
[401203–1‑1]
Dienstag, am 3. Dezember 1940.
Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste, Holde mein!
So viele neue Bilder sind, von denen ich nun träumen kann, wenn ich des nachts einmal munter werde! Ich habe 8 Stunden fest durchgeschlafen, mich ganz munter geschlafen. Als ich um 6 Uhr aufwachte, da wollten meine Gedanken natürlich gleich losspazieren nach Herzenslust. Aber ich habe sie ans Bändchen genommen und erst noch einmal nach dem braunen Schein auf die Spur gesetzt. Das Ergebnis der Unter[s]uchung? Ich habe gesucht, was gar nicht verloren war. Hör zu! In Deinem Besitz befanden sich 110 R[eichs]M[ark], also 5 Braune. 2 Braune gabst du mir zum Lösen der Fahrkarte, 1 Braunen zum Bezahlen der Miete, und mit zweien bist du nach Haus[‘] gekommen, stimmt[‘]s? Oder anders, zusammen waren in unserem Besitz 140 R[eichs]M[ark]. Davon gehen ab 25 M[ark] für die Fahrt, 37 R[eichs]M[ark] für Miete, 9 R[eichs]M[ark] für Übernachtung — bleiben, die kleinen Beträge eingerechtnet — 69 R[eichs]M[ark] — davon hatte ich bei meiner Abfahrt in Kiel 16 R[eichs]M[ark] in meinem Besitz. Also kannst du unmöglich noch 3 Braune gehabt haben. Denk bitte noch einmal mit nach — ich glaube, meine Rechnung stimmt. Ach Herzliebes! Wie schön waren die Tage mit Dir! Und ich wundere mich, wie wenig müde und schwach ich bin davon. Heut[‘] abend, eben vorhin habe ich gebadet. Es war höchste Zeit. Dich sehe ich nun wieder in alter vertrauter Umgebung und — ach Du! ich [sic] kenne das Gefühl — unzufrieden und in Gedanken immer in der Ferne uns[e]rer süßen und abenteurlichen Stunden schweifen. Vorbei — unerbittlich vorbei — Aber [sic] Du! So schön, so süß, so seltsam und reich diese Tage! Fühlst Du noch die große Freude der ersten beide Tage? Du!! Den Schmerz auch des Totensonntags? — auch [sic] er wollte einmal erlöst sein. Und dann das herzliche Einvernehmen und innige Verstehen der folgenden Tage. Und die süßen Stunden letzter Traute? Geliebte!! Dahin — dahin! Aber Herzliebes! Unser bleibt die Erinnerung der innere Gewinn, die Gewißheit uns[e]rer unlöslichen Verbundenheit, die frohe Gewißheit des Einsseins und die Hoffnung letzter Erfüllung! Herzallerliebste! Wenn so vieles uns schon so ganz fest verband, diese Tage banden uns noch fester— niemand mag sie uns auslöschen. Und nun, da Du bei mir warst, können wir in Gedanken besser Hand in Hand bekannte Wege gehen. Die Reihe gemeinsamer Erlebnisse ist nun ein gut Stück verlängert worden. Herzliebes! Ich bin so froh und dankbar im Grunde meines Herzens. Du! Morgen wird Dein Bote wiederkommen! Ich freue mich so darauf! Du bist gereist, kannst mehr erzählen. Heute kam ein verspäteter Brief von der Mutsch. Du! Sie berufet das Besizverhältnis [sic] und Eigentumsrecht an einer gewi[ssen] [Hilde]. „und gönne Dir meine Tochter von ganzem Herzen”. Liebste, Du! Weißt [Du], wer da gemeint ist? Und das schreibt die liebe Mutsch, wohl meinen Spaß aufgreifend, aber es klingt so ernsthaft, wie schwer mag ihr diese Zeile wohl gefallen sein? Ach Du, solch Streit mit so scharf formulierten Redensarten ist ja so unsinnig, dazu noch über Deinen Kopf hinweg, als ob es um eine Ware ginge! Auf Dich kommt ja alles an. Auf Deine freie Entscheidung, und Du weißt recht wohl Mutters Teil mit dem meinen zu vereinen. Herzallerliebste! Gott behüte Dich mir! Bleibe froh und gesund. Was ich für Dich empfinde — am besten käme es noch im Liede zum Ausdruck: Du! mein Reichtum, mein Gut! Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut. Ich liebe Dich aus ganzem Herzen und bleibe immer Dein [Roland].
Du! Meine liebe, geliebte [Hilde]!!