[401202–1‑1]
Montag, am 2. Dezember 1940.
Herzallerliebster! Meine liebe, liebe [Hilde], Du!

Nun, muß ich wieder zur Feder greifen. Der Himmel trauert heut[‘] mit mir: Rauh und grau ist es. Und ich darf gar nicht dran denken, Du!, [sic] daß du mir wieder enteilst. Hinter den dürren, toten Zahlen und Zeichen sitze ich wieder. Abend ist darüber geworden. Daß du bei mir warst: wie ein Spuk, ein süßer Traum möchte es mir nun erscheinen. Ich warte, Liebste, auf dein Telegramm, auf deinen ersten Boten. Wie ich warte, Du! Du wirst gleich nach ihm gegangen sein, als Du ankamst. Bis 9 Uhr will ich geduldig warten. Bis in unsere Abgelegenheit kann es lange gehen. Herzliebes: den beiden roten Lichtern habe ich nach gesehen, bis sie mir entschwanden. Dunkel und Dämmer überall – es tat mir wohl. Zu meinem Auto bin ich gegangen ½ 8 Uhr war ich wieder in Eckernförde ― im Dunkel warlag die Stadt noch ― ich war froh darüber. Im Lager schlief noch alles um 8 Uhr. Gegen morgen [sic] hat es doch noch einen Alarm gegeben, wir haben gar nichts gemerkt davon. Müde war ich und abgespannt und lustlos. Heut[‘] abend bin ich wieder ganz munter. Wie viel härter und schwerer ist die Schularbeit nach solchem ermüdenden Tage! Liebste! Ich habe Dich verfolgt auf Deiner Reise. Still und ruhig ist es in mir – Du bist glücklich zu Hause – ich spüre es ― Müdigkeit und Trauer ist auch bei Dir. Aber sie gehen vorüber und sie geben dann unseren Blick frei für das Glück, für die Freude, die uns in den vergangenen Tagen beschert wurden. Daß wir uns wiedersehen durften! Daß wir einander uns[e]re Liebe erzeigen durften! Herzliebes! Anders wohl, aber reicher noch, als wir es uns ausgemalt hatten!! Uns[e]re Liebe, die über die trennende Ferne hinweg nur größer und tiefer und inniger geworden ist, die uns leuchtet wie ein Stern hoch über allen kleinen und lächerlichen Geschäften. Du!! ¾ 9 Uhr ist es! Dein Bote ist gekommen!!! „Glücklich gelandet! Deine [Hilde]!” Ein Sonnenstrahl, mit dem dieser Tag zu Ende geht! Ich danke dir so!!!! Ich bin so dankbar, daß ich Dich wieder in sich[e]rer Hut weiß. Nun wirst du ein wenig von dem Glanz Deiner Freude um Dich verbreitet haben ― aber in ihrem Geheimnis und ihrer Tiefe ist sie nur in Deinem Herzen – gebannt – gepreßt ― wirst jezt [sic] auch über einem Brieflein sitzen und ihr Luft machen – aber daß Du ganz von ihr erlöst wirst, darauf mußt Du, müssen wir nun wieder warten – stark, geduldig, fest und treu und tapfer, Du!

Herzliebes! Und wenn du zaghaft werden willst, denk[‘] an den reichen Trost, den wir einander zusprachen, an den reichen Trost, an die feste Zuversicht, die wir beide haben dürfen – sie ist eine feste Brücke über alle Ferne – und ihre Pfeiler, die sind so unerschütterlich fest gegründet: uns[e]re Liebe, uns[e]re Treue, unser gegenseitiges Vertrauen bis ins letzte. Sie sind in den vergangenen Tagen noch viel fester gegründet worden. Herzliebes! Und hell und licht stehen Deine Worte vor mir, mit denen du mir alle Schatten verscheuchtest, stehen vor mir die reichen Geschenke, mit denen du mich beglücktest, steht vor mir Dein Wesen, in dem ich zuhause bin wie nirgends sonst in der Welt. Sie umschließen so viel, diese Tage Geliebte! So viel, daß wir es gar nicht so schnell ermessen können. Ich mag auch heut[‘] abend gar nicht länger grübeln darüber. Ich will mich niederlegen, froh und dankbar und ganz glücklich. Geliebte! Gott behüte Dich! Er ist mit uns, wir wissen es. Herzliebes! Wie soll ich heute schließen? Wie mager und dürr sind alle Worte gegen alles, was wir erlebten!
Ich liebe Dich! Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebe [Hilde]! Ich bin immer bei dir! Denk an all die schönen Stunden, rufe sie Dir zurück, die Worte uns[e]rer Liebe, sie kamen alle von Herzen, Geliebte! Sei froh und glücklich und gewiß, daß ich Dein bin, Dein [Roland]! Und ich will es auch sein, der glücklichste weit und breit: weil Du mein bist, ganz mein!! Holde!