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[OBF-401212-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 12. Dez. 1940.

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde] Du!

Dein lieber Bote blieb heute aus. Er hat es nicht geschafft. Und morgen ist der 13. Dezember. Welche Botschaft wird er mir bringen morgen? Du! Du!! Die Tage verfliegen. Kaum, daß es richtig hell wird. Schon wieder ist Singstunde. Du wirst ausgegangen s[e]in, mein liebes Hausmütterchen, Einsiedler! Da hilfst mir nun selber mit geizen für die nächste Großzügigkeit, siehst?

Wenn ich Flügel hätte — gleich machte ich mich noch fein glatt — und dann rauschte ich südwärts, bis ich die ersten Berge zu Gesicht bekäme — und dann versteckte ich mich in den Schatten eines gewissen Hauses in der S.straße — und warten — Du würdest ihn ahnen und spüren, den Lauscher — würdest ihn hören am pochenden Herzen — [W]eiß mein Lieb auch, wer ihm das Beispiel gab für solch nächtlichen Übe[^]rfall? Du!! Aber ich würde Dich nicht erschrecken — die Überraschung wäre auch so noch groß genug — Du! Liebste! Wirst frieren, wenn Du heut abend so allein in Dein Bettlein kriechst — und mir ist so warm, Du! Und wenn ich’s mal nicht bin, dann werd ich’s bei Dir!? Du! Ist das nicht komisch? Und Dein Dickerle wird sonst so schwer warm. Und dort, wo die Menschen so öffentlich aufeinander rücken, sich dutzen [sic], einander betätscheln und schunkeln, da wird ihm ganz unbehaglich, daß er am liebsten davonläuft.

Gestern in den Abendstunden kamen hier über 20 Rekruten an, frisch eingezogen (freiwillige), eingekleidet, ganz neubacken, sollen sie hier den ersten Schliff erhalten. Du! Das ist kein schöner Anfang, in diesem Lager, in dieser Jahreszeit! Wie gut habe ich es getroffen! Aber es sind alles junge Burschen, rauh und nicht verzärtelt, zwischen 17 und 20.

Wenn Du mein Rekrut sein könntest! Verkleidet und versteckt mein Kamerad! Du! Ich glaub, das geht jetzt nimmer! Das Herzlein, das große, würde alles verraten! Und die zarten, weichen runden Glieder! Ach, und das Schlenkerbeinchen von meinem Evchen! Ach alles, alles an meinem lieben Weib! Alles verrät das Weib an meinem Herzlieb! Und darum habe ich es doch so lieb!!

Nein. Jetzt müssen wir noch eine Weile ganz brav warten — und dann können wir einander immerzu Kamerad sein — und brauchen es gar nicht zu verbergen — und Du brauchst Dich nicht zu verkleiden — und dann können wir die Tür zuschließen! Du! Und niemand darf hinaus! Ätsch! — Und niemand herein!!

Du! Wie wird uns zumute sein zum erstenmal [sic] in den eigenen Pfählen?! Nicht bei fremden Leuten! Nicht zu Besuch und zu Gaste bei den Eltern! Im eigenen Nest!! Du!! Du! Ich wird[’] gar kein Heimweh verspüren! Und Du wirst gar keine Zeit haben zum Heimwehkriegen. Am Vormittag, dem frischen und nüchternen, kommt es nicht, und am Nachmittag, da will Hubo ja schon wieder zu Hause sein, spätestens zum Kaffee! Na — und wo wir beide zusammen sind — da ist zu Hause!! Ach Du! Wenn ich daran denke, möchte ich ungeduldig werden. So habe ich wohl noch auch keine Lehre gespannt wie auf die, welche uns noch bevorsteht, so mich noch auf keine gefreut. Auf diese Schule, Du! Und eine [sic] Lehrer ist auch dabei! Und wie wird ‚Sie’ sich stellen? Nein, Nein! Zwei Schüler, einer gilt so viel wie der andere, beide Lehrlinge, gleich dumm beide — und kein Lehrer! Und sollen doch lernen — o! vieles [le]rnen! Soll eines dem anderen aufpassen und raten und helfen und wehren!! Keine leichte Schule! Aber Du und ich, ach Liebste! wir werden fein lernen — und es soll mir eitel Freude sein!

Geliebte! Für heute Leb wohl! Ich warte auf Deinen lieben Boten! Ich bin immer um Dich mit meinen Gedanken! Gott, behüte Dich! Mein Lieb! Ich bin ganz froh und zuversichtlich!

Halt Dich fein warm! Schließ alles fein zu! Du!!! Ich freue mich, daß zu Hause Urlaubsfreuden sind — bald, Geliebte! — gelten sie uns! Fein brav warten und sparen und geizen! Du und ich!! Meine liebe, liebe [Hilde]! Du mein Glück, mein Sonnenschein, mein Leben!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen!! Dir schlägt, es, Dir allein!! Fest und treu!! Geliebte!! Holde mein!! Dein [Roland] bin ich! — Nur Dir mag ich gehören!! Und Du bist mein liebes Weib! Meine [Hilde]!!! Du! Du!!!

Viele Grüße an die lieben Eltern.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946