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[OBF-401211-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 11. Dezember 1940.

Herzallerliebster!! Du!! Mein [Roland]!! Mein lieber, lieber Roland!!

Mit Deinem lieben Boten vom Sonntag bin ich gestern abend schlafen gegangen. Viele Gedanken waren um mich, liebe und gute. Ich sah meinen [Roland] ganz nahe vor mir, in seinem Wesen — sein Wesen, das mich so beeindruckte von Anfang an, das ich so liebgewinnen mußte, daß ich es gar nie mehr um mich missen könnte. Du — Du hast Dich oft so sehr gesehnt nach einem lieben Menschenkinde, an das Du Dich vertrauensvoll anlehnen kannst. Bei dem Du einmal ausruhen kannst von aller Mühe; das Freud und Leid mit Dir teilen möchte — das Dich von Herzen lieb hat.

Du hast es selten, o sehr selten gezeigt in den Stunden, die ich mit Dir in der Singstunde zusammen war. Aber ich sah Dich mit meinen Augen, Du — und die sahen ein wenig mehr vielleicht, als die der anderen Mädchen. Bis auf eine, die auch so sah mit ihren Augen, wie ich. In ihren Augen zu lesen hast Du eher gelernt, als in meinen. Ich trage Dir das nicht nach, Du! Aber ich weiß es.

[U]nd wie oft habe ich mich denn selbst im Inneren vermessen gescholten, wie konntest du mich junges, unfertiges Ding, ohne einen besonderen, äußeren Reiz beachten —— gar lieben!

Aber es ward mir immer deutlicher bewußt; trotz aller Mühe, mein Herz von Dir zu wenden, daß ich Dich liebte, Du! Liebte, wie ich nie zuvor einen Menschen lieb hatte. Ich war Dir ganz verfallen, so ganz. Ich hätte alles ertragen um Dich. Auch ein Leben ohne jede Hoffnung für mich. Wenn — wenn ich Dich frei gewußt hätte, weiterhin frei.

Du! Hättest Du einer Dein Herz zugewandt — ich hätte dann mein Leben nicht mehr ertragen. Ich hätte es nicht gekonnt — Du! Und ich weiß, weiß ganz genau, daß es garnicht mehr schwer ist, das Leben dem Herrgott zurückzugeben, wenn man am Ende ist, wenn es plötzlich ganz ruhig in einem ist, daß man nur noch einen Schritt zu tun braucht, um den Frieden zu spüren, die Erlösung von aller Herzensnot. Ich weiß es so genau. Und es ist mir gewiß nicht schwer, nicht so schwer, daß ich es nicht tun könnte. So sehr und so heftig, wie ich einen Menschen lieben kann — so sehr kann ich auch von ihm mich enttäuscht fühlen — und dann — dann will ich nicht mehr leben, dann kann ich nicht mehr Du, weil es dann zu Ende ist — alles, alles. Ich kann nur einmal lieben. O Du, wohin vergesse ich mich denn? Mein Herz! Du! Verzeih, bitte verzeih! Ich habe gar keinen rechten Grund dafür, daß ich so schwermütig werden ko[nn]te. Vielleicht liegt es an dem grausig—finsteren Tag heute, der geht auf's Gemüt. Oder bin ich gar traurig, weil Dein Bote heute ausblieb? Ach nein! Du, er wird dafür morgen kommen. Aber traurig bin ich doch um eines, wenigstens verstimmt hat es mich: der Bäcker bestellte mich heute um ½ 3 zu sich, um meine Pfefferkuchen zu backen und eines um’s andere schob er dazwischen, sodaß ich ½ 6 erst heraus kam. Was sollte ich tun? Seine Frau war in Chemnitz mit den Jungen. Er hatte alles allein u. vor Weihnachten ist schon viel Arbeit, ich bin ihm auch ein wenig zur Hand gegangen, damit ich meine Sachen eher backen konnte — aber wie dann das Feuer im Backofen aus war! Das war mir dann doch zu viel. Aber ich konnte auch nicht erst mal heimgehen, das hatte keinen Zweck u. ich mußte auch meine Kuchen selber fertig machen, er wußte ja nicht, wo anfangen vor Arbeit. Da hieß [e]s nur: Zähne zusammengebissen, Geduld nicht verlieren. Wenn mir nicht immer der „15. Dezember, letzter Termin für die Weihnachtspakete in’s Feld“, vorgeschwebt wäre, ich hätte mich bedankt für den Betrieb und wäre gegangen. Morgen verdirbt er mir vielleicht noch einen Nachmittag, da soll ich um 300 Stollen backen kommen. Und ich habe mir soo viel vorgenommen für den Nachmittag heute. Nun ist es mit dem Wegebesorgen, Abendbrot derweil fast 8 geworden u. ich wollte, daß Dein Brief heute noch zur Post kommt. Nun will ich heute abend ein paar Überstunden machen, heute muß es noch werden. — Du! Ich schließe für heute, mein Lieb! Ach Du Armer, Morgen Donnerstag: ein verlorener Tag, Freitag: Reinemachen, Einweichen, Sonnabend: Wäsche. Du mußt nun wieder mit d[’]runter leiden. Wenn nur erst alles überstanden wäre! Du! Ich habe gestern gewartet — nun ist heute wieder Abend — die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Herzallerliebster! Behalte mich lieb!! Behüt[’] Dich mir Gott! Erhalte er Dich froh und gesund! Ich liebe Dich! Mein [Roland]! Ich liebe Dich so sehr!!! Du!!!!! Ich bleibe in Treue, in inniger Liebe immer Deine Holde. Du!! Du!! Hab mich lieb — immer!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946