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[OBF-401114-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 14. November 1940

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde], Du! Holde mein!

Siehst auch nach dem Kalender, Herzliebes, wie es rückt, Du?! Heut in 8 Tagen willst schon in Halle sein, und wann Dich mein Bote erreicht, sind es schon längst nicht mehr 8 Tage. Wie fern lag dieser Tag zuerst, in weiter, nebelhafter Ferne, ohne Gestalt. Und nun hat alles ein Gesicht, hat Gestalt gewonnen —  in seinem außeren Ablauf. In unsren Herzen aber warten Jubel und [Fr]eude und noch vieles andere darauf, diesen Tag und die Zeit unsres Beisammenseins zu erfüllen. Gott walte gnädig über unserem Glück!

Was Du nun noch an Fragen hast, mußt Dir nun zurechtlegen und bald anbringen, damit Du Antwort erhältst. Mit Deinen Psst-Psst [^]mich auf die Folter spannen kannst ja noch ein paar Tage länger. Ich werde gut Buch führen darüber!

Heute schrieb die K.er Mutter. Sie haben sich sehr gefreut über mein Bild. Die Nachricht von Deiner Reise hat nicht sonderlich überrascht (man traut Dir also solche toll[laubisch]e Pläne gerne zu!). Sie schreibt auch von Äußerungen Deiner Mutter zu dieser Reise, die werde ich ja bald in der Überraschung für den Schwiegersohn im Original vor mir haben. Ganz warm verpacken soll sich mein Frauchen. Ob sie wohl auch daran denken, [da]ß wir dazu gar nicht lauter Mäntel und Wollsachen brauchen? Du?!! Aber die Hauptsache: die gewünschten Dinge, also auch Vaters kostbar Lichte, gehen bald ab!

Weißt noch den ersten Ort an der Straße nach Königsbrück, viel große Bäume stehen da, ein großes Gut an der Straßenbiegung, Brauna heißt es. Dort ist ein 4 motoriges Verkehrsflugzeug mit einer Künstlergesellschaft abgestürzt. 29 Tote liegen in der Kamenzer Kirche aufgebahrt.

Die Eltern sind wohlauf, wünschen Dir eine gute Reise und uns beiden viel frohe Stunden! Du!! Wenn es nur recht viel sind, froh — will[’]s Gott — und noch viel mehr als froh sollen sie uns schon finden, Du!!!

Abends ist es, da ich zu schreiben fortfahre. Mein Köpfchen raucht. ½8 Uhr war erst Feierabend. Zur gewohnten Stunde, ½6 Uhr, kamen die lieben Boten. Kannst Dir denken: da war es aus mit meiner Ruhe und Aufmerksamkeit. Soviel Zeit und Freiheit sind nun, daß ich die Briefe lesen darf. Aber nach dem war es ja nicht besser, sondern viel schlimmer, Du!! Wie erwartet, traf Mutters liebe Note ein. Hast sie wohl gelesen? Daß ich nicht erst eine Abschrift fertigen muß? Es steckt in der lieben Mutsch viel von meiner [Hilde]. (Umgekehrt ist es wohl richtiger). Wie ich das meine: Nun der Schalk — und —  — der Spaßvogel —  — und — weiter weiß ich jetzt nicht. Ob auch der Wildfang? Das kann ich nicht erkennen, vielleicht früher mal. Also sie sagt ja, Du bekommst Urlaub, der Hubo (sie bedient sich auch dieses Namens) ein tüchtiges Lob für seine Fürsorglichkeit — und die liebe, treue Mutsch kriegt ihr Telegramm, wenn sie auch abwinkt. Du! Niemand soll sich um uns sorgen, wenn wir uns freuen! „Schreibs der [Hilde]: Den wollenen Rock, die wollenen Schlüpfer, die wollenen Strümpfe!“ Du, lauter Fachausdrücke, lauter Dinge, nach de[ne]n Dein wohlerzogenes Dickerle gar nicht fragt, geschweige dann nachschaut!! „Ich glaube, ich könnte ihr sonstwas abverlangen, sie täts machen - - - “. Du! Daß Dein Hubo nicht eifersüchtig wird!!

Nun aber zu Dir! Sonst kommt Alarm, und ich bin noch nicht fertig. Der volle Mond und unsre lieben Sterne sind aufgezogen, hell und strahlend. Und in 8 Tagen ist — wills Gott — wieder Vollmond, auch wenn’s nicht im Kalender steht. „Wann ist Vollmond? [Laube]!!! — Du merkst Dir aber auch gar nichts! Setzen!!“ „Kommst nach der Schule mal zu mir, damit ichs Dir nochmal erkläre!“ Du!!! Verläßt den Hubo nicht schlafen? — Na! — Nun willst Du den Spieß auch noch rumdrehen. Hast ja gar keinen!! Genau um die Stunde war es wohl.

So, nun will ich fein der Reise nach gehen. Wegen der Rückfahrkarte hast also nun sicheren Bescheid. — Ob mein Fahrplan richtiges ist oder der des Bahnhof Oberfrohna, das wirst ja erleben. Dein D-Zug hält jedenfalls auch in Wittenberge — Soo so zeitig willst schon abfahren nach Halle! Also ich bitte noch einmal um die Anschrift der Haller Verwandten. — Barkelsby, Barklesby, Bargelsby — ich weiß auch nicht genau — Geheimnis, alles Geheimnis — Sonntag will ich mal auf die amtliche Ortstafel gucken. Bei Dir gefällt mirs aber, komme ich doch schnell zu einem Titel: Frau Professor! Ich gratuliere! — In Punkte Koffer bringe ich noch einmal meinen Vorschlag von gestern in Erinnerung, dazu meinen Wunsch u. Befehl! Das von dem Geburtstagsmann habe ich ein paar mal lesen müssen, eh[’] ich es verstand. Geburtstagsmann? Ostern? Pfingsten? Weihnachten? — Ach Du, daran zu denken liegt so ab. Meine [Hilde] kommt, mein Holde!!! Das ist mehr als alles das zusammen. Was Liebes willst mir schon wieder schenken? Weißt, wie ich erst las? Soll ich den Geburtstagsmann schicken oder selber bringen? Na, und da war meine Antwort gleich fertig.

Weißt, Du hast ja schon soviel zu schleppen, den Koffer, die 1,70 m (bitte!), und die xx kg, das viele warme Zeug — laß den Geburtstagsmann zu Haus. Dein Hubo will dann auch wieder was zu freuen haben, er würde über der großen Freude Dein Geschenk [g]ar nicht recht schätzen vielleicht — und wäre doch der Mühe eines Dankes enthoben, eines schriftlichen, versteht sich. Ist's so richtig? — Du! Heute habe ich beim Spieß ganz leise angefragt von wegen Urlaub und Besuch! Im April, Mai hat er gesagt — und ich habe ihn dann ganz bös hinter meiner Arbeit angeguckt — — und das mag ihn doch getroffen haben; denn als ich dann ½ 8 Uhr ging, fragte er, was denn das Ziel meines Urlaubes sein werde: ‚Kamenz, Oberfrohna.’ „Ich bin aus Altenburg“. Na, und dann hab ich ganz bescheiden und doch nicht ohne Nachdruck einiges Persönliche erzählt, der dienstlich streng korrekte Hubo, und hab ihm auch erzählt, daß Du mich besuchen willst. Und da hat er gar nicht gestaunt, Du! Er ist gut! Ich stelle Dich ihn auch mal vor. Liebste!!! Und brauchst nicht bange sein vonwegen Urlaub im April, das war bloß Spaß, glaubst? Du! Da würde ich ja auch ganz bös!

So, ich möchte ja noch lange, lange mit Dir plaudern — aber ich muß, ich will nun aufhören: Gleich wird das Licht ausgelöscht — die Finger und Augen schmerzen von Schreiben — und fein brav will ich Dich doch auch bleiben, und das würde mir auf dem 4. Bogen immerhin schwer fallen, ein bißchen Übermut steckt Heute auch in mir. Hasts schon gemerkt!

Herzallerliebste! Behüte Dich Gott! Er walte gnädig über unserem Glück! Werd bald, recht bald gesund (häkle nicht so viel)! Grüße die lieben Eltern! Der Mutter einen lieben Kuß, dem Pappsch einen lieben Klaps, er kriegt bald wieder was zu rauchen. Ach, was zu trinken was zu rauchen — damit ist Dein Dickerle nicht zu befriedigen — dieser Schürzenjäger, dieser Casanova — er will zu seinem lieben Weib, zu seiner [Hilde], seinem Herzlieb!! Du!!! Daß Du zu mir kommst, Geliebte!!!

Ja, was hab ich denn nun noch für Dich? Kuß vergeben, Klaps vergeben — — Küsse, Klapse (wie einfach)! — — bist noch nicht zufrieden? Bist so eigensinnig und wählerisch wie Dein Hubo? Du?! Du!!!

Da passen wir ja wieder mal zusammen, Geliebte!!! Brav, fein brav. Du! Ich liebe Dich ganz sehr, Dein [Roland], Dein Dickerle!

Liebste, Geliebste, Holde mein! Ich bin Dein [Roland]!!

Und Du bist meine liebe, gute, treue [Hilde]!! Ganz, ganz, ganz mein!!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.401114-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946