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[OBF-401209-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 9. Dezember 1940.

Herzallerliebster!! Du!! Mein [Roland]!! Mein lieber, lieber [Roland]!!

Die Mutsch sitzt mir gegenüber — ja, sie ist heut noch daheim! — und liest Rosinen aus, macht Mandeln aus, alles Geschäfte, die Deiner [Hilde] die Geduld ausgehn lassen — Du!! Sie meint, die Mutsch: „Wenn nur unser [Roland] da wäre, der tät mir gerne mit helfen!" Na ja — soo viel gibt's ja heuer garnicht vorzubereiten, es fehlt ja an allen Ecken. Und wenn ich sehen würde, daß sie es nicht allein schaffen kann — na dann — ohne weiteres! Du, weißt warum Mutsch noch daheim ist? Wir haben gestern eine Hente Ente bekommen, wo Papa nachfragen war! Die mußte doch auch gleich gut versorgt werden, gerupft und ausgenommen. Das macht Mutter am liebsten selbst. Von heut früh 9 bis kurz nach 12 [Uhr] hat sie an dem Lausevieh herumgeknaubelt — soviel Federn hatte sie, daraus will sie uns ein Puppenbett machen! Nun liegt sie in der Pfanne und ihr Duft steigt mir lieblich in die Nase. Aber es gibt nur das Entenklein — das übrige wird eingeweckt für die Feiertage! Du! Papa kriegt vielleicht bis zum Februar eine Gans! Er hat sie ihm so gut wie versprochen! Aber da wollen wir Weihnachtsbraten schmausen zusammen. Ja, nun will ich backen und hab noch immer kein Zitronat, so [‘]ne Lumperei. Ich kann es doch nicht so lang hinausschieben, Du sollst ja von allem, was ich backe, eine Kostprobe haben! Und bis spätestens zum 15. müssen sämtliche Pakete aufgegeben sein. Morgen soll ich nochmal nachfragen bei S. drinnen, ich hab schon heute geschimpft! Und beim Bäcker kann ich auch nichts Genaues ausmachen wegen der Backzeit, die warten auch nicht grade bloß auf mich, bei ihrem Betrieb. Hab ich [‘]ne Wut im Leib gehabt heut den ganzen Tag — in Limbach war ich 2 Stunden und hab das nicht gekriegt, was ich haben wollt. Ach, es ist ein Elend heutzutage — und grade, weil ich mir's so schön ausgedacht hatte.

Du! Wenn nicht Dein lieber Bote heute gekommen wäre, der mir soviel Glück und Freude bescherte herzlich, es wär[’] ein verdrießlicher Tag für mich geworden, so wie er draußen verdrießlich ist. Aber nun, Du! Nun!! Es ist doch alles so nebensächlich das and[e]re, neben meinem großen Glück. Wenn Du mich nur lieb hast, wenn Du mir nur bleibst, mein Herz!! Dann lasse ich doch alles, was mir eben noch begehrenswert schien, fahren — und Du allein vermagst mich zu trösten und sei's mit einem lieben kleinen Worte nur — über solch kleinen Weltschmerz, der nun mal mit vorkommt. Es ist ja auch kaum der Rede wert im Grunde. Aber wenns eben gegen unser Programm geht, da ist es doch ein Anlaß zu Ärger und Verdruß.

Wenn Du erst bei mir bist mein Lieb, dann wirst schon in der Zeit die kleinen Hausfrauensorgen vertreiben, daß sie garnicht erst Platz nehmen in unserm friedliebenden Reiche, ja?

Die Mutsch kam gestern wie versprochen, mit dem 700 Bus zurück. Nun gab's ein Erzählen! Also, den ganzen Quatsch, daß ich sie soll pflegen, den hat die gute Oma eingebrockt! (Dacht ich mir.) Und daβ meine Mutter kommen soll, will sie auch nicht erzwingen, gewiß, sie hätte es sehr gerne geseh[e]n (weil Mutsch eben allen Dreck rührt) aber bei ihrer Gesundheit jetzt, da könne sie es ja garnicht verantworten, wenn Mutsch was passiert. Sie geht ins Krankenhaus bis die gefährliche Zeit, die ersten 9 Tage um sind, dann geht sie heim in ihre Wohnung — der Laden ist doch zu — und eine gute Bekannte, nein sogar eine Verwandte, (Cousine vom Onkel) die in der gleichen Straße in Stellung ist, bei einem Bäcker, will die ersten Nächte dann bei ihr schlafen — damit sie nicht raus muß in der Kälte, sie macht auch dann früh Feuer. Und die beiden Mädel sollen nach Mittelfrohna zur Oma und wir sollen uns mal mit drum kümmern. Das wollen wir gerne tun, ich nehme auch mal eine rauf, auf paar Tage, d.h. wenn sie folgt, ärgern tu ich mich nicht — bei mir heißt’s: parieren! Oder kehrt — marsch. So gut, wie ich bin — aber ich kann mir von so [‘]nem Gör meine häusliche Ordnung und meinen alltäglichen Plan nicht stören lassen. Das gibt's einfach nicht. Die Mutter ist da nun weicher als ich, sie dauert es gleich — und sie wunderte sich schon beim letzten Mal, wie H. bei uns war, daß ich so strenge verfahren kann mit der Kleinen. Aber das ist falsches Erbarmen. Ich verlange ja nichts Unmögliches von dem Kind! Einzig und allein: es muß folgen.

Und wenn es das nicht will, oder nicht gewöhnt ist, dann heim mit ihm, bei mir gibts sowas nicht. Mag die Oma dann von mir halten, was sie will. Ich bin gewiß diejenige, die den guten Willen [z]eigt, und nicht bockbeinig ist.

Also, die Sache ist für uns erledigt!! Die alten, guten Omas, die müssen doch überall und immer ihre Nase bissel mit reinstecken! Na, auch Du weißt hier Bescheid!

Ich soll einen Gevatterbrief kriegen, sie will garnichts geschenkt haben, meint sie — nur, das Kind will ja Paten haben.

Es wird gleich im Krankenhause getauft werden, wie es so üblich ist. Ich will nicht hinfahren, und doch nicht dieser Stunde halber so [‘]ne umständliche, teure Fahrt unternehmen. Ich werde ihr einen lieben Brief schreiben und ihr sagen, daß ich sie besuche, wenn sie wieder daheim ist. dann [sic] nehme ich auch ein Geschenk mit für das Kind. Einbinden, wie es hier so Sitte ist[‚] werde ich nichts. Im Krankenhaus ist es auch anders, als in der Kirche, da brauchen die Paten nicht heranzutreten, die werden nur verlesen. Ich denke, so ist es vernünftig — wie ich´s halten will. Was meinst Du?

Der Junge heißt Gotthard — das Mädel Barbara, Bärbel. Es kann vor Weihnachten noch losgehen — sie weiß gar keine Zeit — das verstehe ich ja nun auch nicht.

Deine liebe Mutter schrieb mir auch einen lieben Brief. Also sie ist die edle Spenderin!! Vom Siegfried erzählt sie und daß er schon das 3. Mal in Schibock war in einer Woche, ob er noch immer zu der Alten [g]eht? Ich hab's der G.er Gertrud nicht erzählt, daß Siegfried da ist, ich weiß nicht, warum ich's nicht konnte — dabei habe ich doch eigentlich gar keine Veranlassung ihr zu verschweigen. Aber ich werde das Gefühl nicht los, daß ihre Eltern, die Mutter hauptsächlich, auf einen ‚[Nordhoff]' spekulieren. Und Hellmuth wird auch erwartet, kommt Elfriede ja auch mit nach Kamenz. Ach, da ist soviel Betrieb in der Pension, daß mein Fehlen garnicht auffällt. Mutter wird schön sorgen müssen, alle Mäuler zu stopfen! Auch sie will diese Woche backen, von der „Abgedarbten"! Daß Elfriedes Mutter schon wieder im Krankenhause liegt, wußte ich garnicht. Die arme Frau muß sich nun so zu Tode quälen — es ist zu traurig. Weil nur Elfriede ein Weihnachten hat, sie mußte soviel schon entbehren all die Zeit daher. Wir wollen Gott danken, daß wir gesund an Leib und Seele das schönste der Feste begehen dürfen — auch wenn wir uns nicht die Hände drücken, nicht in die Augen sehen können — das ist allein schon so viel Gnade und Glück. Und wir werden ganz tapfer sein — Du — und ich — wir dürfen nicht nur an uns denken, mein Herz! So wie nach dem Winter Frühling wird, Du! So wird eines Tages der Frieden einziehen in's Vaterland! Und dann ist alles gut — alles gut — ich glaube daran — ich glaube — Du!! Du!!

Behüte Dich mir Gott! Erhalte er Dich froh und gesund! Mein Leben!! Ich liebe Dich!! So innig lieb ich Dich!! In Treue immer Deine Holde. Du!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946