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[OBF-401208-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 2. Advent 1940.

Herzallerliebster!! Du!! Mein [Roland]!! Mein lieber, lieber [Roland]!!

Ich hatte mich hingestetzt um zu häkeln ganz emsig wollte ich sein. Der Vater schläft, die Mutter ist noch nicht da. So gut würde es passen. Aber Du! Du bist es, der mir keine Ruhe läßt! Du Schlimmer! Mir brannte richtig die Nadel zwischen den Fingern — ich mußte sie weglegen.

Nun sitze ich wieder hier und denke Dein, mein [Roland]!

Dein Bote blieb heute aus — ich konnte es erst kaum glauben, ich meinte, Vater wolle Scherz mit mir treiben — er fing nämlich den Briefträger ab. Aber er wird morgen kommen.

Ich bin nun heut wie Du, eine unerhörte Liebhaberin!

Meinst Du? Wörtlich genommen könnte ich's nicht glauben!! Hast Du denn ausgeschlafen, mein Dickerle? Kameradschaftsabend. Ich habe gestern abend noch so lange wach gelegen, ich mußte immer an Dich denken. Musiziert hast Du wieder einmal nach langer Zeit; es wird Dir Freude gemacht haben. Du hast an solchen festlichen Abenden im Grunde doch wenig Gewinn, Erbauliches bieten sie ja kaum — Amüsantes, einen frischen Humor hast Du aber diesmal gewiß kennen gelernt; nachdem Euer Chef sich so intensiv mit der ganzen Sache befasste! Und darum bin ich recht froh, daß Du den musikalischen Teil übernommen hast, Du hattest wenigstens einen Gewinn, eine besondere Freude, ganz für Dich. Ich freue mich, wenn Du mir ein wenig davon erzählen möchtest!

Vorigen Sonntag erlebten wir den schönen Gottesdienst. Ich denke so gerne daran zurück. Das waren aber auch die einzigen besinnlichen Stunden an diesem Tag — sonst alles ein bunter Wirbel von Eindrücken und Erlebnissen. Die überstürzte Abreise, die Zeit in der Gesellschaft Deiner früheren Kameraden. Und dann saßen wir noch ein Weilchen allein beisammen — und doch — nicht allein — so vielen Blicken Fremder preisgegeben.

In der Bahn, auf der Fahrt nach Kiel — Du! — Da wurde mir so sehr schmerzlich bewußt, daß die glücklichen Stunden bald — o — bald — zur Neige gehen wollten. Ich drückte Deine Hände, — Deine so geliebten, treuen Hände — ich hätte sie so von Herzen gerne nie mehr losgelassen — Du! Du! Und wieder stieg ein Wunsch auf in mir, heiß — fast inbrünstig: daß Du ein Stück von Dir mögest bei mir gelassen haben — Du — bei mir — in meinem Schoße — Liebster, Du! Das Kindlein uns gegenüber — ich mußte es so oft ansehen, so sehnsüchtig schaute ich auf das Bild — die glückliche Mutter. Und dann durften wir die letzten Stunden umeinander sein — Geliebter! Überall waren wir Fremdlinge, mußten wir einen Unterschlupf erst suchen, Du! Und doch — wo ich mit Dir auch bin — Du— mi[t] Dir — da ist Heimat! Da ist Geborgenheit! Da ist Ruhe und süßes Wohlbehagen! Ob in der ärmlichsten Hütte — ob im schönsten Hause. Wo Du bist — da bin ich daheim, da gehöre ich hin. Du!! Du!!! Der Herrgott sah gnädig auf uns herab.

Ruhig ging die Nacht vorüber — ich konnte den Schlaf nicht finden. Du! Ich war so wach — ich bangte um die Stunden, die so unbarmherzig abliefen — die uns der Trennung näher und näher führten. Ich lag mit brennenden Augen, das Herz tat so weh —. Wie es doch schmerzen kann, wenn man die Tränen bezwingt. Du! Du! Lieber, neben mir — Du mußtest zurück an den einsamen Ort. Allein mußt Du nun alle Sehnsucht ertragen, dieser Gedanke tat so weh, so bitter weh, mein [Roland]!!

Du hast mich noch einmal lieb gehabt — ganz lieb gehabt — wie nie zuvor — Du!! Das danke ich Dir! Du!!!

Das danke ich Dir! Mein [Roland]!

Du hast mich damit so reich, so glücklich gemacht! Du!! Du!! Ich weiß nun, daß Du es bist, der zu mir gehört — ein ganzes Leben lang! Daß nur Du es bist, der mir das schönste Glück, die höchste Erfüllung bringen kann — Du!! Du!! Mein[Roland]!!! Waren wir schon so glücklich miteinander, je zuvor? Sag? Du! Im Herzen reich und hell voll Freude und Glanz unsrer großen Liebe gehen wir durch die Adventszeit, hin zum Weihnachtsfest. Mein [Roland]! Und dieses reine, köstliche Licht, das in uns brennt wird uns erwärmen, wenn ein wenig der Schmerz um unser Alleinsein kommen will, am Fest. Mein [Roland]! Mein [Roland]! Ich bin bei Dir — allezeit!!

Ich habe noch nicht den Adventskranz gebunden, ich will ihn bis zu Weihnachten fertig machen, wir wollen in diesem Jahre keinen Baum machen; sie sind hier ganz rar, Papa hat heute mit einem Händler gesprochen, der sagte sogar: die kinderreichen Familien würden vorgehen. Wir freuen uns am Kranz ebenso und der ist bei uns des Platzes wegen sogar noch lieber gesehen, als ein Baum. Wir sind voriges Jahr so weit gelaufen nach einem so einfachen Fichtenbäumchen, das Geschäft mag heuer keiner wieder übernehmen. In Kamenz wird wieder solch schöner, großer stehen. Ach mein [Roland]! Du! Kann ich Dich ein wenig trösten mit meiner Liebe, wenn Du dies Jahr zum ersten Male nicht Weihnachten daheim sein kannst? Du hast sonst immer den Baum angeputzt, sagt die Mutter.

Du bringst es am schönsten! Ach Du! Wenn mein [Roland] erst den unseren schmücken wird!! Du!!

Nächstes Jahr wird es wohl sein, Du! Ich ahne es!

Ach, ich könnte vor übergroßer Freude weinen, wenn ich daran denke — an unser Heim — an unser Heim! Du!! Und ganz allein für meinen Herzallerliebsten will ich es schmücken und richten — für ihn allein!! Er soll so gern drin wohnen, daß er garnicht [sic] mehr fort will daraus. Du! Wie ich mich freue!

Der Vater steht auf, er hat Hunger — er weiß nämlich, daß Kuchen im Haus ist! Na, ich will ihn nur versorgen, sonst läß[t] er mir ja auch keine Ruhe. Er will dann nochmal auf den Kusche — Handel gehn — verstehst Du? Und anschließend die Mutsch abholen. Ich will heute noch an Frau P. schreiben — so aus allerlei Gründen. Nächste Woche habe ich dann alles wieder allein zu machen, wenn Mutsch arbeitet. Und zum nächsten Wochenende gibt's große Wäsche! Ich drücke darauf! Es ist grade so genug da. Schicke nur gleich alles Schmutzige noch weg!!

Nun ist der Sonntag bald wieder vorbei — es schneit, schneit was vom Himmel kann. Bei Euch auch?

Ich denke an Dich, mein Herz! Wo wirst heute stecken? Erzähle mir!

Nun behüte Dich mir Gott!! Bleib froh und gesund!

Herzallerliebster!! Mein geliebtes Herz!! Du!! Ich liebe Dich!! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen!! Ich bleib Dir treu!!

Ich gehöre ganz Dir!! Nur Dir allein!!

Deine Holde.

Herzliche Grüße von Papa! Du sollst an uns denken – er will auch an Dich denken. Er möchte Dich gerne zum letzten Bohnenkaffee einladen!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946