
[401205–1‑1]
Donnerstag, den 5. Dez. 1940.
Mein liebes teueres Herz! Geliebte, Holde mein!
Ein unerhörter Liebhaber bin ich, Du! Dein Bote bleibt aus. Findet er sich gar nicht mehr? Morgen wird er kommen, doppelt vielleicht! Ach Du, ich bin so leicht nicht mehr bange um Dich! Der Telegraf in 1 ½ Stunden, das Telefon (612 Eckernförde) in, sagen wir, in 3 Stunden – und Du selber, Geliebte!, in reichlich 12 Stunden. Die Gedanken und Empfindungen aber in Sekundenschnelle. Und der Weg bis zu mir, Du hast ihn durchmessen, und mein Ort, er ist Dir bekannt. Will Dir gleich zum Spaße noch mal den Nachtzug zu mir aufschreiben:
Chemnitz ab E 2041 [Uhr], Leipzig ab E 2310 [Uhr], Hamburg Hbf. an 523 [Uhr], Hamburg Hbf. ab 643 [Uhr], Kiel an 953 [Uhr], Kiel ab (Autobus.) 1040 [Uhr]
Siehst [Du], so kannst [Du] mir mal ganz schnell über den Hals kommen. Den Weg findest ja nun allein. Und was dann wird? Wir stecken Dich eben mit in die Kompanie. Halt! Nein! So nicht. Das Mädchen der Kompanie darfst Du nicht sein! Dann mußt [Du] eben ins Moderstübchen [sic] zu den Hunden und Katzen und Mäusen, ins schwarze Loch. Liebste! Wenn man es bedenkt, womit wir haben vorlieb nehmen müssen, wieviel Ordnungswut Du hast verbeißen müssen! Mir war immer auch ein wenig unbehaglich zumute schon wegen dieser Schreckmittel und Fratzen, die da herumstanden, einschließlich uns[e]rer Teemieze. Weißt, das schönste war noch unser Bettlein! Du!! Das war wohl in dem Stübchen das einzige Möbel, dem man nicht so ’n [sic: so einen] alten Jahrmarktskram angehängt hatte, das allein schlicht und einfach dastand, um seinem Zwecke zu dienen. Welchem Zwecke? Psst! So fragen nur ganz neugierige Leute, das ist auch nichts für kleine Kinder. Nein. Aber großen kann man’s [sic] ruhig sagen: Müden eine Ruhestatt zu sein. Ja, man kann eben sein Stübchen verschieden einrichten. Und wir beide, Liebste, können an unserem noch alles verderben oder gutmachen, denn uns steht das noch frei. Und ich freu mich aufs Einrichten, freue mich auf unser gemeinsames Raten und Taten – ob wir wohl ein[ig] werden? Du! Geliebte! Ich glaube, wo soviel Liebe und Stille zum Guten walten wie zwischen uns beiden, da wird sich alles einrichten, ja? Du!!
Weißt [Du], heute möchte ich bei Dir sein! Ach, eigentlich ja immer, Du! Aber heute – steckt in mir irgendwie überschüssige Kraft, Du! Das kann nicht anders sein nach unseren Tagen, das gibt sich auch wieder. Ich weiß heute nicht mehr viel. Augenblicklich bin ich auch wieder mal musikalisch eingespannt: Am Sonnabend, zum Kameradschaftsabend, wird, von unserem Chef überaus humorvoll verdichtet, die Geschichte uns[e]rer Batterie vorgetragen. Ich werde dabei seit langem wieder einmal dem Pianoforte ein paar Töne entlocken.
Du! Wirst [Du] heut[‘] abend in der Singstunde sein? Werden die frohen Stunden, diese heimlichen, köstlichen Stunden wieder vor Dir stehen, Geliebte?[,] in denen der Brief entstand? So nahe war ich Dir an diesem Abend, so nahe Dir und Deinem Wesen – und Du mir so nahe – Herzliebes, ich spüre Dich noch im Halbdunkel auf dem Sofa so warm neben mir, Herzliebes! Ich glaube, es war mir der glücklichste Abend, Du!! Irgendwie hatte ich eine Hemmung überwunden, irgendwie war eine letzte Schranke zwischen uns gefallen, irgendwie ein letztes Band zwischen uns gelöst! Ich war so glücklich, Geliebte! Und Du warst es fast – es war der letzte leise Schatten über diesem Glück, ein Wölkchen am blauen Himmel – aber es waren die glücklichsten Stunden mit Dir bisher. Und glücklich auch deshalb, weil sie die Hoffnung in gewisse Zuversicht wandelten darum: daß zwischen uns auch noch einmal – und Du! bald einmal – Gleichklang und Einklang sein wird. [K]ann doch nicht gleich alles klappen! Hast aber auch nicht umsonst einen Kapellmeister zum Manne, der mit seinen Sängerinnen auch ohne Taktstock(!) fertig wurde. Soa Na, und mein Weiberl, es ist die schlechteste und unmusikalischste Sängerin nicht, es wird die zweite Stimme bald, bald können! Du, Liebes, Herzliebes! Wenn Du jetzt hier wärest, würde ich Dich bei Deinen Ohren und Locken nehmen, weißt noch, wie das ist? Ach Du, so möchte ich wohl noch lange mit Dir plaudern. Aber ich muß zu Bett. Eben bin ich von einer Probe zurück.
Geliebte! Meine [Hilde]! Behüte Dich Gott!
Grüße die lieben Eltern.
Denkst Du noch an alle lieben Worte, die wir einander sagten? Sie reichen alle nicht hin, um auszudrücken, was zwischen uns ist. Was zwischen uns ist, Liebste – – – ich liebe Dich, Du! Ich liebe Dich so sehr! Ich schätze mich so reich und glücklich, Deine Liebe zu empfangen, und ich weiß nichts Besseres u[nd] Schöneres als Dir um diese Liebe zu dienen mit meiner Liebe.
Dein [Roland] bin ich, immerdar! Meine liebe [Hilde]!!