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Briefkorpus

Mittwoch, am 4. Dezember 1940.

Herzallerliebster!! Mein [Roland]!! Mein lieber, lieber [Roland]!!

Nach dem heißen Bade gestern abend habe ich schön geschlafen. Herzlieb! Ich hab geträumt von Dir! Als wären wir den Weg weitergegangen, den wir abends miteinander in Barkelsby gingen, als die Sonne so farbenprächtig sank, weißt Du noch? So schien es; er mündete in eine große, grüne Wiese. Und es war nicht Abend sondern Tag, ganz hell war es um uns her. Du faßtest mich bei der Hand und wies[es]t auf die Margeriten, die da in großer Menge standen, und ich pflückte Dir einen großen Strauß davon – Du nahmst mich dafür in Deine Arme, Liebster! Ganz fest, ganz innig preßtest Du mich an Dich, Du! Ach, Du!! Ich spüre den innigen Druck jetzt noch, wenn ich an meinen Traum denke! Und wir vergaßen um uns Zeit und Raum Du – wir hatten uns ganz lieb – mein [Roland]!! Mir zittert richtig ein wenig die Hand, wenn ich daran denke, Du!
Die Wirklichkeit, die uns entschwand, die ich mir aber abends in der stillsten Stunde, vorm Einschlafen, herbeisehne mit aller Kraft, die ich an meinem geistigen Auge vorbeiziehen lasse, Du!, sie hat mich bis in meinen Traum verfolgt! Sie stand wieder vor mir mit aller Süßigkeit und Wonne. Er konnte mich nicht erlösen, mein Traum, Du! Ach, Du!! Mein [Roland]!!!

Denke nur, Liebster!, als Vater heute früh um 6 [Uhr] heimkam, da brannte in der Küche noch das Licht! Eine 75 kerzige Birne glaub ich, war drin – jedenfalls eine ganz schön starke. Und ich war der Sündenbock! Ich bin einen Moment später zu Bett, als Mutsch. Da gab's aber Donnerwetter! Gleich auf nüchternen Magen! Na, es verzog sich bald, doch zur Strafe darf ich drei Abende kein Licht brennen, ich soll meinen ‚Kram' hübsch bei Tage machen, oder meinen Geselle anbrennen!

Was tät ich lieber, als das? Dann denke ich mich abends noch mal so leicht und gern zurück zu Dir, zu unseren Stunden glücklichen Beisammenseins, Du! Nun steht er vor mir und schaut auf meine Hände herab, unser Geselle – auf die Hände, die den Liebsten zärtlich liebkosten – ach, mein Lieb – er sah all unser Glück, all unsere Seligkeit – und auch sein Mund bleibt fest verschlossen – auch er schweigt – nichts von unserer Seligkeit dringt aus einem Munde – Du! Du!!!

Der Tag begann zögernd heute, bis fast 10 Uhr blieb es trübe. Dann setzte ein heftiges Schneetreiben ein, es hält noch an um diese Stund, bitter kalt ist es dazu. Gegen Mittag packte ich mit Mutsch die große Kiste aus. Ach, war das eine Lust! Kein Stück entzwei – alles unversehrt! Die Mutsch war ganz entzückt, Du! Eine Unmenge Holzwolle haben sie dabei verstaut, wir mußten mit beiden Füßen trampeln, um sie alle wieder in die Kiste zurückzuzwängen. Wir wollen alles gut aufheben – für den nächsten Transport! Am besten wäre es gewesen, wir hätten gleich alles verpackt gelassen. Doch man hat aber auch keine Ruhe, ehe man nicht vom unversehrten Inhalt überzeugt ist. So kunstgerecht können wir es aber nicht wieder verpacken. Ich habe alle Stücke in warmem Seifenwasser gespült, abgetrocknet; was meinst Du, wie es nun glänzt. Es ist aufgestellt auf dem Stubentisch drüben, der eine blaue, von den reizenden Untersetzern steht dabei: Ganz entzückend! Darunter ein blütenweißes Tischtuch! Du!! Ich freue mich riesig über Dein Geschenk! Und ich danke Dir nochmal ganz sehr dafür, Herzlieb!! Mit einem lieben, festen Kuß!! Mutsch gebietet aber nun doch bei aller Freude Einhalt, Du!! Wir haben bis heute noch kein Plätzchen für das Neue.

Am Nachmittag habe ich nun die letzten Überreste von der Reise weggeräumt; es erinnert äußerlich nun nichts mehr daran.
Aber mein Inneres, Du! Das ist noch nicht ganz daheim, Herzlieb! Und dann, um ½ 4 [Uhr], Du! Da kam Dein Bote – Dein lieber Bote! Ich danke Dir!! Nun spüre ich sie wieder ganz nahe, Deine liebe, treue Hand – wie sie mich fest, so fest hält, mit aller Liebe, mit aller Innigkeit, deren Du, mein Herz nur fähig bist. Ich spüre sie froh, gewiß, so voll Geborgenheit, Du!! Weißt Du? Lieber? Was Du mir bist? Was Du mir in diesen Tagen auf's Neue und um so vieles mehr noch geworden bist? Du!! Du!!!

Ach – unvergänglich – unauslöschlich alles, was uns verbindet!!! Du bist mein! Ich bin Dein! In alle Ewigkeit! Wenn ich einmal zaghaft werden will, Du! Ich denke daran – Du! An den reichen Trost, den Du mir zusprachst – an die feste Zuversicht, die wir haben dürfen, sie ist eine feste Brücke über alle Feuer hinweg. Liebe, Treue, Vertrauen, das sind ihre unerschütterlichen Grundpfeiler, sie sind so fest gegründet, daß keine Macht der Welt sie wanken läßt.

Weil ich Dich nur ebenso glücklich weiß, wie Du mich,  mein [Roland]! Mit dieser Gewißheit wollen wir der langen Reihe von Tagen mutig und fest in's Auge sehen, sie wird kürzer und kürzer werden – Du! Und was steht an ihrem Ende, Du? Rat' einmal!

Ach, wir werden alles überwinden, wie wir auch das Vergangene überwanden. Und wenn die Sehnsucht einmal sich in's Maßlose steigert, Du!

Dann gibt es auf dieser Erde gewiß einen Weg, der uns erlösen kann! Liebende sehen viele, viele Wege, die sonst gar keiner sieht!

Und Bange? Die kennen wir nicht, Du!

(Nur vor Mäusen ist mir ein bissel bang!)

Du! Die Lichter beim Geselle sind gleich heruntergebrannt — ich muß in's Bett, Dickerle! Kommst bald nach, Du?

Heut brauch ich den Schalter nicht zu berühren!

Eigentlich soll ich Dich noch ausschimpfen von der Mutsch!

Aber das tu ich morgen, wenn neue Lichter drauf sind!

Morgen kann ich auch die Bilder abholen, bin ja neugierig, wie sie geraten sind. Herrn S. traf ich in der Stadt, er hat sich so gefreut über Deinen Brief, und ich soll nur morgen zum Lichtabend kommen, er will ihn mit ins' Festprogramm einschließen! In der Pfarre ist das kleine Fest.

Jetzt verstehe ich nun auch des Pfarrers wiederholtes Fragen: sie kommen doch am Donnerstag wieder? Er sagte aber nichts davon und ich hab mich so gewundert, daß er so viel Interesse zeigt, ob ich auch die Singstunden fleißig besuche.

Na, ich bin nueugierig, was von Stapel läuft.

Jetzt riecht's schon nach Engel – schnell!, ein's auspusten!

Mein lieber, herzlieber [Roland]!! Mein Geliebter!! Du!!

Behüte Dich Gott auf allen Wegen! Erhalte er Dich gesund! Ich denke an all die schönen Stunden – o – Du – voll Verlangen!! Ich bin froh – bin glücklich – daß Du mein bist!!

Ich liebe Dich!! Du!! Mein Leben!!

Ich bin in unwandelbarer Liebe und Treue allzeit ganz

Deine Holde.

Gut Nacht! Mein Herz! Träume süß!

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Hilde Nordhoff steht neben einer älteren Frau vor einer Hauswand und beugt sich zu einem Kind herunter. Der Schatten des Fotografen Roland Nordhoff ist ebenfalls zu sehen.

Ba-OBF K01.Ff2_.A15, Hilde Nordhoff mit zwei weiteren Personen, 1940, Barkelsby, Fotograf Roland Nordhoff. Büttenrand weggeschnitten.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946