Dienstag, den 10. Dezember 40.
Mein liebes, teures Herz! Geliebte! Meine liebe [Hilde]!
Welcher Soldat kriegt wohl die schönsten und treuesten Briefe? Ach Geliebte! Soll ich Dich loben? Es ginge ja doch daneben, und ich mag es nicht?. Soll ich Dir sagen, wie glücklich ich bin und wie ich Dich liebe und noch viel lieber gewinnen will? Ich kann es nicht sagen, die Worte können es nicht. Wenn ich Dich [ein]mal in die Arme schließen kann, dann möchtest Du es viel besser empfinden. Wie ich mich darnach sehne, es Dir zu sagen und Dir zu zeigen, Dir ganz nahe zu sein — Du! eins mit Dir! So ganz nahe, Geliebte! Meine [Hilde], Du!!! Am Sonnabend hast Du so sehr nach mir verlangt! Ich habe es gespürt, Du! Das Schlüsslein war zum ersten Male wieder rebellisch. In der Nacht zum Sonntag habe ich auch schlecht geschlafen.
Liebste! Du! Wie Du es mir schilderst, daß Du nach mir verlangt [h]ast: es macht mir ein wenig Sorge. Was soll ich Dir raten zum Troste? Gewiß klingt die Unruhe uns[e]rer Tage noch nach darin. Du wirst ruhiger werden. Und Du mußt selbst ein wenig dazutun, daß Du Dich nicht unnötig erregst. Magst alles Frohe, und Stolze und Schöne und in die Zukunft Weisende uns[e]rer Liebe aufrufen, und magst alles Quälende und Schmerzende verbannen. Es gelingt nicht immer. Ich will Gott bitten, daß er Dir hinweghilft über die schweren Stunden. Geliebte, Du! Ich weiß, und wenn sie Dich noch so schmerzte, Du würdest uns[e]re Liebe darum nicht verraten. Aber sie soll Dich doch so beglücken, Liebste, Du!!
Und wenn ich dann auf Urlaub komme, Du! dann wollen wir beide wieder glücklich sein! Glaubst, daß wir es sein werden? Du!! Du!!! Noch mehr als zum letzten Male? Ja, ja, Du!! Weil ich es will! Geliebte!! Dich beglücken und erlösen!! Und — Du! — weil ich es [d]ann schon besser kann — ja? — Du!! Liebste! Geliebte! Mein süßes, liebes Weib!! Weißt, Dein Dickerle hat doch einen guten Ortssinn! Wo er einmal war, findet er sicher wieder hin — und dann immer besser und sicherer und müheloser — Du!! Du!!! Du! Wird[’] ich denn ins Gärtlein dürfen dann? Du! — Geliebte! Meine liebe, liebe [Hilde]!!
Das kleine niedliche Angebinde vom Lichtlabend sende ich Dir zurück, damit Du es aufhebst. Den Gruß der Kantorei sandte ich Dir zurück, weil ich glaubte, Du habest die Malerei auf dem Bogen vielleicht noch nicht gesehen, die beziehungsreiche. Liebste! Nicht orakeln! Ich habe zu allem auch meine Gedanken, ich halte mich innerlich bereit — über alle Hoffnungen und Sorgen dazu aber stelle ich die Bitte und Zuversicht: Was mein Gott will, gescheh allzeit; denn sein wWill´ ist der beste! Geliebte, ich bitte Dich! Mache auch Du Dich innerlich ganz vertraut mit dieser Haltung.

Aus ihr allein kommt uns die Kraft, alle Sorgen und Schwachheiten zu überwinden — und Du! Das Wichtigste! Daß wir für den einen Fall alleme [zweimal durchgestrichen] Reue weit von uns weisen — daß wir freudig ja sagen und alles auf uns nehmen. Du! Das ist so wichtig, wie es schwer ist. Und jetzt noch, Geliebte!, bitte ich Gott, er möge es so fügen, daß wir zusammen es tragen können, ich und Du, daß wir in vielen trauten Stunden uns bereiten können; daß ich um Dich sein kann, der Dich am besten versteht, dem Du Dein Herz ausschütten magst, dem Du Dich ganz vertraust, der Dir in schwachen Stunden den besten Trost zusprechen kann, und der Dich einhüllen möchte in den Schutz seiner Liebe. Geliebte! Bist Du mir böse um dieses Gebet? Ich weiß, Du bist es nicht, Du verstehst mich, und schließt Dich wohl der Bitte [^]sogar an.
Dein lieber Bote vom Montag ist schon in meiner Hand. Er ließ es mir noch einmal so deutlich werden: In den schweren Stunden der Geburt eines Kindleins, und gar des ersten, fremden Menschen ausgeliefert zu sein, keine sichere Heimat und keine feste, eigene, häus[li]che Ordnung hinter sich zu wissen — es ist so schwer und hart. Und Du bist nicht die, die das nicht empfinden würde. Ich schreibe das nicht, um Dich bange zu machen, sondern damit Du mein Gebet verstehst. Du weißt, daß ich alles täte, was ich nur vermöchte, um Dir beizustehen — und [^]bei Deiner lieben Mutter wüßte ich Dich in besten Händen, und Du müßtest es dann auch dulden, daß als mein Vertreter meine liebe Mutter noch dazu um Dich wäre — und wenn es so weit ist, dann darf ich ja doch nur im Zimmer nebenan sein, nicht wahr? — aber in den Stunden davor, Geliebte!, und wenn Du dann vom Schmerz zum ersten Male glücklich die Augen aufschlägst — Du! — Geliebte! — glaubst Du, daß ich dann eifersüchtig wäre auf jeden noch so lieben Beistand ? Du! Verstündest Du das? Wenn ich dann ganz allein sein möchte mit Dir? Sag, Du!! Herzallerliebste! Verstehst Du mein Gebet? — Von unseren Bildern wollte ich Dir schreiben.
Siehst Deinen großen Jungen, Deinen Hubo? Und daß er glücklich ist? Du! Ich war es wirklich, Geliebte !!!
— 2 —
Daß ich Dich vor Frau Holles Haus stehen sehe und daß Du da, mein Herzlieb, das meinem Herzen am allernächsten ist, auf der fremden Bank vor der fremden Stadt hier sitzen sehe, das ist mir am meisten Beweis dafür, daß Du mich hier aufsuchtest, Herzallerliebste!
Die anderen Bilder rufen diesen Gedanken: Wenn wir lange umeinander waren, dann geschieht das Wundersame: daß wir einander ähnlich werden. Am deutlichsten spricht mir das aus dem Bilde mit Pappsch und Mutsch. — Weil wir nun über ein Vierteljahr einander entbehren mußten, haßst Du Dich wieder selbständig gemacht zum [Laube], mehr noch zum F.. Ja, Du! Wart mir, wart! Ich will Dich scho[n] zurechtrücken und zurechtbiegen — [Nordhoff] heißt Du jetzt! — Läßt Dich wohl von Deinem Dickerle zurechtbiegen, Du?!! Du! Ganz, ganz lange wird er Dir in die Augen schauen — wird Dich drücken und herzen! Du!! Was ich hier sage, ist keinesfalls bös gemeint. Ganz sehr gefällst Du mir auf allen Bildern, und ich bin so froh, daß ich sie besitze. — [Laube].
[Bemerkung der Herausgeber: Die hiernach folgende Besprechung von Hildes Mädchenname macht keinen Sinn mit dem Pseudonym „Laube“ aber doch im Originalen.]
Da fällt mir etwas ein. Heute las ich den Lebenslauf eines Soldaten, dessen Mutter, aus dem Rheinland stammend, hieß geb[orene]. [„Laube“ mit e]. Das ist genau Dein Mädchenname. “[be]” ist die alte Form von [„be“ mit e]. [„Laube“] ist also [„be“] an [Laub], an [Lau]heit. Diese Entdeckung würde ein weiterer Beleg dafür sein, daß die ganze G.er Gegend vom Rheinland her besiedelt wurde, was ein Lehrer an Ortsnamen und Geschlechternamen schon einmal recht überzeugend nachgewiesen hat. “Ein rheinisches Mädel — — —” Du ! Ich glaub, dorthin müssen wir mal eine Reise machen, vielleicht uns[e]re Hochzeitsreise? — Herzliebes! Mit Deinem Vater warst allein am Sonntag. Sag ihm Dank für den besonderen Gruß. Als Dir so die Nadel unruhig wurde in den Fingern, da hat auch Dein Hubo hinter dem Schreibpapier gesessen, ach lange, so lange! Du! Glaubst, daß ich gern bei Dir, bei Euch, einkehre, wegen Deiner Eltern? Die Eltern, denen Du, mein Lieb, dein Leben dankst — Du, es ist so sonderbar. Nicht, daß ich dann wie ein Detektiv wachsam spannte, beobachtete und notierte — so bin ich nicht — nein, ich lasse mich dann in gewisser Weise von Eurer Häuslichkeit, Eurem Hausgeist, einspinnen — und ohne Worte fühle ich dann etwas von ihrem Wesen, das ja in Dir aufgegangen ist. Ob sie so wie wir sich sehr lieb hatten, als Du geboren wurdest? Gewiß nicht so bewußt wie wir. Ob sie es wohl wollten? Ach, neugierige Fragen sind das, auf die wir nie Antwort erhalten. Du könntest ebenso mich zurückfragen. Ob es wohl von Einfluß ist und Bedeutung, ob Eltern mit ganzer Kraft und Liebe ihr Kindlein wollen — oder ob sie dann eben dem Zufall Rechnung [t]ragen? — Aber es ist recht, wenn wir uns darüber Gedanken machen — und es ist nur natürlich, daß wir es unseren Eltern zuvortun wollen. —
Du, das vergaß ich Dir zu schreiben: Von den Eltern borgst Du kein Geld mehr! Und die 50 M[ark] zahlst Du alsbald zurück! Du Schüppchen! Wie stellst Du Dich an! —
Nebenher habe ich einen Brief an den Schulrat fertig gemacht, er brannte mir schon lange auf den Nähten. Ich schicke Dir das Konzept mit. Ob das helfen wird? — Was steckt dahinter, wenn Du schreibst: “Ich will Frau P. schreiben, so aus allerlei Gründen.” Ich bin nicht neugierig, Du!
In das Mausloch willst doch nicht wieder! Aber in meine Uniform? Dein Hubo wird tatsächlich nächstens eine neue kriegen, eine 1. Garnitur, für den Urlaub. Dann wäre die 2. frei! In mein Bettlein? Du?! Und ganz brav? Das magst Du jedem anderen versichern, nur Deinem Hubo nicht! Und wenn Du schon brav sein wolltest, Dein Dickerle — könnte es nicht. Aber gute Nachtruhe hätten wir jetzt. Der Engländer war nicht wieder hier, seit Du fortbist [sic]. — Aber Du! Das vom Rückenwaschen werde ich mir gut aufheben für den Fall, daß Dein Gedächtnis mal nicht ganz mitwill in diesem Punkt. Ganz frisch gebadet sitzt Dein Hubo am Tisch jetzt. Er hat sich ausgebreitet, hat einen Tisch ganz allein, das Schatzkästlein steht vor ihm — es sieht nicht links und rechts, er sieht und hört nicht, was um ihn vorgeht — er ist ganz bei Dir! Geliebte! Meine liebe, liebe [Hilde]!! Wer denkt noch so fleißig nach Hause hier? Geliebte! Ich wäre auch eifersüchtig auf ihn.
Ich glaube, nun habe ich mal wieder alle lieben Klapse und Hiebe zurückgelangt.
Meine liebe, liebe [Hilde]! Gott behüte Dich! Er schenke uns Kraft und Geduld!

Mach Dir keine Sorgen um mich, auch nicht um Weihnachten! Du! Mit der frohen Botschaft von Gottes unerschöpflicher Liebe sollten uns[e]re Herzen erfüllt sein voll Dankbarkeit und Freude über unser reiches Glück, von der frohen Gewißheit, daß wir beide zusammenstehen, Geliebte, in Liebe und unerschütterliche Treue, von der Zuversicht, daß Gott uns sieht und schützt und gnädig ist, und von dem freudigen Glauben an ein baldiges Wiedersehen!
Meine liebe, liebe [Hilde]! Laß Dich herzen! Laß Dich küssen! Laß Dir sagen: Daß ich Dich liebe, daß ich Dich aus tiefstem Herzen liebe!! Dich allein!!! Du!!! Dein [Roland] bin ich!!!
Meine liebe, liebe [Hilde]! [Auf der Seite geschrieben]