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[OBF-401120-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 20. November 1940.

Geliebte!! Meine [Hilde]!! Herzallerliebste! Holde mein!!

Endlich — Endlich wieder ein Zeichen von Dir, der Bote vom Sonntag!! Darf ich mich schon ganz sehr freuen, Du?!!

Soll es wahr werden? Morgen! Morgen früh, soo zeitig, willst nun aufbrechen zu Deinem [Roland]? Du?!! Du!!!

Sturm und Regen sind draußen, richtiger November! Möchten sie morgen früh wenigstens ein paar Stunden verschnaufen, wenn mein Herzlieb auf große Fahrt geht! Du! Hast es auch schon gemerkt, daß es Gedankenübertragung gibt, und mehr als das — ich bin so unruhig heut abend wie Du so unruhig sein magst. Herzlieb! Und das alles, weil wir uns so lieb haben?!! Du!!! So, so viel Glück!!!

Geliebte!! Vielleicht enttäuscht Dich einiges zuerst: die neue Umgebung, die Du Dir vielleicht anders ausgemacht hast — unsre Unterkunft, die wohl nicht unwürdig, aber doch etwas ärmlich, ein Behelf ist, ein Feldlager, wie es Dein Hubo jetzt bewohnt, Krieg ist — Dein [Roland] kann nicht immer um Dich sein. Liebste — diese kleine Enttäuschung wirst Du überwinden müssen wie Dein Dickerle! Und ich will Dir helfen dabei. Unsre Herzen sind einander vertraut wie nichts sonst auf der Welt sich vertraut ist. Du bist mir Heimat, wo Du bist, bin ich zu Haus — und Du hast mir geschrieben, daß ich auch Dir Heimat bin! Du!! Geliebte! Ganz, ganz dankbar wollen wir dem Herrgott im Himmel, sein, wenn er uns glücklich zusammenführt!! Du!! Dieser Dank soll das erste sein! Und dann die Freude das zweite. Du!

Ich weiß doch gar nimmer, wie Du aussiehst. Auf jedem Bilde anders, ich kenne mich schon nimmer aus — und in Wirklichkeit auch immer anders, jeden Tag, in jedem Kleid. Ach Du, die Bilder, sie sind wohl manchmal ein Trost — aber sie sind doch auch oft ein quälender Ersatz: der Mund bleibt starr, das Auge stier, still das Herz — und sie kommt mir nicht entgegen, auch wenn ich sie noch so sehnsüchtig anschaue, Du!! Wie freut sich Dein [Roland] darauf, Dich zu sehen, Herzlieb! Die Augen sind seine wachsten Sinne, die Augen schenken mir so viel Freude überall!! Sie werden sich nicht satt sehen können, Du!!

Und wie freut sich Dein Dickerle darauf, sein Lieb zu umfangen, als sein Eigen, seinen Schatz, glücklich wie ein Kind, das erst glaubt und besitzt, was es fest in Händen hielt. Wir haben uns [^]so fest und lieb die Hände gereicht über die Ferne mit unseren Boten — haben unsre Herzen getauscht — aber das selige Umfangen für um ganz, das hat uns doch gefehlt — das konnten die Worte nicht ersetzen, das konnten sie nur als ein unendliches Verlangen heraufbeschwören — Du! Du!! das müssen wir nun alles nachholen, für über 60 Briefe!!! Liebste, ich will Dich ganz fest halten wie ein Kind, damit ich Dich behalte — Du, die Stunden, die ich bei Dir bin, weiche ich nicht von Deiner Seite! —(auch wenn Du aufs Töpfchen mußt). Der Dank — die Freude — und? — Du!! — und? das Schenken, Liebste!! Dank und Freude wollen sich austun, wollen sich kundgeben. Geliebte! Du kommst, um mich zu beschenken!!! Sich hinzugeben und zu verschenken ist das Wesen des Weibes. Weibes Gunst zu umwerben und zu gewinnen und zu behalten und darum zu dienen, ist das Wesen des Mannes. Herzliebes! Du bist mir alles und bedeutest mir alles! Weißt Du es? Du weißt es und fühlst es! Das Beste will ich für Dich! Was ich sinne und [t]rachte geht um Dich! Du bist mir der Inbegriff allen Glückes, aller Freude, allen Frauentums geworden. Du bist die Königin meines Herzens! Und nichts scheint mir gut genug, es Dir zu bringen. Geliebte, Du! Sag! Bin ich so ein Mann, Dein Mann? Ich weiß wie Du mir antworten wirst, Herzlieb!! Und weil ich es weiß, Du! beglückend weiß, so sollst Du mein Weib sein, so will ich mich von Dir beschenken lassen ohne ein Gefühl von Schuld, ohne das Gefühl, gering und unwert zu sein! Liebste! Herzallerliebste!

So viel Glück, so viel Glück, das uns geschenkt wurde, und das nun seine letzte Erfüllung und Bestätigung finden soll!! Und das hindrängt zu dieser Erfüllung: eins wollen wir sein!! Du!! Eins werden wir sein in seligem Umfangen!!!

Und wenn Liebende einander beschenken, dann ist das zuletzt ein ernster, leidenschaftlicher Akt — wenigstens in meiner Vorstellungswelt — aber vorher ist das Spiel, das glückhafte Spiel — Du!! Du!! Weißt Du schon Spiele?- Hast Dir welche ausgedacht? — Dein Dickerle hat so wenig Phantasie — es ist so dumm! Aber wenn nur eins recht zaghaft es auffordert mitzutun, dann möchte es wohl seine Steifheit vergessen und mittun. Evchen? Wo bist Du? — Vielleicht wenn es einen guten Gedanken hat, kommt dem Hubo wieder einer drauf. Wer muß anfangen? das Evchen! das Evchen! Steht ja schon in der Bibel! — Liebste, Herzallerliebste! Adam wird sich dann auch nicht aus der Schlinge ziehen, er wird sich zu seinem Teil schuldig bekennen. — Geliebte! Was sind das für Sorgen! Wenn Du nur erst bei mir bist! Bald, bald, wirst Du, werden wir einander sehen und umfangen und liebhaben! Du! Morgen muß ich noch einmal alles aufschreiben! Übermorgen kann ich Dir alles erzählen. Nein, übermorgen werde ich Dir wohl nichts zu erzählen haben.

Geliebte! Behüte Dich Gott! Er sei mit Dir auf der Reise!

Er behüte die liebe Mutter und mache ihr den Abschied leicht!

Ich ab[e]r bin Dein [Roland], in Treue u. Liebe Allezeit Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946