht, mich so lieb und fest und innig an sich zu ziehen — in Wort und Tat — wie Du, mein [Roland]!! Daß ich Dein bin, Du! So ganz Dein! In Freud und Leid — immer — es ist ein ganz unermeßliches Glück für mich.

Nur Du verstehst mich ganz — nur Du kannst es sein, der mich führt durch dieses Leben, weil Du allein die Liebe und die Treue hast, die ein Weib braucht, um dem Geliebten Erfüllung zu sein bis ins Letzte.

Du! Daß ich jetzt nicht bei Dir sein kann, nach allem, was [u]ns beide so sehr bewegt hat in diesen Tagen! Es wäre doch so schön — so schön! Du!! Es will mir garnicht [sic] gelingen, die Worte zu finden für alles, was ich Dir an Dankbarkeit und Liebe zum Ausdruck bringen möchte. Es gebricht mir an Worten dafür, mein Herz! Aber ich weiß, Du wirst mich auch trotzdem verstehen, wirst fühlen, wie ich Dir so danken möchte, für alle Liebe, für allen Beistand in der Zeit meiner Sorge. Ich habe es so, so deutlich gespürt: Du gehörst zu mir für immer, Gott will, daß Du mein Beschützer sein sollst für dieses Leben. Und ich könnte mich nie einem anderen so anvertrauen, so ganz hingeben wie Dir, mein [Roland]!

Eine wundersame Ruhe ist in mein Herz eingezogen, so still und friedvoll ist alles in mir. Es ist durch die Gewißheit, die mir nun ward. Mein [Roland], daß die Gewißheit kam, noch vor Deinem Geburtstage — noch vor dem Weihnachtsfest, Du, das macht mich so froh!

Jetzt wissen wir nun, nach welcher Seite hin wir unser Herz ganz öffnen können bei der frohen Botschaft von Gottes unerschöpflicher Liebe — nicht nur uns[e]rer Freude über unser reiches Glück gedenken wir dabei, auch der großen Dankbarkeit gegen Gott gedenken wir, der uns den rechten Weg wies, auf dem wir weitergehen sollen in die Zuku[nf]t hinein.

Mit der Unruhe, dem Zwiespalt im Herzen, mit der Ungewißheit hätte ich wohl das Weihnachtsfest nicht so freudvoll erlebt. Du wohl auch nicht, mein Herz. Es ist doch bei allem Bereitsein wie ein dunkles Etwas über mir gewesen, das mich bedrückte, dieses Ungewiße. Und wenn Du um mich hättest sein können, dann wäre es mir nicht so schwer geworden, alles. Nur, weil ich allein war — darüber hätte mich auch alles noch so liebe Gedenken aus der Ferne nicht hinwegtrösten könne[n]. Wenn irgend etwas Gewaltiges mein Inneres bewegt, dann brauche ich Dich, nur Dich, Deine Nähe, so komme ich am besten damit zurecht, so wird es mir am leichtesten, Du! Herzlieb! Mein [Roland]!! Du hast so treu, so lieb mit mir gewartet alle Zeit, bis zur Gewißheit, Du! Ich habe es gefühlt, daß Du ganz bei mir bist — daß Du mit mir betest — ich danke Dir so von Herzen, mein [Roland]! Ich möchte Dich ganz gewiß machen meiner großen, dankbaren Liebe, Du! Du!!

Ich bin Dein!! Du bist mein!! Soviel Glück!! Mein lieber [Roland]! Als ich gestern abend Deinen Boten in seine Hülle steckte und dann in's Bettlein kriechen wollte, da ging plötzlich die Sirene los: Alarm!

Wir waren alle erstaunt!, ich bin gleich nochmal zu den Eltern ins Schlafzimmer, ob sie schon schliefen — nein. Ich bin mit zu Mutsch in's Bett gekrochen. Im Keller waren wir nicht, wir hörten keinen Ton von Fliegergebrumm. Aber angst [sic] sein konnte einem schon, der Mond schien, keine Wolke am Himmel, richtig taghell war es draußen! Und kalt!!! Heute sind 20°!! Ich mag garnicht wieder raus! Eine Stunde dauerte [d]er Alarm, doch Flieger waren nicht über uns. Heute früh von 500 - 600 war nochmal Alarm, wir haben wieder keine Flieger bemerkt. Aber allerhand ist es doch von den Tommys bei der Kälte zu kommen! Ob sie wohl auch bei Euch wieder mal waren? Ist es denn da auch so grimmig? Bei uns geht die ..... nerei! schon wieder los mit dem Wasser einfrieren und mit dem Klosett! Das kann gut werden. Und die Feuerung wird alle, auf dem Rathaus haben sie gemeint: "wer zu straff gefeuert hat, mag nur mal 8 Wochen an den Hintern frieren!" [A]llerhand — was? Ich weiß auch nicht, was da werden soll. Und Eure Quelle, die Ihr so mühsam herausgelockt? Wird sie sich nicht vor Schreck wieder zurückziehen in die warme Erde? Sollte dann alle Weihe und feierliche Zeremonie umsonst gewesen sein? O, das tät mir ja leid! Du!

"Lachendes Wasser von Barkelsby", wie sinnig! Ich habe mich mit amüsiert über Euer Beginnen am vorigen Montag! Du! Aber doch nett von Eurem "Alten", daß er auch Sinn für Humor zeigt, es wird Euch gewiß allen Spaß gemacht haben.

Und mein Hubo war Musikant, schön! Hoffentlich erkennt es der Chef bei einer passenden Gelegenheit mal ein wenig an, daß Du bereit warst, Dich so einzusetzen für den ganzen Abend!! Es ist ganz gut so wie es sich fügte, daß Du ohne Aufdringlichkeit ein wenig von Deiner Eigenheit hast durchleuchten lassen können. Schon wieder neue Rekruten habt Ihr bekommen, wo werden denn die untergebracht? 20 Mann — ich sah doch bei euch z. B. in der Stube kein freies Bett mehr. Heute sind wieder so viele fort zum Kommis, Jahrgang 03 usf.. L. Bäcker, V. Schneider, P. Karl, der bei "Zaspel" Prokurist ist, sind auch alle schon weg; so eben vor Weihnachten, das ist nicht schön. Frau H. (Kantor!) traf ich, ihr Mann ist schon in Frankreich, strengen Dienst hätte er da. Einmal habe er 800 Leute im Singen dirigiere[n] müssen, glaubst Du das? Ich kann mir das garnicht recht vorstellen. Ich glaube vor Arras liegt er. Der Kantorei hat er geschrieben gerade, als ich bei Dir war.

Das Schriftstück an Deinen Bezirksschulrat hab ich mir durchgelesen, lieber [Roland]. Das hast Du sehr gut gemacht!! Ich weiß, daß Du mir es nicht beilegtest, um ein Lob zu hören, — ich soll nur auch mit teilhaben an allem — und das freut mich auch sehr. Aber — ich muß Dich wirklich loben, Du! Auf eine feinere Art, aber auch auf eine freiere und ehrlichere Art hättest Du ihm Dein Anliegen garnicht [sic] vorbringen können. Und er kann diesen Brie[f], wenn er ihn bekommt, nicht unbesehen weglegen, kann er nicht.

Es wird schon was helfen denk ich, wenn Du ihm im neuen Jahre mal schreibst!

Der Montag will schon wieder zur Neige gehen, es wird langsam dunkel. Ein paar Wege hab ich noch, da nehm ich Deinen Boten gleich mit, Du! Es geht mir heute ein wenig besser, hab nicht so viel Schmerzen, doch großen Blutverlust. Ich muß mich noch mehr warm halten; dann wird es schon besser werden. Mein Lieb!! Mein Herzlieb, Du!! Für heute muß ich Deine liebe Hand loslassen! Behüte Dich Gott! Erhalte er mir Dich froh und gesund! Du!! Mein [Roland]!! Ich liebe Dich so von ganzem Herzen!! Ich wäre so gerne bei Dir, ganz still und ruhig wollte ich Deine Nähe fühlen, Deine beruhigende, beglückende Nähe!! Du!! Wenn Du mir über den Kopf streichelst mit Deiner lieben Hand, dann werde ich so ruhig, so froh — dann könnte ich wie ein müdes Kind an Deiner Brust einschlafen. Das ist so schön, so gut. Du!!! Ich liebe Dich!!! Mein Leben!!! Mein Alles!!! Ewig Deine Holde, Dein!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946